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Eka von Kalben zur Sondersitzung des Landtages
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort. Claudia Jacob Landeshaus TOP 1 – Missbilligung des Verhaltens des Düsternbrooker Weg 70 Ministerpräsidenten und Aufforderung zur 24105 Kiel Entlassung von Ministerin Wende. Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 Dazu sagt die Vorsitzende presse@gruene.ltsh.de der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, www.sh.gruene-fraktion.deEka von Kalben: Nr. 335.14 / 04.09.2014In der Sache keine neuen ErkenntnisseMeine Damen und Herren, die Debatte seit der Sommerpause verläuft bisher genauso, wie ich es erwartet habe. Die Opposition feuert aus allen Rohren. Nicht jeder Treffer sitzt und wir, die regierungstra- genden Fraktionen, weisen die Anschuldigungen zurück. Nichts daran ist überraschend. Es gehört zu den erwartbaren Szenarien von Politik.Das schließt meine Fraktion und die Grünen insgesamt selbstverständlich mit ein. Es gibt politische Rituale. Wir alle kennen sie. Auch wir haben in der letzten Legislaturperiode den Rücktritt vom Kollegen Klug gefordert.Tatsächlich knüpft diese heutige Sondersitzung an Debatten an, die wir bereits vor dem Sommer geführt haben, zu der es umfassende Akteneinsicht gab, zu der es eine ausführli- che Befragung im Bildungsausschuss gab.Seitdem gibt es in der Sache für uns keine neuen Erkenntnisse. Neu ist, dass die Staats- anwaltschaft Ermittlungen aufgenommen hat. Lassen wir die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit machen. Mehr ist zur faktischen Sache nichts zu sagen.Und in Wahrheit erwartet auch niemand von der Opposition, dass wir heute, oder ich jetzt hier, et-was anderes sage. Und weil dem so ist, erschließt sich mir auch diese außerordent- liche Sitzung nicht. Nächste Woche sitzen wir doch eh zusammen. Dass es dennoch eine Sondersitzung gibt, folgt also nicht dem Erkenntnisinteresse, sondern den ei-genen Spiel- regeln der Politik.Meine Damen und Herren lassen Sie mich auf die übergeordneten Fragen, die politischen Fragen jenseits des konkreten Falles, eingehen. Denn die sind in der Tat bemerkenswert, nach all den Skandalen und Rücktrittsforderungen – auch der Grünen – in Personalien wie Wulff oder Haderthauer. Seite 1 von 4 Muss ein Politiker zurücktreten, wenn ihm etwas vorgeworfen wird, ohne dass der Vorwurf nachgewiesen ist? Wie hoch sind die moralischen Ansprüche, denen wir Politiker und Poli- tikerinnen gerecht werden müssen? Gilt die Unschuldsvermutung auch für eine Ministerin?Die Bevölkerung hat hohe moralische Ansprüche an uns. Das lässt sich nicht leugnen. Es ist ein An-spruch, der leicht mit der Unschuldsvermutung in Konflikt gerät. Politiker und Poli- tikerinnen dürfen gar nicht erst in Verdacht geraten.Ich kann diesen Anspruch nachvollziehen: Unsere Entscheidungen betreffen die Menschen im Land. Deshalb haben wir alle eine besondere Verantwortung. Deshalb haben die Men- schen einen hohen Anspruch an unser Handeln. Minister und Ministerinnen sind oft oberste Dienstherren und Dienstdamen. Glaubwürdigkeit ist ihr höchstes Gut. Sie sind schlichtweg darauf angewiesen, dass man ihnen glaubt.Die Debatte um Bildungsministerin Wara Wende beschreibt deshalb ein grundsätzliches Spannungsverhältnis. Politiker müssen zum einen über jeden Zweifel erhaben sein, zum anderen kann ihre Glaubwürdigkeit durch Vermutungen leicht beschädigt werden. Wir müs- sen uns auch der Frage stellen, wie bei allem berechtigten Anspruch an Anstand und Moral auch Politiker und Politikerinnen geschützt werden können.Ich begrüße es, dass der Ministerpräsident sich hier dem hohen Gut der Unschuldsvermu- tung verpflichtet fühlt. Es ist gut, dass er seine Kabinettskollegin nicht fallen lassen will. Sein Verhalten versucht die Rituale der Politik zu durchbrechen und das ist der Grund, wa- rum meine Fraktion diese Haltung unterstützt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach meinem Dafürhalten muss die Opposition den gleichen Ansprüchen genügen. Wir streiten seit Wochen sehr intensiv über Personalfragen. Sie, Herr Kubicki und Herr Callsen, legen jedes Wort auf die Goldwaage. Sie skandalisieren. Ich frage Sie: Drücken Sie nicht damit die politische Verantwortung im Land weit von sich? Ist das Ihre Vorstellung von Op- positionsarbeit?Aber nun noch mal konkret zur Sache: Sie haben dem Ministerpräsidenten in der Pressekonferenz der letzten Woche vorgewor- fen, das Parlament belogen zu haben. Der Antrag selbst spricht ebenfalls davon. Definiert ist Lüge so: „Eine Lüge ist eine Aussage, von der der Lügner weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist, und die mit der Absicht geäußert wird, dass der oder die Empfänger sie trotzdem glauben.