Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

15.12.10 , 12:34 Uhr
SSW

Haushaltsgesetz zum Haushaltsplan 2011/2012, Haushaltsbegleitgesetz zum Haushaltsplan 2011/2012

Presseinformation Kiel, den 15.12.2010 Es gilt das gesprochene Wort



Anke Spoorendonk
TOP 4 et al. Haushaltsgesetz zum Haushaltsplan 2011/2012 Haushaltsbegleitgesetz zum Haushaltsplan 2011/2012

Dieser Haushalt ist einmalig in der Geschichte des Landes. Nicht nur, weil erstmals die
Schuldenbremse gilt, sondern vor allem, weil das Verfahren zur Vorbereitung dieses Haushalts
ausgesprochen apart war. Im Parlament haben wir zwar in den letzten drei Monaten reguläre
Haushaltsverhandlungen durchlaufen; ich habe aber noch nie erlebt, dass die Fronten von
vornherein derart geschlossen waren, wie diesmal. – Und das obwohl die schwarz-gelbe
Koalition sowohl bei der gemeinsamen Verankerung der Schuldenbremse in der Landesver-
fassung als auch in Verbindung mit dem Sparpaket der sogenannten Haushaltsstruktur-
kommission zugesagt hatte, für konstruktive Änderungsvorschläge der Opposition offen zu
sein. Davon ist heute keine Rede mehr. Das gesamte Verfahren ist ein einziges Durchregieren
gewesen.


Insofern ist es fast schon beruhigend zu sehen, dass wir nicht ganz allein sind: dass auch
Kolleginnen und Kollegen der CDU unser Schicksal teilen. Die einseitige Fixierung auf
Einsparungen hat dazu geführt, dass im Finanzministerium und im Landesrechnungshof die 2
Musik gemacht wird. Wer sich allein dem Diktat der Rechnungsprüfer unterwirft, darf sich aber
nicht darüber wundern, wenn fachpolitische Argumente nicht zugelassen werden und der
Landesrechnungshof sich direkt in die Arbeit des Gesetzgebers einmischt.


Auch der SSW hat der Schuldenbremse zugestimmt, weil es mit der öffentlichen Verschuldung
so nicht weiter geht. Das war aber noch lange nicht einen Freibrief für alle möglichen und
unmöglichen Einfälle der Haushaltsstrukturkommission. Die schwarz-gelbe Koalition begrün-
det all ihre Maßnahmen mit der Schuldenbremse, aber das ist unehrlich. Denn natürlich geht
die Schuldenbremsung auch anders und solidarischer. Das belegen zahlreiche Änderungs-
vorschläge des SSW und der anderen Oppositionsfraktionen. Stattdessen mussten wir in den
letzten Monaten die immer gleich lautenden Sätze des Ministerpräsidenten über uns ergehen
lassen, der für sich in Sachen Haushalt die alleinige Deutungshoheit beansprucht: Alle
Kürzungen sind alternativlos, heißt es gebetsmühlenartig. Dass die Staatsverschuldung und
die Schuldenbremse auch als Vorwand genutzt werden, um die Politik von Schwarz-Gelb zu
legitimieren, wird dabei verschwiegen. Und daher sage ich: Bei dem vorliegenden Haushalts-
entwurf geht es auch um die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, es geht um den Abbau von
sozialen Leistungen und Hilfen und es geht darum, Aktivitäten und Einrichtungen, die
Konservativen und Liberalen aus ideologischen Gründen ein Dorn im Auge sind, den Hahn
zuzudrehen. Und dies alles ist eben nicht alternativlos!


