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07.10.11 , 15:11 Uhr
B 90/Grüne

Luise Amtsberg zum Bleiberecht

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 40 – Bundesratsinitiative für eine wirksame und stich- Pressesprecherin tagsunabhängige gesetzliche Bleiberechtsregelung Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu die migrationspolitische Sprecherin 24105 Kiel der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefon: 0431 / 988 - 1503 Luise Amtsberg: Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 560.11 / 07.10.2011
Humanität bleibt auf der Strecke
Die Tatsache, dass wir heute erneut eine Debatte zum Thema Bleiberecht führen, zeigt, dass wir in unserer Debatte nach der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss leider nicht zu dem Konsens gelangt sind, den wir uns alle zu Beginn des Verfahrens erhofft haben.
Die Gründe für das Scheitern unserer Verhandlungen sind vielfältig. Der Hauptgrund dafür - wen überrascht das eigentlich noch, sind auch an dieser Stelle parteipolitische Eitelkeiten - die eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben.
Ich möchte das einmal kurz ausführen, um deutlich zu machen, wie schnell man sich verfahren kann, wenn man sich von solchen Interessen leiten lässt, und das obwohl man eigentlich schon in die richtige Straße eingebogen ist.
So hat die SPD-Fraktion im Ausschuss das Ideenpapier des Ministers spontan zum Gegenstand ihres Antrages gemacht, um deutlich zu machen, dass es offensichtlich ei- nen Dissens zwischen Ministerium und den regierungstragenden Parteien gibt.
Die CDU-Fraktion hat nämlich dem Vorschlag des Ministeriums nicht zugestimmt, son- dern einen eigenen Antrag eingebracht. Um dieses aufzudecken war die SPD-Fraktion der Ansicht, dass es sich lohnt, hinter den eigenen Forderungen ihrer Partei zurückzu- bleiben. Ein echtes Sahnehäubchen der Absurditäten, wie ich finde! Ausgetragen auf dem Rücken der Menschen, um die es geht.
Gleichwohl muss an dieser Stelle auch Kritik in Richtung des Ministeriums gehen, das mit seinem Vorschlag für eine neue Bleiberechtsregelung an die Öffentlichkeit gegan- Seite 1 von 3 gen ist, ohne vorher das Parlament einzubeziehen. Das kann man machen. Man riskiert so allerdings auch den kleinsten gemeinsamen Nenner und verliert den Blick für das Wesentliche.
Dass ich an dieser Stelle ganz sicher nicht falsch liege, können Sie, verehrte Kollegin- nen und Kollegen ganz leicht erkennen. Die Antragssteller für eine Bleiberechtsrege- lung in der vergangenen Landtagssitzung war meine Fraktion und in unserem Antrag suchen wir Unterstützung für ein humanitäres Bleiberecht. Weil es dabei eben um die Menschen geht, die die größten Schwierigkeiten haben, sich aus eigener Kraft in Deutschland zu integrieren. Und das ist in vielen Fällen auch nachvollziehbar!
Fragen Sie sich einmal selbst, verehrte Kolleginnen und Kollegen, an welcher Stelle zum Bleiberecht wir in den vergangenen Wochen über alte, behinderte, kranke und schwer traumatisierte Menschen gesprochen haben? Die Antwort ist einfach: gar nicht! Denn zu diesem Vorschlag, obwohl es der Ursprungsantrag ist, habe ich von Ihnen nichts gehört und das obwohl alle anzuhörenden ExpertInnen davor gewarnt haben, dieses außer Acht zu lassen.
Alles in Allem ist das ein wirklich sehr trauriges Schauspiel und vor dem Hintergrund, dass mittlerweile die Landtage der ganzen Republik auf uns schauen und verfolgen, was die schleswig-holsteinische Politik dort auf die Bundesratsbühne zaubert.
Der von meiner Fraktion hoch geschätzte Flüchtlingsrat hat in seiner Pressemitteilung vom 05. Oktober die Fraktionen im Landtag aufgerufen, „zu einer sachlichen Politikges- taltung zurückzukehren“.
