Regina Poersch zu TOP 47: Transparenz ja, Bürokratie nein
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 22. November 2013TOP 47, Änderung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung – Endlich mehr Sicherheit für Verbraucher (Drucksache 18/807, 18/961 und18/1294)Regina Poersch:Transparenz ja, Bürokratie neinEgal, ob Menschen sich vegetarisch oder vegan ernähren, oder Menschen sich einfach nur informieren möchten: Sie brauchen Zutatenlisten, aus denen hervorgeht, ob tierische Bestandteile oder Produkte in ihren Lebensmitteln enthalten sind. Ob ein Lebensmittel vegan ist, also ohne jegliche tierischen Bestandteile oder vegetarisch, also keine Bestandteile vom geschlachteten Tier enthält, kann nicht das einzige Kriterium sein. Herkunft und Haltungsformen der Tiere sind ebenfalls relevant.Mit unserem Änderungsantrag und dem Ergebnis der Ausschussberatung sind wir auf einem guten Weg. Lebensmittelkennzeichnung ist ein wichtiges Thema, das zu Recht intensiv diskutiert wird.Die Debatte über den „Veggie-Day“ hat auch dazu geführt, dass, endlich wieder einmal über Essen gesprochen wurde. Es ist übrigens noch gar nicht so lange her, dass für einen großen Teil der schleswig-holsteinischen Bevölkerung fast jeder Wochentag ein „Veggie-Day“ war und Fleisch dem Sonntag vorbehalten. Der hohe Fleischkonsum gehört zu den Begleiterscheinungen des zunehmenden gesellschaftlichen Wohlstands der letzten Jahrzehnte. Daher ist nicht verwunderlich, dass das Thema emotional so stark besetzt ist. Fleisch gehört für viele Menschen einfach dazu, seit Jahrzehnten gilt das bei uns in Deutschland für alle Bevölkerungsschichten. Gerade weil das so ist, weil wir dieses Privileg mit Massentierhaltung, mit ökologischen und mit gesundheitlichen Risiken erkaufen, brauchen wir sehr transparente Kennzeichnungen. 2Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch die kritische Frage an uns alle richten, wie viel wir in Sachen Ernährung ganz selbstverständlich hinnehmen und unhinterfragt akzeptieren. Dabei will ich gar nicht von hunderten Millionen hungernden Menschen auf der Welt sprechen, obwohl das auch in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema ist. Mir ist aufgefallen, wie normal wir es heutzutage finden, dass eine Zutatenliste auf einem Lebensmittel so lang ist, dass sie kaum auf die Verpackung passt. Muss das tatsächlich sein? Muss man immer Dinge essen, denen man nicht ansieht, was sie enthalten?Die Beschäftigung mit Verbraucherschutzthemen sensibilisiert für viele Aspekte des täglichen Lebens. Tatsächlich gibt es ja unendlich viele Informationen zum Thema Ernährung. Ich plädiere an dieser Stelle für Verantwortung statt Informationsflut: Gute Gesetze, engmaschige Kontrollen und hohe Transparenz sind dringend notwendig.Es genügt aber nicht, auf verbraucherpolitische Herausforderungen lediglich mit noch mehr Informationen und einem Verweis auf mangelhafte Verbraucherbildung zu reagieren. Nicht nur Verbrauchergruppen mit frei gewählten Ernährungsgewohnheiten (wie eben Veganerinnen und Veganer) erwarten staatliche Leitplanken für einen sicheren Konsum. Was wir brauchen, sind auch auf Bundesebene, bessere Strukturen. Politik für Verbraucherinnen und Verbraucher sollte gebündelt werden und klare Verantwortlichkeiten aufweisen.Das Idealbild des mündigen Bürgers und der mündigen Bürgerin hält aus meiner Sicht einem Realitätscheck nicht Stand. Wir dürfen deshalb nicht zulassen, dass öffentliche Stellen sich aus ihrer Fürsorgepflicht zurückziehen. Ja, wir brauchen eine gute Lebensmittelkennzeichnung, dafür steht unser Antrag. Und nein, damit ist es nicht getan, dafür stehen wir mit unserer Verbraucherpolitik. Als Europapolitikerin weiß ich, wie viel dazugehört, eine einfache Sache flächendeckend transparent zu gestalten. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen und sollen in ganz Europa sicher sein, dass im Lebensmittel das drin ist, was drauf steht. Produkte machen nun einmal nicht an Grenzen halt. 3Wir haben im Ausschuss beschlossen, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene aktiv zu werden, damit es für die Verbraucherinnen und Verbraucher einfacher wird - überall in Europa. Im Übrigen hilft eine klare europäische Haltung auch in der Debatte um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Wir dürfen keine Aufweichung der europäischen Standards in Sachen gentechnisch veränderter Lebensmittel, Klonfleisch und Verbraucherschutz zulassen.Abschließend wollte ich Ihnen eigentlich empfehlen, einfach in einen Apfel zu beißen, wenn Sie doch einmal unsicher sind, welches Lebensmittel geeignet ist. Doch Achtung. Meine Kollegin Kirsten Eickhoff-Weber hat mich zu Recht darauf hingewiesen, dass selbst hier der Wurm drin sein könnte, ohne dass es drauf steht.