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10.02.12 , 11:35 Uhr
B 90/Grüne

Jörg Nickel zum "Anti-Counterfeiting Trade Agreement" (ACTA)

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 076.11 / 10.02.2012



ACTA − noch eine Erleuchtung in den Reihen der Regierungskoalition Zum morgigen Aktionstag gegen das „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ (ACTA) und zur heutigen Pressemitteilung der FDP erklärt der Sprecher für Netzpolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Jörg Nickel:
Uns freut die Erleuchtung der FDP in Schleswig-Holstein, einer Ratifizierung von ACTA eine Absage zu erteilen. Der Strahl der Erkenntnis reicht bisher jedoch nicht über die Elbe hinaus. Die Bundesregierung hat ACTA schon am 30.11.2011 mit allen Stimmen der FDP-Minister passieren lassen. Auch bei der bevorstehenden Ratifizie- rung des Abkommens im Deutschen Bundestag stehen die Zeichen bei der FDP auf Zustimmung und nicht auf Ablehnung.
Die schleswig-holsteinische FDP kann ihren Worten im Rahmen der kommenden Landtagstagung Taten folgen lassen. Die Grüne Fraktion hat heute einen Antrag eingereicht, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, sich auf Bundes- und Eu- ropaebene gegen die Ratifizierung von ACTA einzusetzen (siehe Anhang). Sollte Frau Brand-Hückstädt ihre Pressemitteilung ernst meinen, sollte einer Zustimmung der FDP-Fraktion zu unserem Antrag nichts im Wege stehen.
Die Grünen setzen sich bei allen Gesetzes- und Planungsvorhaben für Transparenz und Bürgerbeteiligung ein. Dies ist bei ACTA in keiner Weise erfüllt worden. Die Fol- gen dieses Abkommens für die Freiheit des Internets, von Handel und Kultur sind nicht absehbar. Darum lehnen wir eine Ratifizierung des Abkommens ab und hoffen auf eine rege Beteiligung am morgigen Aktionstag.
***
Seite 1 von 1 SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG HOLSTEINISCHER Drucksache 17/ #N!# 17. Wahlperiode 09.02.2012



Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen



Keine Ratifizierung von ACTA



Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, sich auf nationaler und europäischer Ebene gegen eine Ratifizierung des ACTA-Abkommens einzusetzen. Abkommens
Darüber hinaus erwartet der schleswig schleswig-holsteinische Landtag bei zukünftigen Beratungen:
• Eine sofortige vollumfängliche Veröffentlichung der Verhandlungsprotokolle • Das Vorlegen einer umfassende Folgenabschätzung unter Einbeziehung der umfassenden Interessen der Zivilgesellschaft durch EU Kommission und Bundesregierung EU-Kommission • Eine Überprüfung der Grundrechtsaspekte des Abkommens durch den Europäischen Grundrechtsaspekte Gerichtshof (EuGH) • Eine Neubewertung des ACTA Abkommens unter Berücksichtigung der ACTA-Abkommens Folgenabschätzung und gerichtlichen Überprüfung unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft • Eine Initiative der Bundesregierung zur weiteren Demokratisierung internationaler Verhandlungen mit dem Ziel, Parlamente und Gesellschaft frühzeitig in Verhandlungen einzubinden
Begründung
Unter dem Titel Anti-Counterfeiting Trade Agreement (kurz: ACTA) haben eine kleine Gr Counterfeiting Grup- pe von Staaten einen Vertrag zur Bekämpfung von Produkt und Markenpiraterie verhandelt. Produkt- Natürlich ist bei der Bekämpfung von Produktfälschungen, auch aus Sicherheitsgründen für Verbraucherinnen und Verbraucher, eine effektive internationale Kontrolle un auch Verfol- und gung notwendig. ACTA beschränkt sich jedoch nicht, wie unter anderem vom Europaparl Europaparla- ment eingefordert, nur auf Produktpiraterie. In Wirklichkeit geht es auch um die Durchse Durchset- Drucksache 17/ #N!# Schleswig-Holsteinischer Landtag - 17. Wahlperiode


zung von Monopolrechten. Das Abkommen vermischt Rechte des geistigen Eigentums mit dem Schutz von Markennamen.
Dabei ist schon der gesamte Prozess der Verhandlungen sehr kritisch zu sehen. Die Ver- handlungen erfolgten seit 2008 im Geheimen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Entwick- lungs- und Schwellenländer wurden von den Verhandlungen ausgeschlossen, obwohl auch sie von ACTA betroffen sein werden. Auch die multilateralen Foren der World Trade Organi- sation (WTO) oder der World Intellectual Property Organisation (WIPO) wurden nicht einbe- zogen. Der Bundestag wie das Europaparlament sind bis heute nur unzureichend über die Verhandlungen informiert worden. Dies ist nicht akzeptabel.
Es ist weiter zu kritisieren, dass im ACTA-Abkommen mit vagen und rechtlich unbestimmten Begriffen gearbeitet wurde. Da die Protokolle über die Verhandlungen bisher nicht veröffent- licht wurden, ist eine Bestimmung der Begriffe und damit eine Abschätzung der Folgen des Abkommens nur schwer möglich. Auch sollte vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden, ob das Abkommen die EU-Grundrechtecharta oder das Datenschutzgrundrecht verletzt.
Besorgniserregend sind die möglichen Auswirkungen im Bereich medizinischer Generika. Waren diese im Vorgängerabkommen von den Regelungen zum Teil ausgenommen, wäre dies unter ACTA nicht mehr der Fall. Schon die Ähnlichkeit eines Etiketts könnte zukünftig dazu führen, dass eine in einem Entwicklungsland dringend benötigte Lieferung von Medi- kamenten nicht ankommt, weil eine Zollbehörde erst eine Markenverletzung prüfen muss. Es ist zu befürchten, dass Entwicklungsländern unter ACTA der Zugang zu günstigeren Generi- ka deutlich erschwert wird und diese – auf Kosten ihrer Bevölkerung – auf teurere Medika- mente ausweichen müssen.
Die fehlende Folgenabschätzung lässt auch offen, ob ACTA Auswirkungen zum Beispiel auf die Landwirtschaft und Klein- und Hobbygärtner haben kann. Es muss sichergestellt sein, dass die Verfügbarkeit von Saatgut nicht durch Marken- oder Patentstreitigkeiten einge- schränkt werden kann.
In Anbetracht der aktuell nicht nur in der Europäischen Union breit diskutieren Fragen um die Zukunft des Urheberrechts ist zu befürchten, dass mit dem Abkommen eine einseitige Vor- festlegung auf die heutigen Regelungen des Urheberrechts erfolgt. Dafür spricht, dass im Abkommen die rechtliche Stärkung von Rechtsdurchsetzungsmechanismen einen breiten Raum einnimmt. Problematisch ist hier die Privatisierung von hoheitlichen Aufgaben, indem die Möglichkeit geschaffen werden soll, dass Internet-Service-Provider für Handlungen ihrer Nutzer haftbar gemacht und unter Verzicht auf einen Richtervorbehalt zur Weitergabe von Daten ihrer Nutzer an Rechteinhaber verpflichtet werden können.
Der schleswig-holsteinische Landtag setzt sich bei Gesetzes- oder Planungsvorhaben für Transparenz und offene Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgern ein. Dieser An- spruch ist mit dem ACTA-Abkommen in keiner Weise erfüllt.


Jörg Nickel und Fraktion



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