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Eka von Kalben zur Reform der Landesverfassung
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 43 – Reform der Landesverfassung Düsternbrooker Weg 70 Bericht des Sonderausschusses Verfassungsreform der 24105 Kiel Landesverfassung Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Dazu sagt die Fraktionsvorsitzende Mobil: 0172 / 541 83 53 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Eka von Kalben: Nr. 293.14 / 09.07.2014Die Verfassung ist die Grundlage unserer Arbeit und unserer Gesellschaft Meine Damen und Herren,über die Verfassung zu reden ist immer ein besonderes Ereignis, weil sie die Grundlage unserer Arbeit und unserer Gesellschaft darstellt.Sie ist Grundlage für unser demokratisches Handeln.Und auch wenn uns im Alltag die Auswirkungen nicht immer bewusst werden, so ist die Ausgestaltung einer Verfassung ein grundsätzliches Zeichen dafür, in welche Richtung sich unser Land entwickelt, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickelt, in welche Richtung wir uns entwickeln wollen.In dem nun vorliegenden Verfassungstext finden sich zahlreiche wichtige Fortschritte, die Erwähnung verdienen.Aber bevor ich zum inhaltlichen komme, ein Gedanke vorweg: Wir Grüne standen einer Verfassungsreform kritisch gegenüber. Lohnt sich der Arbeitsauf- wand? Ist ein überparteilicher Konsens möglich?In anderen Ländern hat die Verfassungsgebung erhebliche Spannungen mit sich gebracht. Die Erarbeitung im Konsens ist keine leichte Aufgabe. Zu unterschiedlich sind die Positio- nen zwischen den verschiedenen politischen Lagern, als dass der große Wurf zwingend das Ergebnis ist.Die Beratungen zu Verfassungen gehen deshalb in der Regel nur sehr langsam voran. Das hat sich erfreulicherweise in Schleswig-Holstein nicht bestätigt. Seite 1 von 4 Der Sonderausschuss hat in Rekordzeit mehr als 20 Mal getagt und über 100, teilweise sehr ausführliche Arbeitspapiere beraten.Mit Beratung durch Expertinnen und Experten ist es den Fachabgeordneten gelungen, die unterschiedlichen Interessen so zu einigen, dass nun ein - fast - vollständig geeinter Ent- wurf vorliegt. Für Ihre Arbeit danke ich allen Beteiligten ausdrücklich.Die Arbeit dieses Ausschusses zeigt, dass interfraktionelle Arbeit sehr erfolgreich sein kann. Auch in Schleswig-Holstein.Der erste echte Verfassungstext des Landes entstand 1990 vor dem Hintergrund einer tief- greifenden Affäre, eines politischen Skandals. Damals herrschte Einigkeit darüber, dass es eines politischen und kulturellen Neuanfangs bedurfte.Damals war klar: Ein „Weiter so“ kann es nicht geben. Deshalb wurde das Verhältnis zwi- schen Regierung und Parlament neu ausbalanciert. Das war notwendig und wichtig. Das war richtig. Den damals eingeschlagenen Weg setzen wir nun fort. Der Sonderausschuss Verfassungsreform war also nicht nur fleißig, sondern hat auch ein erfreuliches Zeichen gegen die teils raue politische Kultur dieses Hauses gesetzt.Mit der neuen Verfassung stärken wir das Parlament weiter. Es ist ein wichtiger Erfolg, dass die Verbindlichkeit von Parlamentsbeschlüssen gegenüber der Regierung weiter gestärkt wird.Nunmehr kann der Landtag „zur Wahrung“ seiner Rechte eine Einleitung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht herbeiführen. Der Landtag nimmt hier selbstbewusst die Gestaltung des Verfassungsraumes in die Hand und schützt mittelbar die Wahrung der Königsrechte des Parlaments.Die Einigkeit, mit der wir den damals eingeschlagenen Weg fortsetzen, macht mich dabei stolz.Als Grüne freue ich mich insbesondere darüber, dass wir den Begriff der „Nachhaltigkeit“ in die Präambel aufgenommen haben.Ich weiß, Staatsziele sind umstritten. Einige mögen behaupten, es sei ziemlich egal, ob das nun da drin steht oder nicht. Diese Ziele veränderten die reale Politik nicht wirklich. Man kann aber auch sagen, dass die Aufnahme gerade des Begriffs der Nachhaltigkeit in die Verfassung ein Zeichen dafür ist, dass grünes Denken die höchste Auszeichnung erhal- ten hat.In der deutschen Verfassungsgeschichte hat sich gezeigt, dass einmal festgelegte Werte- und Begriffsgrundlagen von einer beeindruckenden Langlebigkeit sind und manchmal erst im Rückblick ihre Wirkung umfänglich nachvollzogen werden kann.Die Themen Schuldenbremse, Folgen des demografischen Wandels, Infrastrukturerhalt, Bildungsinvestitionen, Erneuerbare Energien, der Klimawandel oder der Schutz der Umwelt insgesamt spielen seit langem eine zentrale Rolle in jeder Landtagswoche. Alle diese The- men lassen sich unter dem Stichwort der Nachhaltigkeit zusammenführen. Die Formulierung der Verpflichtung zur Nachhaltigkeit in der Verfassung bedeutet einen 2 gewichtigen Unterschied. Wir sind angehalten, die Folgen unseres Handelns abzuschätzen. Dies wird beispielsweise häufig im Finanzausschuss schon gemacht. Wir brauchen eine grundsätzliche Folgeabschätzung von Gesetzen und eine ehrliche Generationenbilanz.Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt.Diese ur-grüne Grundhaltung drückt sich in der verfassungsmäßigen Verankerung der Nachhaltigkeit unmittelbar aus.Wir wissen, dass der Weg zu einer Kultur von größerer demokratischer Beteiligung steinig ist und langer Übung bedarf. In der Schweiz - dem Paradebeispiel für direkte Demokratie – üben sie sich darin schon seit Jahrhunderten und haben ihre Verfahren perfektioniert. So weit sind wir noch lange nicht!Aber gerade die Bundesländer und Kommunen sind die politische Ebene, auf der mit be- sonderer Achtsamkeit die Instrumente direkter politischer Beteiligung eingeübt werden kön- nen. Aus den Ländern heraus kann deshalb der entscheidende Schritt hin zu mehr Beteili- gung bundesweit stattfinden.Hier können wir erproben, wie mehr direkte Demokratie funktioniert. Hier können wir beweisen, dass mehr direkte Demokratie funktioniert.Dementsprechend war der Beschluss in der Verfassungsreform nur zwangsläufige Folge der längst auf den Weg gebrachten Initiative für eine Bürgerbeteiligung auch auf Bundes- ebene. Es ist deshalb für uns eine besondere Freude, dass die Quoren zu Volksinitiativen und Volksbegehren spürbar gesenkt wurden. Das ist uns ein zentrales Anliegen gewesen.Und bevor jetzt bei Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, die Emotionen hoch- kochen. Wir Grüne freuen uns darüber, dass die Volksinitiative zum A20 Bau so viele Un- terschriften gefunden hat.Nicht unbedingt wegen des Ziels des unmittelbaren Weiterbaus. Sie alle kennen unsere Haltung. Aber es ist richtig und begrüßenswert, wenn Menschen für ihr Anliegen den Weg der direkten politischen Beteiligung einschlagen.Ihre Anschuldigungen, der Innen- und Rechtsausschuss würde hier verzögern, ist schlicht falsch. Das wissen Sie. Der Ausschuss kommt – im Rahmen aller einzuhaltenden Fristen – nichts anderem nach als seiner Prüfpflicht.Meine Damen und Herren,nachdem so viele Kompromisse gefunden wurden, wird es nun zwei Varianten geben, die zur Abstimmung gestellt werden.Wir Abgeordnete werden frei nach unserem Gewissen entscheiden können, ob wir eine Verfassung mit oder ohne Gottesbezug beschliessen wollen. Bei der Frage, ob sich eine Verfassung auf religiöse Bezüge einlässt. Da scheiden sich die Geister. Ich bin Christin und aktives Kirchenmitglied. Außerdem kirchenpolitische Sprecherin meiner Fraktion. Ich spreche mich dennoch gegen den Gottesbezug aus: Gerade weil eine moder- ne Verfassung gesellschaftliche Entwicklungen nicht ignorieren darf. 3 Für einen gläubigen Menschen ist das Handeln auch von religiöser Überzeugung geprägt - auch das politische Handeln. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Im Gegenteil, es kann sehr hilfreich sein, wenn Men- schen innerhalb klarer Werte handeln. Aber der Rahmen in der Politik ist die Verfassung. Dieser Rahmen umfasst verschiedene Wertekanons. Religiöse und nichtreligiöse gleichberechtigt nebeneinander. Ich finde es richtig und gut, dass wir in einer Frage, die so stark das Innerste des Men- schen, das Gewissen vor Gott betrifft, nicht nach fraktions – oder parteipolitischer Ausrich- tung abstimmen werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren,eine gute Verfassung macht den entscheidenden Unterschied. Der Prozess hin zu den jet- zigen Änderungen war lang und die Ergebnisse - wenngleich wir sie begrüßen - sind über- schaubar. Eine Verfassung entwickelt sich langsam, über Jahrzehnte und immer weiter. Den Anforderungen der Gesellschaft entsprechend. Heute können wir uns darüber freuen, dass wir Minderheiten stärken, der direkten Demo- kratie Rosen auf den Weg legen und den Gedanken der Nachhaltigkeit in der Verfassung verankern.Meine Damen und Herren,die parlamentarischen Hausaufgaben sind gemacht. Nun sollten wir uns aufmachen, unse- ren erweiterten demokratischen Möglichkeiten mit Leben zu füllen. Hier und außerhalb un- seres schönen Plenarsaals. *** 4