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Anke Spoorendonk zu TOP 7 - Änderung des Schulgesetzes sowie Anträge zur Schulpolitik
Presseinformation Kiel, den 06. Oktober 2010 Es gilt das gesprochene WortAnke Spoorendonk TOP 7, 8, 15 u. 32 Gesetzentwürfe zur Änderung des Schulgesetzes sowie Anträge zur Schulpolitik Drs. 17/510, 858, 881, 910Für Neuwagen gilt grundsätzlich, dass die ersten drei Jahre „TÜV-frei“ sind. Erst danach greiftdas normale Verfahren, um die Fahrtüchtigkeit des Wagens zu erhalten. Es ist daher nurlogisch und richtig, dass das Schulgesetz drei Jahre nach seiner Verabschiedung in 2007 einmaldurchgecheckt wird. - Dass Unklarheiten beseitigt und Formulierungen den geändertenRahmenbedingungen angepasst werden. So weit, so gut, könnte man meinen.Mit der vorliegenden Schulgesetz-Novelle geht es aber nicht darum, einen Ölwechselvorzunehmen. Mit ihrem Entwurf für ein neues Schulgesetz streut die Landesregierung ganzeinfach so viel Sand ins Getriebe unserer Schulpolitik, dass nichts mehr läuft. Kein Wunder also,dass der Gesetzentwurf von Anfang an im Hagel der Kritik stand. „Unsere Schulen brauchenjetzt produktive Ruhe“, sagte der Ministerpräsident am 21.9.2009 in den Kieler Nachrichten. Die„produktive Ruhe“, die auch den Gemeinschaftsschulen zugesprochen war, bedeutet aber defacto deren Begräbnis erster Klasse. Für den SSW sage ich daher klar und deutlich: Die geplante 2Schwächung der Gemeinschaftsschule - die sich seit 2007 landesweit als Erfolgsmodellbewiesen hat - ist eine bittere Pille, die wir nicht bereit sind zu schlucken. • Dabei geht es erstens um die §§ 42 und 43 des neuen Schulgesetzes, weil sich die Landesregierung dort von den Vorstellungen eines binnendifferenzierten Lernens verabschiedet. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass Regional- und Gemeinschaftsschulen angeglichen werden sollen, um sie irgendwann zusammenzulegen. Aus Sicht des SSW wird hier aber vielmehr das dreigliedrige Schulsystem durch die Hintertür wieder eingeführt. • Zweitens dürfen nach § 43 die Gemeinschaftsschulen nur noch Oberstufen einrichten, wenn ein „öffentliches Bedürfnis“ festgestellt werden kann. Damit wird es den Schulen so gut wie unmöglich gemacht, eine gymnasiale Oberstufe einzurichten. Insbesondere in ländlichen Regionen werden damit ganze Zukunftsplanungen zunichte gemacht. Hier hat man mit viel Mühe die Gemeinschaftsschulen aufgebaut, um jetzt feststellen zu dürfen, dass die Landesregierung diese Schulart hintenrum wieder abschaffen will. • Und drittens schafft die Einführung des Y-Modells in § 44 - also das beliebige Angebot von G8 oder G9 an den Gymnasien - eine unnötige Konkurrenz zwischen Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Auf die Kritik der Eltern an G8 hat der Bildungsminister jetzt auch G9 an den Gymnasien zugelassen. Damit wird aber das Problem von G8 - nämlich die Überlastung der Kinder - nicht gelöst. Eigentlich müssten nämlich die Lehrpläne dringend überarbeitet werden und nicht die Schulstruktur der Beliebigkeit überlassen werden. Hier sind die Eltern und die Kinder die großen Verlierer, weil sich ihr G8-Schulalltag nicht verbessern wird.Die Schulpolitik der schwarz-gelben Landesregierung ist eindeutig rückwärtsgewandt. Sie istgeprägt von Beliebigkeit, weil nicht mehr klar ist, warum die Schulen eigentlich G8 oder G9anbieten und welche Unterrichtsform sie bevorzugen. Insgesamt macht dieser Gesetzentwurfdie Orientierung an einer ständischen Gesellschaft deutlich, in der für eine frühzeitige 3Selektierung der Kinder gesorgt wird. Für eine zukunftsweisende Bildungspolitik ist aberwichtig, dass alle Kinder die Chancen erhalten, die sie verdient haben, um sich zu entwickeln.Es geht um Chancengleichheit und Gleichbehandlung - was das heißt, scheint dieLandesregierung vergessen zu haben.Deutlich wird dies neben der Schwächung der Gemeinschaftsschulen auch in der Streichungder Schülerbeförderungskosten. 