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19.02.14 , 12:17 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zur Jugendarbeitslosigkeit in der EU

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 8 + 16 – Jugendarbeitslosigkeit in der EU und Düsternbrooker Weg 70 Umsetzung des Arbeitsprogramms 24105 Kiel der Europäischen Kommission Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Dazu sagt die Vorsitzende Mobil: 0172 / 541 83 53 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Eka von Kalben: Nr. 059.14 / 19.02.2014



Europa heißt nichts anderes als Solidaritätsgemeinschaft
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,
“Ach, Europa“ heißt das Buch des scharfsinnigen Beobachters Hans Magnus Enzens- berger aus den 80iger Jahren. Darin wundert er sich über die Entwicklung seines, unse- res, Kontinents, er bestaunt sie zugleich, er fürchtet und begrüßt sie.
Ach Europa: Für mich als flüchtlingspolitische Sprecherin ist Europa manchmal zum Verzweifeln: Die Festungsmauern an Europas Grenzen, Sie passen so gar nicht in das Bild von Humanität und Freiheit und Lebenschancen, das wir gewillt sind, von der EU zu haben und zu verteidigen.
Ach Europa: Manchmal sind die Entscheidungen, die aus der europäischen Gesetzge- bung hervorgehen, überhaupt nicht so, wie ich mir das wünsche. Das jüngste Beispiel vom Genmais ist uns allen sicher noch in Erinnerung. Die Mehrheit unserer Bevölke- rung lehnt den Genmais ab.
Nicht nur wir Grüne hatten an dieser Entscheidung der EU schwer zu schlucken. Doch wir dürfen nicht vergessen: Das Gesetz mag den Brüsseler Institutionen entsprungen sein, der ausgebliebene Widerstand dagegen ist jedoch eine Berliner Stilblüte.
Das war ein klares Versagen der Großen Koalition.
Seite 1 von 3 Ach Europa, sagen viele, die um ihre wirtschaftliche Zukunft bangen und nicht wissen, wie lange sie noch in Arbeit sind, wie lange ihr Unternehmen noch besteht oder wie si- cher ihre Altersvorsorge ist.
Dabei wird jedoch viel zu häufig übersehen, dass die derzeitige, vor allem im Süden des Kontinents grassierende Krise eben keine Krise Europas ist, sondern ihren Ur- sprung in katastrophalen Versäumnissen in unzähligen Bankhäusern hat. Die EU und ihre BürgerInnen arbeiten diese Versäumnisse gerade Stück für Stück ab. Das Feld der Bankenregulierung wird von einigen sehr engagierten Menschen im Europäischen Par- lament beackert. Peu à peu werden wichtige Schritte zu einer einheitlichen Wirtschafts- regierung vorangetrieben.
Und erstaunt sagen die Menschen überall, aber auch hier in Schleswig-Holstein: „Ach, das ist auch die EU“, wenn ein genauerer Blick darauf fällt, welche Programme derzeit durch die europäischen Strukturfonds in Schleswig-Holstein gefördert werden. Bis ins Jahr 2020 werden wieder viele hundert Millionen Euro in unser Land fließen, die uns bei der Umsetzung der Energiewende und der Stärkung unseres Wettbewerbsstandorts helfen sollen. Auch zur Bewältigung des demographischen Wandels sind die Unterstüt- zungen sehr willkommen.
Schleswig-Holstein, meine Damen und Herren, ist ein großer Profiteur europäischer So- lidarität. Als Europäerin und Landespolitikerin sehe ich es als meine Aufgabe, genau diese Botschaft immer wieder zu verbreiten.
Europa, meine Damen und Herren, heißt nichts anderes als Solidaritätsgemeinschaft.
Auch der vorliegende Antrag der CDU hat viel mit der Idee europäischer Solidarität zu tun. Das Thema Jugendarbeitslosigkeit lässt die EU auf den ersten Blick in keinem gu- ten Licht dastehen. Über 50 Prozent der jungen Menschen unter 25 sind im Süden un- seres Kontinents derzeit vergeblich auf der Suche nach Ausbildung, Arbeit und Per- spektive.
Die Krise der europäischen Wirtschaft und des Euros wirkt hier häufig als Schreckge- spenst. Dieser Tage hören wir sowohl von rechts wie von links Stimmen, die gegen den Fortbestand des Euros polemisieren.