Schon seit dem Bericht der Haushaltsstrukturkommission wissen wir: Wenn man CDU, FDP
und Landesrechnungshof kreuzt, bekommt man eine ALDI-Politik. Nicht die beste Lösung wird
gesucht, auch nicht die nachhaltigste, sondern die hier und jetzt billigste. Das oberste Ziel
dieses Haushalts ist ein Rückzug des Landes, der finanzpolitisch begründet wird, aber nicht
zuletzt ideologisch gewollt ist. Dabei fällt sehr ins Auge, dass sich diese Koalition zwar darauf
verständigen kann, was sie in Zukunft nicht will. Vorstellungen davon, wie das Land dann
aussehen soll, wenn die Schuldenbremsung 2020 beendet ist, hat sie aber keine. Die 3
Landesregierung betätigt sich fast ausschließlich als Abbruchunternehmen und baut kaum die
Strukturen um, die das Land auch in 10-20 Jahren noch braucht.


Das gilt im hohen Maße für die sozialen Einrichtungen im Land. Die Probleme der Bürgerinnen
und Bürger verschwinden nicht, wenn Dienstleistungen, Beratungsangebote oder
Selbsthilfegruppen den Schlüssel umdrehen müssen. Die Menschen werden nur mit ihren
Problemen allein gelassen, was nicht nur unsolidarisch ist, sondern angesichts der Folgen
längerfristig auch volkswirtschaftlicher Unsinn. Deshalb lehnt der SSW die massive Kürzung
bei den Sozialverträgen, die Halbierung des Landesblindengelds oder die Kürzungen bei den
Jugendverbänden ab. Gleiches gilt für die Mädchenarbeit, die Frauenförderung und die
Unterstützung für Migranten. Wenn man feststellt, dass Frauen immer noch in der Gesell-
schaft benachteiligt werden und wir einen Nachholbedarf bei der Integration von Migranten
haben, dann ist es - gelinde gesagt - unklug und kurzsichtig, hier alles kaputt zu sparen. Der
gefundene Kompromiss beim Landesblindengeld , der rund 50 Schwerstbetroffene ausnimmt,
ist dabei wenig mehr als heiße Luft.


Der SSW hat Änderungsvorschläge eingebracht, wie diese Bereiche durch andere Maßnahmen
zumindest teilweise verschont bleiben können, ohne dass dadurch die Ausgaben des Landes
steigen. Solange nicht alle Möglichkeiten für andere Einsparungen oder Einnahmeerhöhungen
ausgeschöpft werden, besteht keine Not, wertvolle Arbeit und soziale Strukturen zu zerstören,
die sich später kaum wiederherstellen lassen. Solidarität ist eine Grundvoraussetzung unserer
Gesellschaft und kann nie eine Frage sein, die rein nach Kassenlage entschieden wird. Solche
Kürzungen, die übrigens nicht nur die Schwächsten in unserer Gesellschaft treffen, sondern
auch Familien die Unterstützung entziehen, können deshalb niemals am Anfang einer
Haushaltskonsolidierung stehen.


Dass sich die regierungstragenden Fraktionen – sozusagen in letzter Minute - dazu durch-
gerungen haben, die Sozialarbeit an den Schulen zu fördern und den Ausbau der Betreuung für 4
unter 3 jährige Kinder voran zu bringen, will ich vor diesem Hintergrund gar nicht kleinreden.
Den Lakmustest der sozialen Gerechtigkeit würde dieser Landeshaushalt dennoch nicht
bestehen, dann müsste nämlich der gesamte Bildungsbereich neu aufgestellt werden. Dazu als
Beispiel zwei Veränderungen, die mit der Verabschiedung des neuen Doppelhaushalts wirksam
werden – auch, wenn die Novellierung des Schulgesetzes noch aussteht: Zum einen bedeutet
die Reduzierung der sogenannten Differenzierungsstunden bei den Gemeinschaftsschulen von
sechs auf drei, dass es schwieriger wird, den Unterricht im Sinne der einzelnen Kinder zu
gestalten. Hinzu kommt, dass damit bei Gemeinschafts- und Regionalschulen insgesamt 300
Lehrerstellen eingespart werden sollen, die nicht alle auf andere Schularten übertragen
werden. Mit anderen Worten: Es findet auch eine Ausdünnung des Unterrichts statt. Zum
anderen streicht das Land die Bezuschussung der Schülerbeförderungskosten. Was bleibt, ist
die Tatsache, dass noch mehr als bisher das Portemonnaie der Eltern darüber entscheidet, ob
Jugendliche eine weiterführende Schule besuchen oder nicht.