Ich würde dem Wunsch sehr gern nachkommen. Meine Fraktion würde gern an der Gestaltung einer neuen Bleiberechtsregelung mitwirken und das Ministerium und die regierenden Fraktionen in ihrem Anliegen, eine Verbesserung der Menschen in Ketten- duldung herbeizuführen, unterstützen. Das Problem ist nur, dass wir die vorgeschlage- nen Lösungsansätze schlecht finden.
Und damit Sie mich nicht falsch verstehen, ich weiß sehr wohl, dass Minister Schmal- fuß und seine Mitarbeiter mit dem Vorstoß zum Thema Bleiberecht eine gute Intention hatten und haben. Bereits im Vorfeld zu unserem Antrag haben Sie sich überlegt, wie Sie die teils extrem festgefahrene Diskussion, die seit Jahren schon anhält und Ping- Pong mit den Betroffenen spielt, aufbrechen können und wie Sie dafür sorgen können, dass auch andere konservativ regierte Bundesländer ihrem Ansatz folgen und sich mit der Lebensrealität der Menschen in Kettenduldung auseinandersetzen.
Dabei sind einige gute Ideen in Ihrem Papier, Herr Schmalfuß, zu Tage getreten. Dass die Regelung stichtagsunabhängig sein soll, ist gut. Dass bisherige Täuschungshand- lungen unter bestimmten Voraussetzungen unbeachtet bleiben können, ist gut. Dass Sie sich vorstellen können, dass man bei der Aufenthaltsdauer von fünf Jahren ohne Differenzierungen ansetzt, ist in Ordnung. Schlecht aber ist der generelle Duktus ihres Papiers, aus dem sich für uns falsche Ansätze ergeben. 2 Herausgekommen dabei ist ein Vorschlag für ein Bleiberecht, das lediglich eine kleine Personengruppe in den Blick nimmt. Und zwar die, die nach Ihrem Integrationskatalog erfolgreich in der Bundesrepublik allen Widrigkeiten getrotzt haben.
Die Herangehensweise, Dinge von Menschen zu fordern, die schlichtweg vor dem Hin- tergrund der miserablen Unterstützung, ich sage es mal ganz deutlich, für Flüchtlinge in der Bundesrepublik unrealistisch sind, ist einfach der falsche Weg. Wir können nicht verlangen, dass die Menschen auf A2-Niveau Deutsch sprechen, wenn wir Ihnen den Zugang zu Sprachkursen nicht ermöglichen.
Wir können nicht von Ihnen verlangen, dass sie ihren Lebensunterhalt sichern bezie- hungsweise in Aussicht stellen, dass sie ihn in erreichbarer Nähe sichern können, wenn wir auf der anderen Seite jeden Regelverstoß mit Arbeitsverboten ahnden. Wir können nicht die Ausländerbehörden noch mit der zusätzlichen Aufgabe belasten, herauszufin- den, ob Eltern die Elternabende der Schulen ihrer Kinder besuchen oder festzustellen ob Kenntnisse zu Demokratie und bundesdeutscher Gesellschaft vorliegen. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor?
Ein wirklich gutes Bleiberecht, und das haben Ihnen alle ExpertInnen bescheinigt, muss alle Menschen, die so lang im Ungewissen in Deutschland leben, in den Blick nehmen. Die Diakonie hat in ihrer Stellungnahme auf den Punkt gebracht: Ein gutes Bleibrecht muss ohne Stichtage auskommen, die Anforderungen an die Lebensunterhaltssiche- rung realistisch gestalten, humanitäre Krisen einbeziehen, Familien schützen und auf restriktive Ausschlussgründe verzichten.
Es ist bedauerlich zu sehen, wie wenig Humanität wir Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und die seit Jahren bei uns - in der Mitte unserer Gesellschaft leben - al- so unseren Mitmenschen entgegen bringen.
All dies leistet ihr Vorschlag jedoch nicht. Und das ist es, was wir schlecht finden. Und daher können wir, Herr Minister Schmalfuß, Ihrem Entwurf und somit absurderweise dem SPD-Antrag keinesfalls zustimmen. Da der Antrag von CDU und FDP sogar noch hinter diesem zurückbleibt, stimmen wir selbstverständlich auch dieser lieblosen Lö- sung nicht zu.
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