Doch die gegenteilige Antwort ist die Richtige: Die Gestaltungskraft der EU ist mit Blick auf die Arbeitslosigkeit einer halben Generation kein Teil des Problems, sondern die Lösung.
Wir – liebe Kollegin Damerow und lieber Kollege Dornquast – stehen in dem Bestreben, jungen EuropäerInnen eine Perspektive zu geben und einen Weg aus der elendigen Arbeitslosigkeit herauszufinden, auf der gleichen Seite. Auch wir sind offen dafür, dass junge Menschen nach Deutschland kommen. Auch wir wollen, dass sie hier ihre Fähig- keiten weiter entwickeln. So weit, dass sie gut aufgestellt auf unseren Arbeitsmarkt kommen oder aber einen leichteren Einstieg in den Arbeitsmarkt ihres Heimatlandes haben.
Ich sehe aber zwei entscheidende Unterschiede in unserer Position. Erstens: Mir ist es gleich, ob wir hier einen jungen Menschen aus Italien, Spanien oder Griechenland, Rumänen, Bulgarien oder Kroatien unterstützen.
Ich stelle mir die Frage: Wie reagiert ein Madrider Arbeitslose darauf, dass er nicht
2 nach Deutschland darf, sein Bekannter aus Sevilla aber schon? Welche Antwort geben wir auf den fragenden Blick der kroatischen Schulabgängerin, der wir mit dem CDU- Antrag ebenso die Türen nach Schleswig-Holstein verschließen würden. Schließlich liegt auch dort, im jüngsten EU-Land, die Arbeitslosigkeit bei fast 50 Prozent in dieser Altersgruppe. Würde sich die junge Europäerin nicht enttäuscht von den EU- Institutionen abwenden. Würde sie nicht sagen: Ach Europa, das war ein schöner Traum, vor allem für die alten Länder. Genau das jedoch will ich verhindern.
Bedeutender empfinde ich jedoch den zweiten Punkt, hier frei formuliert nach Gottfried Benn: „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“. Gut gemeint ist es sicher, wenn 500 jun- ge Menschen zur Ausbildung nach Deutschland, nach Schleswig-Holstein geholt wer- den. Es ist sicher ein ehrenwerter Versuch, etwas gegen die Perspektivlosigkeit in ein- zelnen spanischen Regionen zu unternehmen. Doch diejenige spanische Region, die – wie es bei ihnen heißt – „festzulegen“ sei, wird die massive Abwerbung besonders en- gagierter junger Menschen ganz sicher nicht begrüßen, sondern – wie ich finde zurecht – als Ausverkauf an Begabungen brandmarken.
Wir müssen uns überlegen, ob es tatsächlich solidarisch ist, der Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa mit einem gezielten Abwerben junger Menschen aus einer speziellen Re- gion zu begegnen. Wenn wir ehrlich sind, handeln wir nicht immer solidarisch, sondern zur Bekämpfung unserer eigenen Fachkräftemangels. Das ist legitim, hat aber eine an- dere Stoßrichtung.
Die Neugestaltung des europäisch gesteuerten Erasmus-Programms liefert zahlreiche Möglichkeiten, sich sowohl als Studentin als auch als Auszubildender europaweit zu bewegen und fortzubilden. Dieses Programm eröffnet Möglichkeiten für alle jungen Menschen, aller Länder der EU und auch aller Regionen.
Lassen Sie uns gemeinsam diese Möglichkeiten prüfen und auch auf die Erfahrungen der Handwerkskammer in Lübeck mit einbeziehen. Ich freue mich jedoch schon auf die anregenden Gespräche im Ausschuss und bin zuversichtlich, dass wir zur weiteren Be- kämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eine gemeinsame Linie finden werden.
Abschließend, trotz aller Achs zu Europa, trotz aller möglichen Schwächen und Prob- leme. Es gelingt diesem einmaligen Projekt immer wieder, mir – und ich hoffe uns allen – dieses Gefühl von Begeisterung und auch Stolz einzuhauchen. Ganz ähnlich wie der Länderfinanzausgleich im Bund oder der kommunale Finanzausgleich hier in Schleswig Holstein, besteht auch die Europäische Union aus einem Solidaritätssystem. Und gera- de Schleswig Holstein ist auf funktionierende Solidarität angewiesen und ist gleichsam bereit, solidarisch zu wirken. Auch deshalb bin ich froh, hier politisch wirken zu können.
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