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24.04.13 , 12:15 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 2 - Regierungserklärung und Anträge zum Atomausstieg, zur Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle und zur Energiewende

Presseinformation Kiel, den 24.04.2013 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 2, 20, 27, 31, 47, 48 Regierungserklärung und Anträge zum Atomausstieg, zur Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle und zur Energiewende Drs. 18/707, 18/728, 18/733, 18/750 und 18/751

Mit dem parteiübergreifenden Beschluss, aus der risikobehafteten Atomenergie auszusteigen,
wurde seinerzeit ein langer und weitgreifender Prozess in Gang gesetzt. Über die Parteigrenzen
hinweg wurde der politische Ausstiegsbeschluss mehrheitlich gefasst, so dass er sich nun nicht
mehr so leicht umstoßen lässt.
Die Energiewende stellt uns vor große Herausforderungen. Es ist der Schritt, die
Energieversorgung auf nachhaltige Beine zu stellen und die Voraussetzungen für eine dezentrale
Energieversorgung zu schaffen. Dies ist ein gesellschaftlicher Kraftakt, der nur in gemeinsamer
Verantwortung gelingen kann.
Daneben gilt es aber auch, sich den Fragen zu stellen, was mit den alten Meilern geschehen soll
und wo der Atommüll hin soll. Auch hier stehen wir vor großen Herausforderungen. Auch diese
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, kann nur gemeinsam gelöst werden. 2
Das Entsorgungsproblem ist derzeit immer noch nicht gelöst. Es gibt in Deutschland kein
Endlager für hochradioaktiven Müll. Dies wissen wir bereits seit langem. Die vorläufige Lösung
des Problems heißt Zwischenlager. Diese befinden sich in Deutschland an den meisten
Atomkraftwerken und am Standort Gorleben.
Der Salzstock Gorleben wurde seinerzeit als Endlagerstandort bestimmt – ohne dass es dafür
fachlich fundierte Untersuchungen gegeben hat. Es war ein reiner politischer Beschluss und es
war ein Fehler. Nun wird Gorleben seit Jahren als Zwischenlager genutzt und es sorgt
bundesweit immer wieder für Aufsehen, wenn neue Castoren nach Gorleben rollen. Eine Lösung
für Gorleben ist daher dringend notwendig.


Zugegeben, politisch ist es ein heißes Eisen, an dem sich keiner bisher wirklich die Finger
verbrennen wollte. Doch wir müssen uns der Verantwortung stellen. Wir brauchen Alternativen
zum Standort Gorleben. Union und FDP hatten diesen Punkt auf Bundesebene in ihrem
Koalitionsvertrag von 1990 – doch umgesetzt wurde dieser Teil des Vertrages nicht. SPD und
Grüne scheiterten später, bei dem Versuch ein Standortauswahlgesetz auf den Weg zu bringen,
an dem Widerstand der Union. Zumindest ist es ihnen seinerzeit aber gelungen, einen
Erkundungsstopp zu verhängen.
Wie kein anderes Thema spaltet Gorleben seit Jahrzehnten die politische Landschaft. Eine
Einigkeit herbeizuführen schien nahezu unmöglich.
Mit dem gefundenen Konsens scheint nun doch eine Lösung in greifbarer Nähe zu sein. Über die
politischen Lager hinweg, gibt es nun einen grundsätzlichen Konsens.


Das Projekt atomares Endlager ist eine nationale Aufgabe, der sich keiner entziehen kann. Hier
müssen alle ihren Beitrag leisten, damit in Deutschland ergebnisoffen nach einem Endlager
gesucht werden kann. Es darf bei der Suche keine Freifahrtscheine für bestimmte Bundesländer
geben. An dieser Verantwortung und Bereitschaft hat es bisher gemangelt.
Nun wurde dieser gordische Knoten durchschlagen. 3
Es ist gelungen einen parteiübergreifenden Konsens zur Endlagersuche hinzubekommen. Die
Einigung – getragen von der Bundesregierung, den Ländern und den Fraktionen von CDU/CSU,
SPD, Grünen und FDP im Bundestag – sieht vor, ergebnisoffen nach einem Endlager zu suchen.
Mit der Einigung auf ein Standortauswahlgesetz ist es gelungen, einen Jahrzehnte geführten
Streit zu schlichten. Dafür gebührt allen Beteiligten unser Dank.
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor:
− Die Einrichtung einer Bund-Länder-Enquete-Kommission – bestehend aus 24 Mitgliedern.
Aufgabe der Kommission ist die Erörterung und Klärung von Grundsatzfragen für die
dauerhafte Lagerung von hochradioaktiven Abfallstoffen. Hierfür sollen bis 2015 Vorschläge
zu Sicherheitsanforderungen sowie Ausschluss- und Auswahlkriterien erarbeitet werden.
− Die Durchführung einer neuen Standortsuche nach dem Prinzip der „weißen“ Landkarte.
Und keine Vorfestlegung durch Ausschluss einzelner Standorte. Gorleben bleibt somit auf
der Landkarte.
− Den Transport weiterer Castoren nach Gorleben einzustellen.
− Die in Deutschland angefallenen Abfälle sollen auch in Deutschland entsorgt werden.
− Transparenz und Partizipation der Bürgerinnen und Bürger bei allen Verfahrensschritten.
− Und dass wesentliche Entscheidungen durch Bundestag und Bundesrat getroffen werden.


