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Anke Spoorendonk zu TOP 3 - Änderung des Landeswahlgesetzes und der Landesverfassung
Presseinformation Kiel, den 24.03.2011 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 3 Änderung des Landeswahlgesetzes und der LandesverfassungEines muss man eingestehen: Unser Wahlgesetz wird heute ein Stück besser. Das heißt nichtim Umkehrschluss, dass es gut wird. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass die entscheiden-den Vorgaben des Landesverfassungsgerichts mit diesem Gesetz erfüllt werden. In Zukunftwird die Zusammensetzung des Parlaments wieder dem Votum der Wählerinnen und Wählerentsprechen. Diese Situation, die seit der Landtagswahl im Herbst 2009 dieses Haus wie einKainsmal kennzeichnet, war ja gerade der Grund, weshalb der SSW sich entschieden hat, mitden Grünen die erfolgreiche Verfassungsklage einzureichen.Gleiches gilt auch für das mathematische Verfahren, mit dem die Wählerstimmen in Landtags-mandate umgerechnet werden. Wir begrüßen die Umstellung auf die Methode SainteLaguë/Schepers, die genauer als die Verteilung nach D’Hondt das Wählervotum widerspiegelt.Auch damit steigert dieses Wahlgesetz die Erfolgswertgleichheit der einzelnen Stimmen unddamit die Wahlgerechtigkeit. So weit, so gut.In der Verhandlung und dem Urteil des Landesverfassungsgerichts wurde aber auch einezweite Problematik deutlich. Das Gericht hat bemängelt, dass die Regelungen des bisherigen 2Landeswahlgesetzes nicht geeignet sind, das Ziel von 69 Mandaten zu erreichen, das in derVerfassung verankert ist. In dieser Situation gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann die Regelun-gen an die Verfassungsvorgabe anpassen, oder man kann die Verfassung ändern. Die schwarz-rot-gelbe Mehrheit dieses hohen Hauses hat sich dafür entschieden, die Landesverfassungihren Bedürfnissen entsprechend zu ändern. Diesen Weg können wir nicht mit gehen.Der SSW hat von Anfang an deutlich gemacht, dass wir an der Zahl von 69 festhalten, denndiese Zahl ist aus gutem Grund in die Verfassung geschrieben worden. Sie sollte verhindern,dass die 2003 eingeführte neue Diätenstruktur zu einem teureren Landtag führte. Es hat nichtfunktioniert, weil beim Wahlgesetz handwerklich gepfuscht wurde. Aber die Frage ist nun, obes die richtige Antwort ist, wieder einen größeren Landtag in Kauf zu nehmen. Wer die Zahl 69ändern will, muss erklären, weshalb ein größerer Landtag erforderlich ist. Wir können es nicht.Der SSW kann auf keinen Fall einer Lösung zustimmen, bei der schon jetzt abzusehen ist, dasswir in der Praxis wieder Landtage mit bis zu 100 Abgeordneten bekommen können.Das Gericht selbst hat in seinem Urteil angeführt, dass eine der Möglichkeiten zur Vermeidungvon Überhang- und Ausgleichsmandaten die Wiederabschaffung der Zweitstimme ist. DasZweistimmenwahlrecht hat aber keine ausschlaggebende Funktion, wenn es darum geht, dasAusufern der Mehrsitze zu verhindern. Frühere Landtagswahlen und die Kommunalwahlenzeigen, dass auch mit einem Einstimmenwahlrecht viele Überhangmandate entstehen können.Demgegenüber bietet das Zweistimmenwahlrecht mehr demokratische Gestaltungsmöglich-keiten. Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile für die Wählerinnen und Wähler wird derLandtag deshalb die Zweitstimme erhalten. Das begrüßen wir.Allerdings teilen wir nicht den Schluss der schwarz- rot-gelben Wahlrechtskoalition, dass dannnur die Option bleibt, die Zahl 69 aus der Verfassung zu streichen und überproportionierteLandtage in Kauf zu nehmen. Denn es gibt auch die Möglichkeit, durch eine Reduzierung derWahlkreise an der Zielgröße 69 festzuhalten und nur geringe Abweichungen zuzulassen. Eine 3Verringerung der bisher 40 Wahlkreise auf unter 30 würde könnte das Risiko eines Landtagsmit weit über 69 Sitzen deutlich reduzieren. Dabei würde zwar das Element der Persönlich-keitswahl etwas zurückgedrängt. Dass dieses aber noch vertretbar ist, haben sowohl die Ein-lassungen