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Lars Harms zu TOP 1A - Energiepaket der Bundesregierung
Presseinformation Kiel, den 30.06.2011 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 1A + 23 + 30 Energiepaket der BundesregierungWir haben uns ja schon in der letzten Landtagssitzung intensiv mit der Energiewendeund mit deren Auswirkungen beschäftigt. Die Auswirkungen sind so umfassend, dasses kein Wunder ist, dass wir uns heute und wohl auch in den kommenden Sitzungendes Landtags immer wieder hiermit beschäftigen werden. Ich möchte deshalb nocheinmal in Erinnerung rufen, was für uns als SSW von entscheidender Bedeutung beider Umsetzung der Energiewende ist.Wir wollen die Netzinfrastruktur ausbauen, damit die Energiewende gelingen kannund wir von ihr auch wirtschaftlich profitieren können. Dafür brauchen wir eintransparentes Bürgerbeteiligungsverfahren. So weit sind wir uns wohl alle einig. Auchwir wollen, dass das Verfahren so transparent und offen wie möglich ist. Dabei istalles vorstellbar: regionale Versammlungen, Beteiligung über das Internet oder auchDiskussionen und Foren, die im Fernsehen übertragen werden. Wir sind für alles offen,zumal man damit rechnen muss, dass formelle Rechtswege möglicherweise gestrafftwerden. Wir wollen, dass die Bevölkerung frühzeitig und umfassend an der konkreten 2Ausgestaltung des Netzausbaus beteiligt wird. Aber genau hier liegt auchmöglicherweise der Dissens.Uns geht es nicht darum, in einem so genannten Dialogforum vorzugeben, was zusein hat und dann mit dem Bürger über Unabänderliches noch einmal zu debattieren.Dass schafft nur Frust und Wut. Wir wollen ein ehrliches Verfahren, bei dem es auchmöglich sein muss, dass man zu völlig anderen Schlussfolgerungen kommt als bishervielleicht angedacht. Zumindest die Möglichkeit und Offenheit hierfür muss bestehen.Ansonsten sieht sich der Bürger nur noch ohnmächtig mit einer Planung von obenherab konfrontiert, die man allenfalls nur in Marginalien noch beeinflussen kann. Daskann nicht Sinn und Zweck von Bürgerbeteiligungen sein.Im Übrigen wäre eine Ombudsstelle für konfliktäre Verfahren sicherlich keinenachhaltige Lösung. Das Ganze hört sich auf dem ersten Blick erst einmal toll an,bedeutet aber nichts anderes als, dass auch hier die Verfahren zwar gestrafft werden,aber der Bürger dann keine adäquate Möglichkeit erhält, im Vorwege Einfluss aufPlanungen auszuüben. Man muss nach unserer Auffassung weg vom Ansatz, dassPlanungen gemacht werden und der Bürger sich dann irgendwie dagegen wehrenkann. Vielmehr müssen auch wir als Politik lernen, dass der Bürger frühzeitig inEntscheidungsprozesse eingebunden werden muss.Wenn wir also das Verfahren straffen, dann muss dem eigentlichenPlanungsverfahren eine Phase vorgeschaltet werden, bei der der Bürger eine echteEinflussmöglichkeit hat. Geschieht dies nicht, ist Ärger und Verzögerung vonVerfahren vorprogrammiert und dann ist niemandem geholfen. Für uns bedeutet dieDiskussion über die zukünftigen Stromnetze in Schleswig-Holstein nicht nur, dass wirdie Chance haben, unser Land neu aufzustellen, sondern wir sehen gerade auch dieMöglichkeit, hier neue Formen der Bürgerbeteiligung auf den Weg zu bringen. 3Dass die Energiewende nur dezentral und unter Nutzung der erneuerbaren Energienmachbar ist, dürfte auch dem Letzten klar geworden sein. Dass dieses auch bezahlbarsein wird, da bin ich mir sehr sicher. Würden mehr unabhängige Anbieter am Marktihren Strom anbieten, würde dies auch eine positive Auswirkung auf dieVerbraucherpreise haben. Die vier großen Oligopolisten teilen sich derzeit den Marktunter sich auf und bestimmen dort auch die Preisbildung. Das mag nicht auf direktenAbsprachen beruhen, aber einen unausgesprochenen Konsens in dieser Frage hat essicherlich gegeben. Denn sonst hätten die vielen abgeschriebenen Kraftwerke schonlängst für fallende Preise gesorgt. Wenn aber jetzt aus der Atomwirtschaftausgestiegen wird, werden auch mehr Anbieter im Bereich der anderenEnergieformen an den Markt gehen und dann würde sich die Konkurrenz für die viergroßen Energieriesen vervielfachen. Dadurch gäbe es mehr Wettbewerb und so wärenmindestens stabile Preise – vielleicht sogar fallende Preise möglich.Betrachtet man im Übrigen die soziale Komponente der Energiewende noch ein wenigmehr, so kann man sich schon vorstellen, dass Maßnahmen der energetischenGebäudesanierung zu Mieterhöhungen führen können und auch der Einbau vonAnlagen, die erneuerbaren Strom erzeugen, ist ja nicht zum Nulltarif zu haben. Hierwird also die jeweilige Miete möglicherweise auch steigen. Und damit die Miete nichthöher steigt als die Einsparungen, die sich aus der effizienteren Nutzung undProduktion von Energie ergeben, müssen hier neue Regelungen für dieBerücksichtigung solcher Maßnahmen bei Mieterhöhungen her. Es ist jedenfallsvernünftig, dies gleich mitzudenken. Eine Verlängerung derBerücksichtigungszeiträume, die für die Berechnung der Miete zugrunde gelegtwerden, könnte hier zum Beispiel helfen. So könnte auch ein Mieter real sparen undgleichzeitig gäbe es dadurch eine wesentlich höhere Akzeptanz für Sanierungs- undAusbaumaßnahmen in Mietwohnungen. 