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26.04.12 , 11:39 Uhr
B 90/Grüne

Luise Amtsberg zur Unterbringung von Flüchtlingen

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein Pressesprecherin TOP 21, 40, 66 – Für eine menschenwürdige Unterbrin- Claudia Jacob gung Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die flüchtlings- und migrationspolitische Spre- 24105 Kiel cherin Telefon: 0431 / 988 - 1503 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 Luise Amtsberg: presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 269.12 / 26.04.2012


Diese Unterbringungen zerstören Menschen Dieser Tagesordnungspunkt ist nicht leicht. Er ist nicht leicht, weil er drei komplexe und wichtige Themen miteinander vermengt, die leider überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Das ist besonders vor dem Hintergrund, dass wir gestern einen nicht unerhebli- chen Teil der Zeit damit verbracht haben, uns über uns selbst zu unterhalten, beson- ders ärgerlich.
Ich möchte mich auf den Punkt Unterbringung für Flüchtlinge im Land Schleswig- Holstein konzentrieren. In unserem Antrag geht es um zwei Punkte, von denen wir glauben, dass sie einer menschenwürdigen Unterbringung in Schleswig-Holstein dien- lich sind.
Das eine ist die Mindestgröße der Unterbringung: Ihnen ist heute ein Änderungsantrag zugegangen, weil - und das tut uns ausdrücklich leid - uns ein Übertragungsfehler un- terlaufen ist. Damit wir uns nicht falsch verstehen: wir halten uns mit dem Antrag an die Mindestgröße, die der Flüchtlingsbeauftragte als Mindeststandard formuliert hat.
Im zweiten Punkt unseres Antrages fordern wir den Landtag und die Landesregierung auf, den Flüchtlingsbeauftragten Stefan Schmidt bei der Erstellung einer detaillierten Bestandsaufnahme der Unterbringungen in Schleswig-Holstein zu unterstützen. Das klingt zunächst einfach, aber bereits hier beginnen schon die Probleme.
Sie alle haben Stefan Schmidt aufgrund seiner fachlichen und menschlichen Kompe- tenz als Flüchtlingsbeauftragten des Landtags dafür gewählt, dass er sich für die Flüchtlinge in unserem Land einsetzt. Seite 1 von 3 Und was passiert als Erstes? Im Innen- und Rechtsausschuss weisen Sie das erste An- liegen des neu gewählten Flüchtlingsbeauftragten ab, zeigen ihm die kalte Schulter und verweigern ihm die Unterstützung für eine Bestandsaufnahme über die Wohnsituation von Flüchtlingen – ohne jede Not.
Wohlgemerkt, es hätte Sie keinen Cent gekostet. Mit fadenscheinigen Verweisen da- rauf, wie schwierig und umfangreich ein derartiges Unterfangen wäre, verweigern Sie ihm direkt von vornherein jede Hilfe. Das ist unmöglich!
Ihr Änderungsantrag zeigt es noch deutlicher: Obwohl bereits ein Bericht des Ministeri- ums vorliegt, fordern Sie noch einen weiteren Bericht. Obwohl der Flüchtlingsrat und der Flüchtlingsbeauftragte bereits Mindeststandards formuliert haben, brauchen Sie unbedingt noch Vergleiche zu anderen Bundesländern? Warum?
Unser Antrag stellt lediglich zwei Fragen: Wollen wir unserem Flüchtlingsbeauftragten und seinem Team logistische Unterstützung bei diesem Projekt bieten? Und wollen wir diesen Menschen ihre zehn beziehungsweise acht Quadratmeter zugestehen?
Es macht mich ärgerlich. Denn wenn man es genau nimmt, ist dieser Antrag fast schon ein unverschämtes Entgegenkommen von unserer Seite des Hauses.
Zu dem Thema gibt es nämlich noch viel mehr zu sagen. Zum Beispiel, was die Qualität der sanitären Einrichtungen angeht, das Betreuungsangebot, die Möglichkeit zur Be- schwerde, ramponierte Möbel, Schimmel oder die absolut unerträgliche Praxis der Un- terbringung in Baucontainern. Mit diesen Ansätzen wären wir hier keinen Millimeter wei- tergekommen.
Machen Sie sich klar: Die Forderungen, die wir in unserem Antrag stellen, sind der ab- solute Minimalkonsens, aber dass selbst dieser Konsens nicht möglich ist, spricht Bän- de. Mal abgesehen davon, dass es parlamentarisch unschön ist, auf einen Sachantrag mit einem Berichtsantrag zu antworten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, besinnen Sie sich und führen Sie sich bitte vor Augen, mit was für kruden Vorstellungen und Regelungen wir das Leben und die Zukunft dieser Menschen hier in Deutschland erschweren. Die psychische Ver- fassung von Menschen hängt maßgeblich von ihrem Lebensumfeld ab. Machen Sie sich klar, dass diese Menschen mit einem riesigen Gepäck an Erfahrungen und Erleb- nissen hierher kommen, die keiner von uns jemals erleben möchte.
Bitte machen Sie sich klar, dass die Abgeschiedenheit, die fehlenden sozialen Kontak- te, das Getrenntsein von Familie und Freunden, von ihrem gewohnten Lebensumfeld, schlechte Unterbringung und fehlende Perspektiven Menschen zerstören kann.
Ich war vor kurzem in Nahe und habe mir einen Ort angeschaut, der den Namen „Un- terbringung“ auch wirklich nur deswegen verdient, weil er Wände und ein Dach hat. Es 2 handelt sich um einen Baucontainer. An diesem Ort leben zwei, zeitweise leider sogar drei junge Männer, fast schon zwei Jahre lang.
Ich hatte die Gelegenheit mit Mahdi, einem jungen Afghanen länger zu sprechen. Mah- di, so sagt er selbst, wird über die Zustände krank. Deutsch hat er gelernt, seinen Ab- schluss mit Unterstützung seines Bildungspaten gemacht, und nun will er noch eine Ausbildung machen. Aber er bricht unter der beengten Wohnsituation, in der er sich ein Zimmer mit einem jungen Mann teilt, der die Nacht zum Tag macht und täglich zwei Stunden zur Schule fahren muss, bald zusammen. Ich frage Sie, wie viele Steine wol- len wir Menschen wie ihm denn noch in den Weg legen?
Meine Motivation ist zwar gänzlich eine andere, aber wieso Ihnen Fachkräftemangel oder Demographiewandel immer noch so wenig Motivation hervorruft - ich werde es wohl nie begreifen.
Es ist schlimm, dass Sie der Sache als solcher nicht Ihre ausdrückliche Unterstützung geben. Denn natürlich kann der Flüchtlingsbeauftragte seinen Unterbringungs-TÜV auch ohne unsere Unterstützung auf den Weg bringen und die Unterkünfte besuchen und bewerten. Und dem künftigen Parlament wird es frei stehen, diesen TÜV in parla- mentarische Initiativen zu verwandeln. Aber es zeigt, wie skeptisch Sie einer genauen Bestandsaufnahme gegenüber stehen.
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