Wenn dieser Haushalt ein Prädikat verdient hat, dann ist es „besonders unsolidarisch“. Das gilt
nicht nur für den sozialen Bereich. Es ist bezeichnend, dass die CDU und die FDP nicht einmal
davor halt machen, die Solidarität der Regionen im Land aufzugeben. Das zeigt schon
exemplarisch die Küstenschutzabgabe. Die Küstenbewohner für den Küstenschutz zur Kasse zu
bitten ist ebenso abwegig, wie die Nachbarn von Atomkraftwerken für Strahlenschutz und
Leukämiestudien zahlen zu lassen. Der Plan der Landesregierung öffnet ein Fass, das besser
geschlossen bleibt, denn mit der gleichen Logik kann man die Anwohner von allen anderen
Risiken mit Abgaben belegen. Außerdem könnte der Bund sich mit demselben Argument aus
der Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz herausziehen und den Schutz vor Sturmfluten und
dem steigenden Meeresspiegel allein den Küstenländern überlassen. Und wer meint, man
könnte eine Regelung über den kommunalen Finanzausgleich schaffen, scheint an politischer
Demenz zu leiden. Ich sage nur, der Eingriff in das Finanzausgleichsgesetz von 2006 lässt
grüßen. 5
Wir haben alle ein Interesse daran, dass unsere Küsten besiedelt sind und erhalten bleiben. Der
SSW hat beantragt, die Küstenschutzabgabe zu stoppen und den Ansatz für Küstenschutz-
maßnahmen 2012 zu erhöhen. Dieser Vorschlag ist solide finanziert. Wir fordern insbesondere
alle Landtagsabgeordneten der Westküste auf, diesem Änderungsvorschlag zuzustimmen.
Küstenschutz muss eine solidarische Gemeinschaftsaufgabe bleiben.


Diese Landesregierung ist einem Trugschluss erlegen. Eine gute Haushaltskonsolidierung tut
weh, glaubt sie, und hat damit sicherlich nicht ganz unrecht. Leider ist sie aber auch dem
Umkehrschluss erlegen, dass alles was wehtut und lautstarken Protest hervorruft auch schon
eine gute, ausgewogene Politik ist. Das sieht man an der Diskussion um die Justizvoll-
zugsanstalten in Flensburg und Itzehoe ebenso wie beim Protest gegen die massive
Beschneidung regionaler Angebote im Sozial- und Frauenbereich.


Unsolidarisch ist es auch, wenn das Land nun seinen Haushalt auf Kosten der kommunalen
Ebene saniert. Dies gilt nicht zuletzt für die Streichung der Landeszuschüsse für die Schüler-
beförderung, die für die Kreise eine zusätzliche Belastung bringen wird. Betroffen ist davon
auch der Dänische Schulverein, der bisher vom Land ein Drittel der Förderung bekommt, weil
die Kreise nicht die üblichen Zweidrittel zahlen wollen, sondern nur ein Drittel. Die Kürzung der
Schülerbeförderung für die dänischen Schulen wird im Kreis Schleswig-Flensburg aber dazu
führen, dass der Schulverein sich voraussichtlich aus dem ÖPNV im Kreis zurückzieht, wodurch
in Schleswig-Flensburg dann auch noch die gesamte Schülerbeförderung zu den öffentlichen
Schulen zusammenzubrechen droht. Schuld hierfür trägt dann aber auch die Landesregierung.
Das kurzfristige, buchhalterische Suchen nach Einsparungen, ohne Blick für die Konsequenzen,
wird so zur Politik nach dem St. Floriansprinzip und bringt Schleswig-Holstein wirklich nicht
weiter.


