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29.06.11 , 15:41 Uhr
B 90/Grüne

Robert Habeck zum Entwurf des Denkmalschutzgesetzes

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 11 – Entwurf des Denkmalschutzgesetzes Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der Vorsitzende Telefon: 0431 / 988 - 1503 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fax: 0431 / 988 - 1501 Robert Habeck: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 368.11 / 29.06.2011


System der Nicht-Genehmigung
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ku- bicki,
zum zentralen Baustein ihrer Wirtschaftspolitik wollten Sie den Angriff auf den Denk- malschutz machen. Das war erstens schon immer sachlich falsch – weil Denkmalschutz nachweislich erheblichen Umsatz bringt und gerade mittelständische Fachbetriebe von ihm profitieren. Die allerdings sind wohl unterhalb Ihres Radars mit seiner Fixierung auf Großbanken und Glückspiele.
Für Lübeck liegen Zahlen vor, reale Zahlen. In 30 Jahren wurden 840 Mio. Euro für Denkmalschutzmaßnahmen ausgegeben. 2010 allein Steuervergünstigungen im Wert von 250 Mio. – nur für Lübeck – genehmigt. Gelder, die TischlerInnen, StuckateurInnen, MaurerInnen, ArchitektInnen verdienten.
Richtig ist allerdings, dass denkmalfachliche Ansprüche manchmal im Widerspruch vor allen Dingen zu ökologischen Belangen stehen, das betrifft den Umgebungsschutz und die Errichtung von Windmühlen, das betrifft Gebäudesanierungsmaßnahmen. Ich kenne die Fälle auch. Aber das ist kein Grund, Denkmalschutz pauschal und ignorant zu dis- qualifizieren. So sehr, wie DenkmalschützerInnen gefordert sind, auf die EigentümerIn- nen lösungsorientiert und konziliant zuzugehen, so sehr sind PolitikerInnen gefordert, keinen Popanz aufzubauen. Und genau das haben Sie gemacht.
Es zeugt von einem unterentwickelten Kulturbegriff, Denkmalschutz nicht als das zu nehmen, was er ist, nämlich Selbstvergewisserung einer Gesellschaft über ihre Traditi- on, Geschichte und Heimat, sondern allein als ästhetisch Angenehmes begreifen zu wollen. Ihr Problem ist, dass Sie einen geschmäcklerischen und anti-modernen Kultur- begriff haben.
Seite 1 von 2 Der erste Entwurf der FDP, der kursierte, war ein Denkmal-Desaster. Er hätte das Land weit hinter jeden Standard im Denkmalschutz zurückgeworfen, er wäre gesetzeswidrig gewesen, er wäre in vielen Punkten kontraproduktiv, weil überreguliert. Es ist schön zu sehen, dass sich, wie Sie sagten, Herr Kubicki, Vernunft durchgesetzt hat - nämlich ge- gen Sie.
Der Denkmalrat wird weiter durch Verordnung besetzt. Innenbebauung untersteht wei- ter dem Denkmalschutz, das Verursacherprinzip bei archäologischen Grabungen bleibt. Ist also alles gut? Mitnichten.
Die Vorschrift, dass Gebäude, die nach 1950 gebaut wurden, bei der Unterschutzstel- lung nicht nur das „Go“ der oberen, sondern der obersten Denkmalschutzbehörde benö- tigen, ist Quatsch. Das wäre nämlich der Minister. Meinen Sie nicht, dass Sie Herrn Klug damit ein bisschen überfordern, wenn er bei all seinen anderen Pflichten, Y- Modell-Streit schlichten, junge Lehrer kurzfristig entlasten, Kulturentwicklungsplan aus- sitzen, nun auch noch aufhalsen, sich kulturhistorisches Fachwissen anzueignen?
Ich weise den Juristen Kubicki darauf hin, dass es sich bei solchen Entscheidungen um beklagbare und einklagbare, also fachlich zu begründende Entscheidungen handelt. Da geht es nicht um ein vormodernes Kulturverständnis, da geht es um Wissenschaft. Und wenn Herr Klug das nicht aus eigener Vollkommenheit kann, dann muss wohl die Kul- turabteilung es leisten. Sicher kein Beitrag zum Bürokratieabbau.
Die Fachbehörde ist aus dem Vollzug des Gesetzes herausgenommen und die Zustän- digkeit den unteren Denkmalschutzbehörden zugeschlagen. Nun ist aber zu berücksich- tigen, dass es diese teilweise gar nicht mehr gibt, bzw. dass diese auch personell am Anschlag arbeiten, um die Anträge zu genehmigen. Das wiederum wird, da ja ein An- trag als genehmigt gilt, wenn ihm nicht widersprochen wird, dazu führen, dass Bau- maßnahmen gar nicht mehr genehmigt werden. Immerhin haben Sie die Frist gestern noch von einem Monat auf drei korrigiert. Aber da die untere Behörde alle Anträge ge- nehmigt - oder eben nicht - haben Sie billigend in Kauf nehmend, dass die Kommunen entweder hohe Personalkosten haben oder es keinen Denkmalschutz gibt - faktisch ein geschlossenes System der Nicht-Genehmigung geschaffen.
Gut, dass das Gesetz nicht so schlimm ist wie befürchtet, gut ist es deshalb noch lange nicht.
Dieses Gesetz verdient keine Unterschutzstellung. Es bedarf dringender Umbaumaß- nahmen im Ausschuss.
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