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07.10.11 , 15:25 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 40 - Bundesratsinitiative für eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Bleiberechtsregelung

Presseinformation Kiel, den 07. Oktober 2011 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 40 Bundesratsinitiative für eine wirksame und stichtagsunabhängige gesetzliche Bleiberechtsregelung Drs. 17/1700 (neu), 1746, 1748, 1750, 1873

Um zu verstehen, warum die Bleiberechtsregelungen ein Problem sind, müssen wir die
Geschichte angucken. Ziel der Duldungen war es, die Lebensbedingungen der geflüchteten
Menschen so schlecht zu gestalten, dass diese schnell wieder nach Hause wollen. Dabei wurde
völlig übersehen, dass viele dieser Menschen gar nicht zurück in ihr Heimatland können, weil
es keine humanen Lebensbedingungen gibt. Und es wurde auch übersehen, dass Krieg und
Verfolgung so traumatisierend sind, dass Lebensbedingungen noch so schlecht gestaltet sein
können, alles ist besser, als zurück zu gehen und mit dem Leben dafür zu zahlen. Es sind also
gleich zwei Denkfehler, die bei der Entstehung der Bleiberechtsregelungen gemacht wurden.


Neben diesen Denkfehlern hat das Justizministerium in Innen- und Rechtsausschuss darauf
hingewiesen, dass ein ungeklärtes Problem ist, was zuerst da war: das Bleiberecht oder die
Integration. Dürfen also Menschen bleiben und sich integrieren oder dürfen Menschen sich
integrieren und dann bleiben? Dieser Spagat ist nach wie vor bestimmend für das Bleiberecht 2
und statt eine klare Antwort zu finden, wursteln wir uns so durch und sagen: wenn die
Menschen kommen, können sie sich ein bisschen integrieren, aber auch nicht so richtig, dann
können sie ein bisschen bleiben, aber auch nicht so richtig, um sich dann ein bisschen mehr zu
integrieren und vielleicht können sie dann noch ein bisschen bleiben. Genau dieser Satz macht
die Absurdität der Kettenduldungen deutlich. Duldung hemmt die Integration und soll sie
gleichzeitig ermöglichen. Das geht nicht und um davon endlich wegzukommen, müssen wir
endlich die Kriterien für eine Bleiberechtsregelung überarbeiten. Der SSW begrüßt daher den
Vorstoß des Justizministers.


Die Notwendigkeit einer stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung haben wir alle
verstanden. Es kann nicht sein, dass jemand einen Tag zu früh oder zu spät nach Deutschland
flüchtet und durch irgendein bürokratisches Raster fällt und damit ausgewiesen wird.
Auch dass Integrationsleistungen wie Spracherwerb, Schulerfolg oder Erwerbstätigkeit die
Voraussetzungen für einen sicheren Aufenthaltsstatus sind, haben wir alle verstanden. Für all
diese Integrationsleistungen gilt aber, dass sie nur Bedeutung haben können, wenn die
Menschen sie auch erbringen können. Es nützt also nichts, Deutschkenntnisse auf dem Niveau
A2 zu fordern und gleichzeitig den Zugang zu Sprachkursen zu verwehren, weil es nicht
ausreichend Kurse gibt oder die Menschen sie sich nicht leisten können. Es nützt auch nichts,
hervorragende Schulleistungen zu fordern und gleichzeitig keinen Lernort zur Verfügung zu
stellen. Am aller absurdesten ist aber wohl das Kriterium der Sicherung des Lebensunterhaltes
und die damit einhergehende Erwerbstätigkeit.


Das erste Jahr nach der Ankunft in Deutschland dürfen die Flüchtlinge sowieso erst einmal gar
nicht arbeiten. Dann haben sie drei Jahre lang nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Soll
heißen: Sie müssen sich einen Arbeitgeber und eine Stelle suchen, diese dann der
Arbeitsagentur melden, die dann versucht, jemand anderes für den Job zu finden und nur
wenn dies nicht gelingt - was ziemlich unwahrscheinlich ist - dürfen die Geduldeten den Job
dann doch wahrnehmen. Wie häufig ein Arbeitgeber bereit ist, einem geduldeten Menschen, 3
der jederzeit aus dem Land geschmissen werden kann, eine Stelle anzubieten, können Sie sich
denken. Und welche Jobs dabei überhaupt in Frage kommen - das können Sie sich auch denken.


Gleichzeitig steht der Vorwurf im Raum, dass die Menschen es sich in Deutschland bequem
machen und im Sozialsystem schmarotzen gehen - aber wir selbst machen es ihnen doch
unmöglich, unabhängig von staatlicher Hilfe zu leben. Wir verhindern ihre Integration und ihre
finanzielle Selbständigkeit und anschließend beschweren wir uns auch noch darüber.


Das muss endgültig ein Ende haben. Aus Sicht des SSW erfüllt der Antrag der Grünen die
Forderungen an ein humanitäres Bleiberecht. Ich möchte ganz ausdrücklich sagen, dass wir
dem Antrag der SPD, die sich die Kriterien des Justizministeriums zu Eigen gemacht hat, um
CDU und FDP vorzuführen, nicht zustimmen. Das Bleiberecht ist kein gutes Thema für
parteipolitische Spielereien. Zumindest spielt der SSW da nicht mit. Uns geht es um eine
verbesserte Bleiberechtsregelung für die Menschen, die ein Recht auf eine
Einzelfallentscheidung und humanitäre Größe und Freizügigkeit haben. Wir haben in
Deutschland Menschenrechte, Demokratie, Wohlstand und Freiheit - dies sollte nicht nur für
Deutsche gelten!

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