Das gilt auch für die Hochschulen. Es ist ein Glück, dass zwei der größten regionalen Fehlent-
scheidungen der Haushaltsstrukturkommission, die Schließung großer Teile der Universitäten 6
in Lübeck und Flensburg, mittlerweile vom Tisch sind. Sie sind es allerdings nur, weil der Bund,
die Regionen und insbesondere die regionale Wirtschaft eingesprungen sind. Insofern hat der
Ministerpräsident auch nicht das Versprechen seiner Regierungserklärung eingehalten, das zu
tun, was für die Wirtschaft gut ist. Er hat ihnen stattdessen neue Bürden auferlegt.


Dieses Land wird nicht dadurch besser, dass man bei den öffentlichen Aufgaben eine Art
Schlussverkauf veranstaltet und das was noch übrig bleibt wahlweise streicht oder den
Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern aufs Auge drückt. Die Diskussion der vergan-
genen Woche um den Ausverkauf von 5.000 Studienplätzen zeigt, dass die Besessenheit des
Finanzministers ihn offensichtlich blind gemacht hat. Man kann dieses Land doch nicht
kaputtmachen, damit man um jeden Preis ein volles Sparschwein vorweisen kann. Was ist es
denn für eine Politik, bei der das Kürzen so zum Selbstzweck wird, dass das Schicksal der
Menschen und die Zukunft des Landes nicht mehr zählt? Natürlich sind die Nebenkosten einer
Bauruine billiger als in einem intakten Haus, aber in einer Ruine kann nur keiner mehr
menschenwürdig leben.


Zu den grundlegenden Fragen von Solidarität, Zusammenleben und Menschenwürde gehört
auch die Frage, wie man mit seinen Minderheiten umgeht. Der Beschluss, einseitig bei den
Schulkindern der dänischen Minderheit zu kürzen, ist ein eklatanter Bruch mit der Minder-
heitenpolitik des Landes. Nicht nur die dänische Minderheit betrachtet die Kürzung von 100 %
auf 85 % der Schülerkostensätze als eine Ungleichbehandlung ihrer Kinder. Dass auch viele
Nachbarn aus der Mehrheitsbevölkerung im Landesteil Schleswig diese Ansicht teilen, belegen
52.500 Unterschriften, die innerhalb kurzer Zeit im Norden gesammelt werden konnten.


Diese Landesregierung nimmt mutwillig in Kauf, dass wir minderheitenpolitisch wieder in den
70er Jahren landen. Denn mit diesem Beschluss wird die Uhr nicht ins Jahr 2008 zurückgedreht,
wie die Koalition immer wieder gern behauptet. Damals wurde lediglich die Berechnungs-
grundlage der 100 % geändert. Die Änderung des Schulgesetzes bedeutet ein Rückschritt in die 7
frühen 1980er Jahre, als der damalige Ministerpräsident Uwe Barschel die Gleichstellung
einführte.


Wie gravierend die CDU ihre Politik geändert hat, zeigt die Aussage des CDU-Vorsitzenden und
Fraktionsvorsitzenden von Boetticher, dass es ein Fehler war, 2008 von 100 % zu sprechen. Dies
steht im krassen Widerspruch zu allem, was in den vorhergehenden Jahren gesagt und
geschrieben wurde. Dass die Staatskanzlei Carstensens 2006 dem Landesrechnungshof erklärt,
Einsparungen bei den dänischen Schulen könnten allenfalls der dänischen Seite
zugutekommen, spielt keine Rolle mehr. Damals hieß es noch in den Bemerkungen des
Rechnungshofs:
„Die Frage, ob Effizienzsteigerungen und Einsparungen möglich sind, dürfte aus der Sicht der Staatskanzlei in erster Linie die dänische Seite berühren. Da die minderheitenpolitisch bedingten Mehrkosten vorrangig durch das Königreich Dänemark aufgebracht werden, müssten etwaige Einsparungen dem Königreich zufließen. Die bedarfsunabhängige Förderung der Schulen der dänischen Minderheit sei minderheitenpolitisch gewollt. Die Sonderstellung gegenüber anderen Schulen in freier Trägerschaft gründe sich auf den in Art. 5 Abs. 2 LV festgelegten Anspruch der dänischen Minderheit auf Schutz und Förderung.“

Dass Ministerpräsident Peter Harry Carstensen 2007 in Verbindung mit der Schulgesetz-
änderung die Gleichstellung noch als alternativlos dargestellt hat, wird heute unter dem Motto
„was schert mich mein Geschwätz von gestern“ einfach und ohne Erklärung vom Tisch
gewischt.