4Auch wir sind der Auffassung, dass bei der energetischen Sanierung von Gebäudennoch sehr viel getan werden kann. Allerdings glauben wir nicht, dassFördermöglichkeiten hierfür erst geschaffen werden müssen, wie es die SPD in ihrenAntrag im ersten Spiegelstrich fordert. Die Fördermöglichkeiten sind vielmehr schonlängst da. Und wer es nicht glaubt, kann sich gerne bei der Investitionsbankinformieren. Vielmehr ist es doch so, dass für manch eine Sanierung zwar eine Co-Finanzierung zu haben ist oder auch billige Kredite zur Verfügung stehen, aber manletztendlich immer auch darauf angewiesen ist, relativ viel Eigenkapital selbstmitzubringen oder eben auch fremd zu finanzieren. Somit stellt sich doch eher dieFrage, ob man hier noch stärker fördern kann. Dazu gibt es zweierlei zu sagen: AlsAnschubfinanzierung für die Entwicklung einer Branche macht das sicherlich Sinn. Alsdauerhafte Subvention führt so etwas allerdings nur zu Mitnahmeeffekten in derBaubranche. Deshalb glaube ich, liegt der Ansatz hier etwas schief. Klug wäre es nachunserer Auffassung, die Entwicklung in einer Branche zu fördern und nicht den Absatzvon wie auch immer gearteten Produkten.Eine ähnliche Kritik richtet sich auch gegen die Forderung im gleichen Spiegelstrich,die gesetzlichen Grundlagen zu ändern und Förderprogramme aufzulegen, umSolarnutzung auf Dächern zu ermöglichen. All das gibt es schon lange. Die Frage istdoch, ist die Gesetzeslage, wie sie jetzt ist, ausreichend oder nicht. Viele Solarprojektebeweisen nicht nur dies, sondern sie zeigen auch, dass diese Projekte sehrwirtschaftlich sind. In unserem Land nutzt gerade die Gewoba-Nord, wie viele andereWohnungsbaugenossenschaften auch, die Möglichkeiten, die es gibt, um ihreGebäude umzurüsten. Somit gibt es kein Gesetzgebungsdefizit oder einen Mangel anFörderung. Es fehlt vielmehr am politischen Willen bei Teilen der kommunalen Ebeneund bei der Landesregierung. Sonst hätten wir zum Beispiel schon viel mehrSolarkollektoren auf landeseigenen Gebäuden und dann wäre von den 5regierungstragenden Fraktionen auch ein entsprechender Antrag des SSW nichtabgelehnt worden.Diese kurzen vertieften Ausführungen zu einigen der Themen, die heute beratenwerden, soll zeigen, dass es durchaus noch viel Beratungsbedarf beim ThemaEnergiewende gibt. Und möglicherweise wird es auch in Zukunft zu einzelnenThemen unterschiedliche Auffassungen geben. Trotzdem ist es wichtig, dass wirschnell und effektiv handeln, damit wir Vorteile aus der neuen Entwicklung ziehenkönnen. Wir können diejenigen sein, die überdurchschnittlich von der Energiewendeprofitieren können. Auch dies will ich an einigen Zahlen aus meiner HeimatNordfriesland deutlich machen. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien liegtbei uns bei über zwei Millionen Megawattstunden. 1,8 Millionen aus Windenergie,230.000 aus Biomasse und 100.000 Megawattstunden aus Solaranlagen. Dasbedeutet, dass ein Landstrich mit etwas mehr als 165.000 Einwohnern Strom für440.000 3-Personen-Haushalte oder umgerechnet für 1,32 Millionen Menschenproduziert. Das ist eine gewaltige Zahl.Und wenn man dann noch bedenkt, dass sich mehr als 75 % der Stromerzeugung beiuns in Nordfriesland in Bürgerhand befindet, dann kann man erst ermessen, welcheChancen jetzt in der Energiewende für unser gesamtes Land und für seineBürgerinnen und Bürger stecken. Wenn wir den Weg der Energiewende weiter gehen,dann schaffen wir Arbeitsplätze in unserem Land und erhöhen nebenbei auch nochdie Steuereinnahmen, die auch unserem gebeutelten Haushalt zugutekommen.Deshalb unterstützen wir ausdrücklich die Aufforderung an die Landesregierung, sichauf allen Ebenen für eine Energiewende weg vom Atomstrom und Strom aus fossilenEnergien einzusetzen und den Weg hin zur ausschließlichen Nutzung vonerneuerbaren Energien zu gehen. Und das je schneller desto besser.