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24.01.13 , 17:00 Uhr
B 90/Grüne

Burkhard Peters zum Vollzug der Sicherungsverwahrung

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 11 – Vollzug der Sicherungsverwahrung Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der innenpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Burkhard Peters: 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
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Nr. 024.13 / 24.01.2013



Es muss vorrangig um die Wiedereingliederung
in die Gesellschaft gehen

Die Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich rechtsstaatlich bedenklich. Der Eingriff in die Rechtsgüter der Verwahrten und das damit zu erbringende Sonderopfer für die Ge- sellschaft sind erheblich.
Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass die Betroffenen, so schwerwiegend ihre Verbrechen auch gewesen sein mögen, die gegen sie verhängte Strafe verbüßt haben. Ein Leben in Freiheit ist der Kern der Menschenwürde. Darum ist das böse Kanzler- wort: „Wegschließen – und zwar für immer“, das seit 2001 die Diskussion in Deutsch- land geprägt hat, völlig undiskutabel und muss der Vergangenheit angehören.
Darum ist es auch bedenklich, dass der Anwendungsbereich der Sicherungsverwah- rung in den letzten 15 Jahren immer weiter ausgeweitet wurde - heute sogar Heran- wachsende und Jugendliche erfasst. Auch die vorbehaltene und die nachträgliche Si- cherungsverwahrung sind Mittel, die vor allem die Repression im Strafvollzug stärken, ohne den Nachweis, dass es sich um wirksame Mittel der Resozialisierung handelt.
Sicherungsverwahrung wird heute deutlich häufiger angeordnet als früher, obwohl es keine korrelierend gestiegene Anzahl von Straftaten gibt. Nach Recherchen des SPIE- GELs stieg die Zahl der Sicherungsverwahrten von 260 Anfang 2000 auf heute fast das Doppelte. Diese Ausweitungen stehen aber im Gegensatz zu kriminologischen Unter- suchungen in den letzten Jahren, welche belegen, dass die einschlägige Rückfälligkeit von als gefährlich angesehenen Personen deutlich geringer ist als prognostiziert.
Seite 1 von 3 Ich vertrete daher die These, dass Rechtspolitik und Gesetzgebung sich bei dem Dis- kurs über die Sicherungsverwahrung allzulange entweder durch medial geschnürte Ängste in der Bevölkerung hat treiben lassen oder sich als kriminalpolitische Hardliner profilieren wollte.
Das Resultat war jeweils das gleiche: Wer auf unzureichenden Tatsachengrundlagen Unterbringungsentscheidungen trifft und sich bei der Gefahrenprognose am absoluten Ausschlussprinzip orientiert, nimmt die ungerechtfertigte Inhaftierung von Menschen bil- ligend in Kauf.
Sicherheitsmaßnahmen müssen aber rational begründet werden, sonst opfern wir die Freiheit auf dem Altar des Bauchgefühls und des abstrakt Möglichen.
Natürlich ist mir bewusst, dass wir heute nicht diese Grundsatzfragen erörtern, trotzdem ist es mir wichtig, unsere Kritik auch an dieser Stelle anzubringen, damit klar ist, aus welchem Blickwinkel wir Grünen den vorliegenden Gesetzentwurf bewerten. Es geht um die Sicherheit der Bevölkerung, aber auch um die Freiheitsperspektive der Be- troffenen; Darum, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren und zwar so sicher, so fachlich qualifiziert und so schnell wie möglich. Im Zweifel müssen wir uns für die libera- le Variante entscheiden. Das schulden wir nicht nur allen Sicherungsverwahrten, son- dern ebenso der Idee unseres Freiheitsstaats.
Das Vollzugsziel muss also klar definiert werden: Es muss vorrangig um die Wiederein- gliederung in die Gesellschaft gehen, daraus leiten sich alle weiteren Maßnahmen ab.
Wir erkennen in dem Gesetzentwurf das Bemühen, die Therapieausrichtung als we- sentlichen Punkt der Neuregelung in den Mittelpunkt zu stellen. Das begrüßen wir aus- drücklich. Das Problem des Abstandsgebots lässt sich auch nur vor diesem Hintergrund rechtfertigen. Natürlich wäre ein größerer Abstand in Form einer getrennten Unterbrin- gung auf einem anderen Gelände als einer JVA ideal. Die Vollzugsnähe wird sich auch im Alltag auf die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auswirken. Wir nehmen dies hin, weil durch die räumliche Nähe und die damit verbundenen Synergieeffekte ein ausdifferenzierteres Therapieangebot und ein besserer Personalschlüssel ermöglicht werden.
Weitere Einzelheiten müssen wir im Ausschuss klären. Geklärt werden muss beispiels- weise das Verhältnis von Arbeit und Therapie. Es muss sichergestellt werden, dass Ar- beit Therapie nicht ersetzt. Die Aufarbeitung der bestehenden psychischen Defizite und die Erarbeitung einer Perspektive für eine Zukunft außerhalb der Mauern muss oberste Priorität haben. Die Teilnahme an der Therapie darf daher nicht dadurch in Frage ge- stellt werden, dass die Sicherungsverwahrten allein wegen des Geldes eher zur Arbeit gehen oder weil es der Anstaltsleitung leichter fällt, diese Arbeit zu organisieren.
Und bevor erneut ein Aufschrei durch die Kommentarspalten der Landespresse geht: Meine Damen und Herren, wir müssen uns klarmachen, was wir wollen. Jede Stunde Therapie, die die Inhaftierten in Anspruch nehmen, reduziert ihre Gefährlichkeit. Das gleiche Verständnis müssen wir auf Vollzugslockerungen anwenden. Es ist in unserem Sinne, die Vollzugslockerung den Inhaftierten zu gewähren, um sie nicht plötzlich mit Entlassung zu überfordern und ihnen gleichzeitig schrittweise Verantwortung zu über- tragen. Auch darauf müssen die Sicherungsverwahrten einen Anspruch haben.
Zu guter Letzt werden wir eine Diskussion darüber führen müssen, ob wir nicht auch
2 ohne die vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen auskommen können. Es gibt Länder- entwürfe, in denen sie nicht enthalten sind und auch hier gilt mein Appell an die Ratio erneut: Solange wir nicht fundiert begründen können, warum wir diese zwingend brau- chen und damit erneut die Freiheit der Einzelnen und unseren Rechtsstaat im Allge- meinen einschränken, dürfen wir diesen nicht leichtfertig zustimmen.
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