Daraus lässt sich nur ein Schluss ziehen: Die CDU und die FDP wollen die Gleichstellung um
jeden Preis abschaffen. Alle unsere Argumente der letzten Monate sind ins Leere gegangen,
weil die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen nicht einmal den Willen zum Zuhören
hatten. CDU und FDP haben sich bewusst auf veraltete Informationen gestützt, Vorurteile
geschürt, falsche Informationen genutzt und sich Gegenargumenten verschlossen. Wer – wie
der Ministerpräsident – im NDR verkündet, dass die Schulen der dänischen Minderheit mehr als 8
doppelt so teuer sind als die öffentlichen Schulen in Schleswig-Holstein und so tut, als käme
Schleswig-Holstein für die Mehrkosten auf, argumentiert unredlich. Die Gleichstellung der
dänischen Schulen mit den öffentlichen Schulen bedeutet nämlich, dass die Schulen der
Minderheit an den Bedarf der öffentlichen Schulen gekoppelt sind. Hinzu kommt, dass die
Lehrkräfte der dänischen Schulen nicht mit Angestellten vergleichbar sind, sondern in
beamtenähnliche Arbeitsverhältnisse beschäftigt sind. Der dänische Schulverein zahlt auch
Beihilfe und Pensionen - analog zu dem, was für den öffentlichen Schulbereich gilt und zwar
seit den frühen 1950er Jahren auf Verlangen früherer CDU-Landesregierungen. Die
Behauptung, bei dem Dänischen Schulverein fielen keine vergleichbaren Pensionslasten an, ist
also schlicht und ergreifend falsch. Dass der bemängelte Mehraufwand ja nicht einmal von den
Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern gezahlt wird, sondern durch die
dänischen Steuerzahler, die jedes Jahr zweistellige Millionensummen in den Wirtschafts-
kreislauf des nördlichen Landesteils pumpen, kann man offensichtlich gar nicht oft genug
wiederholen. - Dies alles, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, war eine zutiefst
frustrierende Erfahrung und begründet die stark gereizte Stimmung, die Ihnen seitens der
Minderheit und in Dänemark entgegenschlägt.


Die Minderheitenpolitik des Landes war bisher von einem grundlegenden Konsens getragen.
Deshalb ist es fatal, dass Schwarz-Gelb nun ihre zweifelhafte Einstimmenmehrheit nutzt, um
etwas durchzusetzen, was keine andere politische Konstellation so beschlossen hätte. Alle
Parteien in der Opposition - SSW wie Grüne, Sozialdemokraten wie Linke - lehnen die
Schlechterstellung der Kinder an den dänischen Schulen ab. Jenseits von Schwarz-Gelb gibt es
keine Mehrheit für die einseitigen Kürzungen bei den Kindern an dänischen Schulen. Deshalb
ist es ein Affront ohne Gleichen, dass die vom Verfassungsgericht angezählte Mehrheit ihre
Situation nutzt, um sich von einem grundlegenden Prinzip der schleswig-holsteinischen
Minderheitenpolitik zu verabschieden. Und das, obwohl der Bund sogar einen Anteil
übernommen hat und dem Land so 2011 eine Ersparnis von 3,5 Millionen Euro bringt. Um da
keinen falschen Zungenschlag aufkommen zu lassen: Wir begrüßen, dass der Bund mehr 9
minderheitenpolitische Verantwortung zeigt. Nur lässt sich die Gleichstellung nicht
konjugieren. 96 % sind auch keine Gleichbehandlung und die Bundesmittel stehen bislang nur
für das Jahr 2011 fest. Formell wird die Koalition die Ungleichbehandlung der Kinder in den
dänischen Schulen gesetzlich festschreiben. Damit hat sich unser Staat auf Landes- wie
Bundesebene von der Gleichstellung der Minderheit verabschiedet.