6,5 Mio. Euro will das Land hier einsparen, und die Kosten aufdie Kreise und die Eltern abwälzen. Schon 2007 gab es diesen Vorstoß, und damals waren dieProteste so laut, dass der Vorschlag zurück genommen wurde. Die Verantwortung, ob alleKinder, unabhängig von ihrer Herkunft die Bildung erhalten, die sie wollen, hängt also inZukunft von den Kreisen und Gemeinden und deren Einführung von Sozialstaffeln ab. Schonjetzt ist allerdings absehbar, dass mehr denn je das Portmonee der Eltern darüber entscheidenwird, ob Kinder den langen Schulweg zu den höheren Schulen antreten oder nicht.Chancengleichheit gibt es auch nicht bei den Kindern der dänischen Minderheit. Die Kürzungenvon 4,7 Mio. Euro und der Wegfall der Schülerbeförderungskosten sind schwerwiegendeEinschnitte, die nicht aufgefangen werden können, sondern Schulschließungen mit sich führenwerden. Es ist daher unerträglich ist, dass die Landesregierung - anders als in Stellungnahmenvon 2006 - heute nicht mehr dazu steht, dass die dänischen Schulen für die Minderheitalternativlos sind und daher mit den öffentlichen Schulen in der Finanzierung verglichenwerden müssen. Tut man dies nicht, missachtet man nicht nur einen Teil der Bevölkerung, diein diesem Land lebt und Steuern zahlt, man missachtet auch die minderheitenpolitischenGrundsätze, die dieses Land bisher in Sachen Minderheitenpolitik zu einem Vorreiter gemachthaben. Für den SSW möchte ich daher ganz klar sagen, dass die Proteste und Kundgebungen inden letzten Wochen und nicht zuletzt die 50.000 gesammelten Unterschriften gegen diegeplanten Kürzungen bei der dänischen Minderheit deutlich gemacht haben, dass alle Kinderunseres Landes gleich viel wert sind. 4Die Schulen der dänischen Minderheit sind rechtlich gesehen als Privatschulen organisiert.Dass dies so ist, ist historisch begründet. Inhaltlich gesehen sind sie es nicht. Ein Blick auf dieSchullandschaft in Schleswig-Holstein genügt aber, um zu verstehen, wie wichtig auch diefreien Schulen für die Weiterentwicklung des schulischen Angebots sind. Daher unterstützenwir auch den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur besseren finanziellen Ausstattung derfreien Schulen.Die vorliegende Schulgesetznovellierung kritisiert der SSW vor allem, weil wir plötzlich aneinem Punkt angekommen sind, der eigentlich schon überwunden schien. Es gibt aktuelleProbleme, auf die reagiert werden muss - z.B. dürfen die Gemeinschaftsschulen nach § 24 jetztzuständige Schule sein. Obwohl dieser Vorschlag erst einmal positiv wirkt, weil die Bedeutungder Gemeinschaftsschule als „Regelschule“ anerkannt wird, führt auch diese Änderung durchdie Abschulung der Gymnasien zu einer weiteren Selektierung der Kinder. Auch muss dieBerechnung des Schullastenausgleichs aufgrund der schwierigen Datenermittlung und dernicht ausreichenden Finanzierung neu geregelt werden. Dieser Vorschlag birgt mit derSpitzabrechnung einige Tücken für die Schulträger und die Gemeinden. Hier ist noch nicht klar,in wie weit weitere Konkurrenz geschürt und Verwaltungskosten einfach vom Land auf diekommunale Ebene verlagert werden.Der vorliegende Schulgesetzentwurf ist so konfliktträchtig wie ein Minenfeld. Dabei gilt geradefür die CDU, dass sie in Sachen Schulpolitik schon einmal weiter war. Für die FDP gilt, was derBildungsforscher Prof. Klaus Klemm zur Fachtagung „Bildung im ländlichen Raum“ im Aprilsagte: „Die FDP ist schulpolitisch bundesweit die rückständigste Partei.“ Vor diesemHintergrund diskutieren wir heute eine Schulgesetznovellierung, die der Arbeit und dem Alltagan den Schulen hinterher hinkt und ihm auch nicht gerecht wird. Zwar möchte die schwarz-gelbe Landesregierung mit ihrer Gesetzesnovelle für Schulfrieden und eine Weiterentwicklungan den Schulen in Eigenverantwortung sorgen. Schöne Worte, die den Test mit der Wirklichkeitaber in keinster Weise standhalten können. Denn Fakt ist, dass der Gesetzentwurf für eine 5unnötige Konkurrenz zwischen den Schulen und für eine strukturelle sowie pädagogischeBeliebigkeit sorgt - Verlässlichkeit in der Schulpolitik sieht anders aus! Und das ist aus Sicht desSSW der eigentliche Skandal: die Schulreform 2007 war keine Reform aus einem Guss. Sie waraber ein Anfang und sie wurde mit der großen Mehrheit der Großen Koalition beschlossen. Undwäre die CDU nach der Landtagswahl im letzten Jahr nicht vor der FDP eingeknickt, bestündedie Möglichkeit einer behutsamen Weiterentwicklung. Wir hätten den Schulfrieden gehabt,der nun von allen Seiten eingefordert wird!Die Landesregierung weiß sehr wohl, dass sie mit einer Stimme die Mehrheit im Landtag hat.Sie hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie nicht an breiten politischen Lösungeninteressiert ist, sie wird also das Schulgesetz im Alleingang durchziehen. Fest steht aber auch,dass Schleswig-Holstein damit ein Schulgesetz mit stark begrenzter Haltbarkeit bekommt. Dasdarf nicht sein. Ein Neuanfang ist geboten; wenn dies in Form eines Runden Tisches geschehenkann, dann sind wir dabei.