des Verfassungsgerichts als auch ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstesgezeigt. Deshalb halten wir eine Reduzierung auf 27 Wahlkreise nach wie vor für richtig undgeboten. Der SSW lehnt die Verfassungsänderung und die damit verbundene Reduzierung aufimmer noch 35 Wahlkreise ab und wir werden deshalb gegen das Gesamtpaket stimmen.Für den SSW ist und bleibt das oberste Kriterium Wahlrechtsgleichheit. Die wird es jetzt wiedergeben. Das war allerdings auch ein Diktat des Landesverfassungsgerichts und insofern bestehtfür CDU, SPD und FDP jetzt wenig Grund, sich für dieses Wahlgesetz feiern zu lassen. Umsomehr verwundert es auch, dass der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende quasi in letzterSekunde noch bereit war, den vollen Ausgleich von Überhangmandaten zu opfern und somitdas Verfassungsgerichtsurteil zu ignorieren. Es ist aber symptomatisch für die gesamteDebatte gewesen, in der die Öffentlichkeit abermals den Eindruck gewann, dass das Wahlrechtfür die Parteien nur eine Frage von Besitzständen ist. Nicht umsonst hat die Große Koalition indieser Frage wieder gut funktioniert. Die CDU und die SPD haben in den vergangenen Monatenganz offen ihre Schäfchen in Trockene gebracht und den Kleinen im Gegenzug vorgeworfen,uns würde es schließlich auch nur um Parteiinteressen gehen. Dabei wird aber eines ver-schwiegen: Wenn die Mehrheit sich zu einer deutlichen Verkleinerung des Landtags durchge-rungen hätte, dann wären vor allem die kleinen Fraktionen in ihrer Arbeitsfähigkeit betroffen.Ich denke alle können sich vorstellen, was es bedeutet, wenn eine kleine Fraktion auch nur eineAbgeordnete oder einen Abgeordneten verliert. Dazu wären wir aber bereit gewesen.Es ist von Anfang an klar gewesen, dass es in dieser Runde keine Debatte über eine grundle-gende Reform des Wahlrechts geben konnte. Dabei waren durchaus interessante Alternativenim Gespräch. Sowohl das Modell von Mehr Demokratie e.V. als auch der FDP-Vorschlag füroffene Listen waren gute Ansätze. Nur wäre es in der aktuellen Situation nicht gelungen, so 4schnell ein mehrheitsfähiges, neu strukturiertes Wahlrecht zusammenzustellen. Trotzdemhätte man durchaus die Chance nutzen können, um kleine Bausteine zu erneuern. Wir hättenes vor allem begrüßt, wenn die Mehrheit sich dazu durchgerungen hätte, das aktive Wahlalterzu Landtagswahlen auf 16 Jahre herabzusenken. Das wäre zur Stärkung des demokratischenBewusstseins und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels eingutes Signal gewesen. Wir werden weiterhin dafür kämpfen.Unser Fazit bleibt: der Landtag hat die Hausaufgaben des Landesverfassungsgericht so erle-digt, dass es allenfalls für ein genügend reicht. Die großen Parteien haben beflissentlich eineentscheidende Prämisse des Landesverfassungsgerichts ignoriert, nämlich dass das Wahlrechtan den gesellschaftlichen Wandel hinzu einer Fünf- oder Sechsparteienlandschaft und dieabnehmende Bindungskraft der beiden herkömmlichen Volksparteien angepasst werden muss.Das Wahlrecht leidet schon immer darunter, dass am Ende Parteiinteressen am höchstengewichtet werden. Das ist vielleicht menschlich, aber es ist nicht gut, denn es hat immerwieder dazu geführt, dass diese demokratischen Spielregeln nur mangelhaft funktionieren. Esbleibt zu hoffen, dass unter dem Einfluss des Verfassungsgerichts nun ein Wahlgesetzentstanden ist, das zwar Mängel aufweist, aber hoffentlich trotzdem einwandfrei zuhandhaben ist und wenig Nebenwirkungen zeitigt. Ein Nebeneffekt ist aber jetzt schon klar:Angesichts der neuen Parteienlandschaft in Schleswig-Holstein wird es regelmäßig nichtgelingen, die Zahl von 69 Mandaten einzuhalten. Trotzdem besteht auch Anlass zur Freude,wenn das Wahlgesetz gleich beschlossen wird, denn damit ist die erste Hürde auf dem Weg zueinem Parlament übersprungen, das wieder die Mehrheiten in der Bevölkerung widerspiegelt.Jetzt ist die Bahn frei für die Landtagswahl und das ist für unser Land ein Segen.