Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.
Lars Harms zu TOP 40 - Bundesratsinitiative für eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Bleiberechtsregelung
Presseinformation Kiel, den 07. Oktober 2011 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 40 Bundesratsinitiative für eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Bleiberechtsregelung Drs. 17/1700 (neu), 1746, 1748, 1750, 1873Um zu verstehen, warum die Bleiberechtsregelungen ein Problem sind, müssen wir dieGeschichte angucken. Ziel der Duldungen war es, die Lebensbedingungen der geflüchtetenMenschen so schlecht zu gestalten, dass diese schnell wieder nach Hause wollen. Dabei wurdevöllig übersehen, dass viele dieser Menschen gar nicht zurück in ihr Heimatland können, weiles keine humanen Lebensbedingungen gibt. Und es wurde auch übersehen, dass Krieg undVerfolgung so traumatisierend sind, dass Lebensbedingungen noch so schlecht gestaltet seinkönnen, alles ist besser, als zurück zu gehen und mit dem Leben dafür zu zahlen. Es sind alsogleich zwei Denkfehler, die bei der Entstehung der Bleiberechtsregelungen gemacht wurden.Neben diesen Denkfehlern hat das Justizministerium in Innen- und Rechtsausschuss daraufhingewiesen, dass ein ungeklärtes Problem ist, was zuerst da war: das Bleiberecht oder dieIntegration. Dürfen also Menschen bleiben und sich integrieren oder dürfen Menschen sichintegrieren und dann bleiben? Dieser Spagat ist nach wie vor bestimmend für das Bleiberecht 2und statt eine klare Antwort zu finden, wursteln wir uns so durch und sagen: wenn dieMenschen kommen, können sie sich ein bisschen integrieren, aber auch nicht so richtig, dannkönnen sie ein bisschen bleiben, aber auch nicht so richtig, um sich dann ein bisschen mehr zuintegrieren und vielleicht können sie dann noch ein bisschen bleiben. Genau dieser Satz machtdie Absurdität der Kettenduldungen deutlich. Duldung hemmt die Integration und soll siegleichzeitig ermöglichen. Das geht nicht und um davon endlich wegzukommen, müssen wirendlich die Kriterien für eine Bleiberechtsregelung überarbeiten. Der SSW begrüßt daher denVorstoß des Justizministers.Die Notwendigkeit einer stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung haben wir alleverstanden. Es kann nicht sein, dass jemand einen Tag zu früh oder zu spät nach Deutschlandflüchtet und durch irgendein bürokratisches Raster fällt und damit ausgewiesen wird.Auch dass Integrationsleistungen wie Spracherwerb, Schulerfolg oder Erwerbstätigkeit dieVoraussetzungen für einen sicheren Aufenthaltsstatus sind, haben wir alle verstanden. Für alldiese Integrationsleistungen gilt aber, dass sie nur Bedeutung haben können, wenn dieMenschen sie auch erbringen können. Es nützt also nichts, Deutschkenntnisse auf dem NiveauA2 zu fordern und gleichzeitig den Zugang zu Sprachkursen zu verwehren, weil es nichtausreichend Kurse gibt oder die Menschen sie sich nicht leisten können. Es nützt auch nichts,hervorragende Schulleistungen zu fordern und gleichzeitig keinen Lernort zur Verfügung zustellen. Am aller absurdesten ist aber wohl das Kriterium der Sicherung des Lebensunterhaltesund die damit einhergehende Erwerbstätigkeit.Das erste Jahr nach der Ankunft in Deutschland dürfen die Flüchtlinge sowieso erst einmal garnicht arbeiten. Dann haben sie drei Jahre lang nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Sollheißen: Sie müssen sich einen Arbeitgeber und eine Stelle suchen, diese dann derArbeitsagentur melden, die dann versucht, jemand anderes für den Job zu finden und nurwenn dies nicht gelingt - was ziemlich unwahrscheinlich ist - dürfen die Geduldeten den Jobdann doch wahrnehmen. Wie häufig ein Arbeitgeber bereit ist, einem geduldeten Menschen, 3der jederzeit aus dem Land geschmissen werden kann, eine Stelle anzubieten, können Sie sichdenken. Und welche Jobs dabei überhaupt in Frage kommen - das können Sie sich auch denken.Gleichzeitig steht der Vorwurf im Raum, dass die Menschen es sich in Deutschland bequemmachen und im Sozialsystem schmarotzen gehen - aber wir selbst machen es ihnen dochunmöglich, unabhängig von staatlicher Hilfe zu leben. Wir verhindern ihre Integration und ihrefinanzielle Selbständigkeit und anschließend beschweren wir uns auch noch darüber.Das muss endgültig ein Ende haben. Aus Sicht des SSW erfüllt der Antrag der Grünen dieForderungen an ein humanitäres Bleiberecht. Ich möchte ganz ausdrücklich sagen, dass wirdem Antrag der SPD, die sich die Kriterien des Justizministeriums zu Eigen gemacht hat, umCDU und FDP vorzuführen, nicht zustimmen. Das Bleiberecht ist kein gutes Thema fürparteipolitische Spielereien. Zumindest spielt der SSW da nicht mit. Uns geht es um eineverbesserte Bleiberechtsregelung für die Menschen, die ein Recht auf eineEinzelfallentscheidung und humanitäre Größe und Freizügigkeit haben. Wir haben inDeutschland Menschenrechte, Demokratie, Wohlstand und Freiheit - dies sollte nicht nur fürDeutsche gelten!