Wir müssen einsehen, dass die dänische Minderheit und ihre Unterstützer heute diese Runde
im Kampf um die Gleichstellung verlieren werden. Da es aber unerträglich ist, dass die
Landesregierung - und nun auch die Bundesregierung - je nach Lust und Laune definiert, wie
die Gleichstellung von Minderheiten auszusehen hat, wird dies nicht die Endrunde gewesen
sein. Der SSW und der Dänische Schulverein fassen nun ernsthaft eine Klage ins Auge. Da die
Politik in Kiel nicht länger in der Lage ist, verantwortungsvoll mit dem hohen Gut der Minder-
heitenpolitik umzugehen, wird wohl leider auch diese Frage von den obersten Gerichten des
Landes in Schleswig entschieden werden müssen.


Für den SSW ist es insgesamt schwer hinnehmbar, dass allein mit der Begründung „alle
müssen sparen“ behauptet wird, man könne die Förderung im Minderheitenbereich nicht
ausnehmen. Dabei übersieht man willentlich, dass sich diese Zuschüsse in den letzten 20
Jahren nur unwesentlich verändert haben – dass sie immer wieder gekürzt oder überrollt
worden sind. Besonders schmerzlich macht sich dies beim Nordfriisk Instituut bemerkbar, denn
für die – meist ehrenamtlich organisierte - friesische Sprach-und Kulturarbeit ist das Institut
als institutionelles Fundament unentbehrlich. Minderheitenpolitik ist keine Wohltätigkeits-
politik. Daran ändern auch die bescheidenen Aufstockungen im Bereich der Kulturarbeit nichts
– wobei mir sehr wohl bewusst ist, dass diese nicht zuletzt durch das Engagement einzelner
Kolleginnen und Kollegen zustande gekommen sind. Wer sich aber ernsthaft mit der Frage
auseinandersetzt, wie sich unser Land weiterentwickeln sollte, wird sich notgedrungen auch
mit der Frage befassen müssen, welchen Stellenwert der Bereich Minderheitenpolitik künftig in
unserer Gesellschaft einnehmen soll. Dass wir vor ein paar Jahren mit der sogenannten Kom- 10
petenzanalyse der Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland in diesem Hause sehr viel
weiter waren als heute, scheint die Landesregierung völlig vergessen zu haben.


Der SSW hat in den letzten vielen Jahren bewusst die dänische Karte gespielt, wenn der
Haushalt für Schleswig-Holstein verabschiedet werden sollte. Denn im dänischen Folketing ist
es gang und gäbe, dass sowohl die regierungstragende Mehrheit wie auch die politische
Opposition in die Entscheidungsprozesse um den Haushalt einbezogen werden. Politische
Auseinandersetzungen werden im Laufe der Haushaltsberatungen ausgetragen, so dass das
Staatsbudget normalerweise mit großer Mehrheit im Parlament verabschiedet wird. Diesem
Beispiel ist der SSW seit über anderthalb Jahrzehnten gefolgt, seit Karl Otto Meyer zu Beginn
der 1980er Jahre erstmalig für einen Haushalt der damaligen CDU-Landesregierung gestimmt
hat.


Dieser erste und letzte schwarz-gelbe Haushalt ist aber ohne Vorbild in der Geschichte des
Landes Schleswig-Holstein. Er hat eine soziale Schlagseite, er ist regional unausgewogen und er
kürzt einseitig auf Kosten der Minderheiten. Dass die schwarz-gelbe Koalition den Haushalt
ohne Dialog mit der Opposition, den eigenen Fachpolitikern und den Betroffenen durch-
peitscht – und das auch noch mit einer verfassungsmäßig zweifelhaften Mehrheit – ist ein
parlamentarischer Tiefpunkt, der mit demokratischen Mitteln kaum noch zu unterbieten ist.
Aus all diesen Gründen wird der SSW zum ersten Mal seit 25 Jahren dem Landeshaushalt nicht
zustimmen.

Download PDF

Pressefilter

Zurücksetzen