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14.11.14 , 13:37 Uhr
B 90/Grüne

Burkhard Peters zum Schutz von Edward Snowden

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Es gilt das gesprochene Wort! Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 TOP 11 – Sicherer Aufenthalt für Edward Snowden in 24105 Kiel Deutschland Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Dazu sagt der innenpolitische Sprecher der Mobil: 0172 / 541 83 53 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Burkhard Peters: Nr. 449.14 / 14.11.2014
Edward Snowden hat uns sehend gemacht Meine Damen und Herren
Erlauben Sie mir zu Beginn ein Zitat: „Wer nicht mit […] Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen […] bekannt sind, […] kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.“ Dies sind Kernsätze des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983, der Magna Charta des Datenschutzes. Wegen des universellen Charakters der modernen Informationstechnologie, muss das Grundrecht auf informationelle Selbst- bestimmung ebenfalls einen universellen Geltungsanspruch erhalten, weil es sonst ins Leere läuft. Wir stellen heute fest, dass in einem vorher völlig unbekannten Umfang seit Jahren ge- gen das Menschenrecht auf Privatheit verstoßen wird. Die Verstöße haben monströse Ausmaße. Nur ein Beispiel: seit 2011 wird im Rahmen des „Tempora-Programms“ von NSA und GCHQ der sog. „full-take“ praktiziert. Das bedeutet nichts anderes, als dass der digitale Datenverkehr der Bundesrepublik aus Glasfaserkabeln in England praktisch voll- ständig abgesaugt, gespeichert und analysiert wird. Der „full-take“ saugt alles auf, egal um welche Daten es geht und welche Rechte dadurch verletzt werden, ihm entgeht kein einziges Bit. Dabei geht es den Geheimdiensten nicht nur um den Schutz vor terroristischen Anschlä- gen. Mindestens genauso wichtig sind Wirtschaftsspionage und die geheime Ausspä- hung der Pläne, Initiativen und Motive anderer Regierungen, teilweise der engsten Staa- tenverbündeten. Die vorliegenden Erkenntnisse sind von den jeweiligen Regierungen nicht bestritten worden. Wir müssen also davon ausgehen, dass sie ausnahmslos wahr
Seite 1 von 2 sind. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass auch deutsche Geheimdienste von den vergifte- ten Früchten des verbotenen Baumes profitieren. Wem haben wir diese Erkenntnisse zu verdanken? Keinem anderen als Edward Snowden. Ist Edward Snowden deshalb ein Verräter und ein Verbrecher? Sollte er in den USA we- gen seiner Enthüllungen zu 30 Jahren Haft verurteilt werden? Mit vielen anderen Menschen in der Welt sind wir Grünen der Ansicht, dass Snowden weder ein Verbrecher ist, noch für seine Enthüllungen bestraft werden darf. Wir sind vielmehr der Überzeugung, dass er sich um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in vorbildhafter und uneigennütziger Weise verdient gemacht hat. Er ist im eigentlichen Sinne ein Verfassungsschützer. Er hat dafür gesorgt, dass wir als Bürgerinnen und Bürger jetzt eine Ahnung davon be- kommen haben, „wer was wann und bei welcher Gelegenheit über uns weiß“. Er hat da- mit eine Basis dafür geschaffen, dass wir zumindest eine Chance haben, unsere infor- mationelle Autonomie wieder zurückerobern zu können. Was wir aus dem gewonnenen Wissen machen, ist jetzt unsere Sache. Dass er uns sehend gemacht hat und damit überhaupt erst politisch handlungsfähig, ist jedoch sein Verdienst. Aus diesem Grund hat Edward Snowden zu Recht 2014 den Fritz-Bauer-Preis der Hu- manistischen Union, den Alternativen Nobelpreis und die Carl-von-Ossietzky-Medaille verliehen bekommen. Genauso berechtigt ist der Vorschlag des ehemaligen norwegi- schen Umweltministers Solhjell, Edward Snowden den Friedensnobelpreis zu verleihen. Auch wenn Edward Snowden bekundet hat, nicht mehr in Deutschland um Schutz nach- suchen zu wollen, geht der Antrag nicht ins Leere, weil er eine symbolische Anerken- nung dieses hohen Hauses für eine außerordentliche Leistung für die Freiheit und die demokratischen Grundwerte darstellen würde. Erst letzte Woche haben wir den Mut und die Entschlossenheit der Freiheitsbewegung in der ehemaligen DDR gefeiert. Edward Snowden handelt aus dem gleichen Geist heraus. Es ist eine Schande, dass er bisher ausgerechnet nur in Russland Schutz gefunden hat, während sich die Bundesregierung und viele andere europäische Staaten wegducken. Dass ein solcher Schutz nach deut- schem Recht möglich ist, haben zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags überzeugend dargelegt. Dabei ging es durchaus nicht nur um einen tempo- rären Schutz im Sinne freien Geleits für eine Anhörung vor dem NSA-PUA des Bundes- tags. Diesbezüglich bin ich mit meinem Bundestagskollegen Konstantin von Notz übri- gens völlig einer Meinung, dass die auch für einen parlamentarischen Untersuchungs- ausschuss geltende Unmittelbarkeit der Beweiserhebung unabdingbar eine Vernehmung Snowdens in Berlin erfordert. Die Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes kommen darüber hinaus zu dem Ergeb- nis, dass der Bundesinnenminister über § 22 AufenthG einen humanitären Daueraufent- halt gewähren könnte und der Bundesjustizminister eine Auslieferung an die US- Strafverfolgungsbehörden abkommenkonform dauerhaft verweigern könnte. Es käme somit allein auf den entsprechenden politischen Willen an. Ob ein Weg über eine nationale Lösung allein für Deutschland gefunden wird, oder über die europäische Ebene, ist für uns Grüne zunächst einmal zweitrangig, denn der Effekt wäre der gleiche. Darum bevorzugen wir im Interesse des Konsenses den Koalitionsantrag. Es geht vor al- lem um das Signal, dass Snowden den ihm gebührenden Schutz verdient. ***
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