“Lüge unterstellt also Täuschungsabsicht. Deshalb sind wir vorsichtig mit diesem Vorwurf in diesem Haus. Er gilt zu Recht als unparlamentarisch. Vieles, was in der Hitze der Debatte gesagt wird, was in freier Rede unsauber formuliert ist, stellt sich häufig genug als falsch heraus. Aber Lüge ist bewusste Täuschung.Sie verwenden diesen unparlamentarischen Begriff sehr bewusst. Die Schlagzeilen sind ihnen sicher. Sie wollen, dass der Landtag die Aussagen des Ministerpräsidenten wahr- nimmt und verurteilt, dass der Landtag diese missbilligt. Mit Verlaub: Der Lügenvorwurf ist hanebüchen und ich weise ihn hier entschieden zurück.Sie verweisen doch immer auf die Ausschussprotokolle – jene aus dem Bildungsausschuss vom 26.05.2014. Schon damals haben Sie den Ministerpräsidenten mit Ihrem Lügenvorwurf konfrontiert – bei exakt der gleichen Faktenlage. Damals wie heute wollten Sie seine Erklä- rung nicht hören. 2 Als er sagte „mitgewirkt“, so erklärte er sich, ging es darum, dass die Bildungsministerin nicht mit über ihr Rückkehrrecht abgestimmt hat, sondern in der besagten Sitzung in der Universität Flensburg den Raum verlassen und die Entscheidung dem Präsidium überlas- sen hat. Dass die Initiative für das Rückkehrrecht von ihr aus ging, dass sie den Stein dazu ins Rollen gebracht hat: All das hat niemand bestritten.Ich frage mich deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren von FDP und CDU, wes- halb wir die Aussage des Ministerpräsidenten, hier würde mit „Dreck auf Menschen ge- schmissen“, allen Ernstes missbilligen sollen.Sein Duktus ist teilweise hart, sicher. Aber ist der Lügenvorwurf nicht viel härter? Den glei- chen, widerlegten Vorwurf immer und immer wieder zu wiederholen: Was ist das denn? Sauber ist es jedenfalls nicht. Damit, Herr Kubicki und Herr Callsen, erreichen Sie nichts anderes als Verdrossenheit und Resignation. Nicht bei uns, nein: Sondern draußen, bei den Menschen, die wir hier vertreten. 49 % Wahlbeteiligung in Sachsen. Soweit ist es bei uns glücklicherweise noch nicht. Aber Politikverdrossenheit hat sowohl etwas mit falsch- handelnden Politikerinnen zu tun, keine Frage, aber genauso mit denjenigen, die nicht mü- de werden, Flecken auf den Westen anderer zu suchen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Kubicki. Sie haben 2010 in der ZEIT viel Persönliches über ihre Erfahrungen 1993 im Zusammen- hang mit der Deponie Schönberg gesagt. Sie haben von dem gewaltigen Druck gespro- chen, unter dem Sie standen. Sie haben davon gesprochen, dies sei Ihnen eine Lehre ge- wesen.Sehr geehrter Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Genehmigung: „Sie müssen sich das so vorstellen: Es gab wochenlanges Trommelfeuer in den Me- dien, jeden Tag bekam ich was auf die Mütze, es hörte überhaupt nicht mehr auf. (….) War ja alles Quatsch, eine Falschmeldung, das kam aber erst später heraus. In diesem Augenblick wurde diese Bombardierung meiner Psyche zu viel. Ich dachte: Das muss jetzt sofort aufhören, und das hört nur auf – für deine Familie, für deine Mutter –, wenn du nicht mehr da bist.“Zu dem Interview insgesamt ließe sich viel sagen. Aber ihre Worte sind damals nicht ein- fach an mir vorbei gegangen. Ich habe sie ernst genommen. Ich hoffe heute, dass ich sie zu Recht ernst genommen habe.Meine Damen und Herren , wir bedienen Rituale. Erwartbare Szenarien, die bei den Betroffenen schlimmen Schaden anrichten können und ein schlechtes Bild von Politik zementieren.Ich wünsche mir, dass ich in der Lage sein werde, mich zukünftig, falls wir mal wieder in der Opposition sind, gegen diese Rituale und unwürdigen Mechanismen zu stemmen. Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß, wie stark sie sind. Aber als Konsequenz will ich bei den Grünen dafür werben, vorsichtiger mit Vorverurteilungen zu sein.Sehr geehrter Herr Kubicki, sehr geehrter Herr Callsen, sehr geehrter Herr Günther, Seien wir doch mal ehrlich. Diese ganze Inszenierung, dieser Popanz, den sie hier aufbau- en, dient doch nur einem Zweck: Sie wollen eine andere Bildungspolitik! Es geht Ihnen gar nicht um die Ministerin, sondern um ihre Politik, die Bildungs-politik dieser Koalition. Diese Regierung hat seit ihrem Antritt bildungspolitisch mehr erreicht, als sich Ihre „schwarz-gelbe Kombo“ je hätte vorstellen können. Die Koalition hat im Bereich der Vor- schulen, der Schulen und der Hochschulen große Erfolge erzielt. 3 Wir arbeiten für ein besseres, gerechteres, offeneres Bildungssystem. Ihnen geht es um eine Bildungspolitik, die schlechter, ungerechter und unfreier ist. In der kommenden Woche sehen wir uns hier im Landtag wieder. Und in der kommenden Woche geht es dann hoffentlich endlich wieder um die Zukunft dieses Landes und nicht um Personal, Moral und Skandal. Das erwarten die Menschen von uns als Regierung, aber auch von Ihnen: Der Opposition.Wir haben noch viel vor – lassen Sie uns endlich zur inhaltlichen Arbeit zurückkehren!Wir zumindest bleiben am Ball. Wir diskutieren, wir ringen und streiten. Als Koalition, gerne auch mit der Opposition, aber immer im Austausch mit den Menschen.In der Politik geht es um Lösungen, nicht um Schlagzeilen. Ich freue mich deshalb auf die kommende Woche.Vielen Dank *** 4