Für den SSW möchte ich sagen, dass dies ein guter Kompromiss ist. Und auch wir nehmen unsere
Verantwortung ernst und werden den Prozess weiter konstruktiv begleiten. Dies haben wir bei
der Energiewende getan und werden es auch jetzt tun, wenn es um die Lösung für ein
Endlagersuchgesetzt geht.


Damit die Endlagerfrage in Zukunft gelöst werden kann, gilt es jedoch Fragen im Vorfeld zu
klären. Hierbei gilt es insbesondere zu klären, was kurz- und mittelfristig mit den Castoren aus
der Wiederaufbereitung geschehen soll.
Die Rolle Schleswig-Holsteins in dieser Angelegenheit wurde deutlich, als es darum ging, wie die
Castoren aus den Wiederaufbereitungsanlagen Sellafield und La Hague zwischengelagert 4
werden sollen, wenn Gorleben als Zwischenlager entfällt. Und dass Gorleben als Zwischenlager
entfällt, ist vor dem Hintergrund, dass in keinster Weise nachgewiesen wurde, dass Gorleben als
Standort geeignet ist, nicht nur nachvollziehbar, sondern notwendig. Und wer nun aber fordert,
dass Gorleben trotz aller Bedenken weiterhin als Zwischenlager genutzt werden soll, der
gefährdet nicht nur den Konsens, sondern handelt verantwortungslos, weil es eben keinen
Nachweis für die Eignung von Gorleben derzeit gibt.


Es ist manchmal die Gunst der Stunde, die genutzt werden muss, um große und wichtige
Entscheidungen zu treffen. Schleswig-Holstein hat dies erkannt und gehandelt. Wir erklären uns
bereit, hier Verantwortung für diese nationale Aufgabe zu übernehmen. Doch auch für uns gilt,
dass wir dies nicht allein tun werden. So ist die Zustimmung Schleswig-Holsteins Castoren aus
Sellafield in Brunsbüttel zwischenzulagern, an klare Bedingungen geknüpft.
Wir stimmen einer Zwischenlagerung nur dann zu, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind:
1. Nicht alle 26 Castoren aus Sellafield und La Hague sollen in Schleswig-Holstein
zwischengelagert werden. Hier müssen sich mehrere Länder an einer Lösung beteiligen.
2. Die Sicherheit für eine Zwischenlagerung ist nach den neuesten Standards zu
gewährleisten. Eine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung darf von einem möglichen
Standort nicht ausgehen.
3. Die Zwischenlager dürfen definitiv nicht zu Endlagern werden. Es darf keine künftige
Entscheidung über die Frage der Endlagerung mit der Zwischenlagerung
vorweggenommen werden. Der Genehmigungszeitraum von 40 Jahren ab der ersten
Genehmigung des Zwischenlagers darf nicht verlängert und der Umfang nicht erweitert
werden.
4. Die Kosten für die Endlagersuche dürfen nicht von den Bürgerinnen und Bürgern oder
dem Staat aufgelastet werden. Die AKW-Betreiber haben die Kosten für die
Endlagersuche zu tragen. Die von den Betreibern gebildeten Rückstellungen sind für
Stilllegung und der Entsorgung des Atommülls zu verwenden. Um die Rückstellungen
nicht zu gefährden, sind diese in einem öffentlich-rechtlichen Fonds zu übertragen. 5
5. Die Kosten für Polizeieinsätze werden nicht vom Land Schleswig-Holstein getragen. Der
Bund muss die Folgekosten der Zwischenlagerung übernehmen.
6. Es ist zu gewährleisten, dass die Bevölkerung frühzeitig und umfassend über die
jeweiligen Sachstände informiert und an den Verfahren beteiligt wird.


Anhand dieses Forderungskataloges ist klar ersichtlich, dass Schleswig-Holstein bereit ist,
Verantwortung zu übernehmen. Aber nicht zu jedem Preis.
Natürlich stellen wir Forderungen, wenn es um die Frage geht, wohin mit den Castoren? Das ist
auch legitim. Aber wir verweigern uns nicht in dieser Frage. Wir wollen bei der nationalen
Aufgabe Endlagersuche unseren Teil übernehmen und dazu beitragen, damit dieses Problem
gelöst werden kann. Wir werden uns hier nicht aus der Verantwortung stehlen. Aber wir
wollen auch mitreden. Und deshalb ist es nach unserer Auffassung notwendig, dass natürlich
bestimmte Kriterien auch an die Standortsuche für Zwischenlager gebunden werden. So ist es
nur verständlich, wenn man sagt, die zukünftige Zwischenlagerauswahl muss sich auch am
Verursacherprinzip orientieren. Gleichzeitig ist aber auch der Sicherheitsaspekt ein Aspekt, der
nicht außer Acht gelassen werden kann. Deshalb muss natürlich die technische Eignung von
Standorten eine Rolle spielen und es muss darauf geachtet werden, dass auch die Transporte
der Castoren sicher ablaufen können. All diese Kriterien müssen bei der Zwischenlagersuche
eine Rolle spielen und es gibt keine Vorfestlegung. Was es gibt, ist die Bereitschaft unseres
Landes Teil einer Lösung zu sein und dazu stehen wir.


Wir erwarten aber auch, dass andere Länder sich ebenfalls ihrer Verantwortung stellen. Denn
der Atommüll, der heute in Sellafield und La Hague liegt, stammt nicht allein aus Schleswig-
Holstein. Und ich denke, wenn Schleswig-Holstein hier Verantwortung übernimmt und die im
Antrag formulierten Forderungen verabschiedet, dann ist dies ein gutes Signal an die anderen
Bundesländer und an den Bund.

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