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21.01.15 , 10:59 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zu den terroristischen Anschlägen von Paris - Für ein buntes und weltoffenes Deutschland

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOP 13, 14, 19 - Für ein buntes und weltoffenes Düsternbrooker Weg 70 Deutschland 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 988 - 1503 Dazu sagt die Fraktionsvorsitzende Fax: 0431 / 988 - 1501 von Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de Eka von Kalben: www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 015.15 / 21.01.2015



Mehr Mut!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!
Ich schließe mich meinen VorrednerInnen an: Wir trauern um die Toten von Paris und gedenken der Opfer der Terroranschläge. In der Stadt der Liebe hat vor zwei Wochen der Hass seine hässliche Fratze gezeigt. 17 Menschen haben ihr Leben verloren und unser Mitgefühl gilt insbesondere ihren Familien, FreundInnen und KollegInnen.
Ganz Europa hat sich in diesem Moment solidarisch gezeigt. Wir alle sind von der furchtbaren Tat betroffen. Es ist richtig, dass sich heute der Schleswig-Holsteinische Landtag ebenfalls solidarisch zeigt und Haltung bekennt. Wir sprechen uns gemeinsam aus für ein friedliches Miteinander und verurteilen die Terroranschläge.
Der Terror hinterlässt nicht nur in Paris und Frankreich sichtbare Spuren. Der Terror ängstigt die Menschen, niemand kann sich davon freimachen. Uns entsetzen die Terro- ristInnen, die mit blankem Hass, scheinbar unaufhaltsam losziehen und morden.
Es erfordert viel Courage, sich dieser Bedrohung entgegenzusetzen. Es erfordert Cou- rage, sich trotz der Angst nicht vom Terror beeindrucken zu lassen, keine kopflosen Forderungen zu stellen, keine Vorurteile zu entwickeln.
Der Angriff auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ war auch ein Angriff auf unsere Presse. Mir hat ein Journalist nach den Anschlägen berichtet, dass er sich durchaus dabei ertappt, die Schere im Kopf bereits selbst anzulegen. Die Pressefreiheit uner- schüttert hochzuhalten, erfordert in diesen Tagen Mut. Es ist von dieser Stelle leicht gesagt, aber wir stehen solidarisch mit allen JournalistInnen in unserem Land und dan- ken Ihnen für Ihre Arbeit.
Seite 1 von 4 Die ZEIT hat auf die Anschläge geantwortet: „Die beste Möglichkeit, Menschen zu eh- ren, welche die Pressefreiheit für sich maximal in Anspruch genommen haben und da- für mitten in Europa ermordet worden sind, ist es, den eigenen Journalismus unbeirrt fortzuführen.“ Vielleicht ist das auch die richtige Schlussfolgerung für die Politik, für die Demokratie: Wir sollten diese genauso unbeirrt fortsetzen.
Die Schnelligkeit, mit der manche in der Politik Lösungen parat hatten, überrascht mich. Es erfordert wenig Mut, einfache Antworten als vermeintliche Lösungen zu präsentie- ren. Vielleicht braucht Politik auch einmal den Mut, die Antworten nicht sofort zu ken- nen.
Geht es um den Ruf nach mehr Polizei, die Verschärfung von Sicherheitsgesetzen überbieten sich manche gegenseitig in den Forderungen. Fast vier Jahre nach dem At- tentat von Utoya, erinnere ich an die Worte des norwegischen Premiers Jens Stolten- berg, der dem Terroranschlag: „Mehr Offenheit, mehr Demokratie, mehr Menschlich- keit“ entgegensetzte. Die Antwort auf Terroranschläge darf nicht immer weitere Aufrüs- tung bedeuten.
Es wird sie nicht überraschen, aber wir Grünen bleiben bei unserem Nein zur Vorrats- datenspeicherung. Die anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsdaten ist die Aufhebung der Unschuldsvermutung. Dieses Zugeständnis werden wir dem Terror nicht machen.
Wir brauchen mehr Freiheit, mehr Demokratie, mehr Menschlichkeit als Antwort auf den Terror. Wir haben empirische Nachweise, dass die Vorratsdatenspeicherung nichts bringt und trotzdem wird sie gefordert. Frankreich besitzt eine Vorratsdatenspeicherung und trotzdem wurde das Attentat nicht verhindert.
Natürlich kann man über die Arbeit von „Charlie Hebdo“ streiten, auch über die Gren- zen von Pressefreiheit. Es gibt Meinungen, die schwer auszuhalten sind oder Witze, die einer Beleidigung nahe kommen. Dies zu tolerieren - in jede Richtung - ist die Grundla- ge unserer Demokratie. Auch mir gefällt nicht immer, was in der Presse steht. Aber ich bin froh, in einem Land zu leben, in dem Zeitungen eine kritische Öffentlichkeit herstel- len.
Die Vielfalt der Meinungen, auch wenn sie provozieren oder verletzen, ist die Grundla- ge unserer Demokratie. Demokratie kann auch weh tun.
Das muss ich auch all denjenigen TeilnehmerInnen der so harmlos klingenden Abend- spaziergänge entgegenhalten. Demokratie heißt nicht, dass einige Menschen einfach ihren Willen bekommen.
Demokratie ist kein „Wünsch Dir Was“. Demokratie kostet uns alle etwas. Demokratie kostet Zeit, Mut, Toleranz und jede Menge Arbeit. Demokratie bedeutet Streit um die richtigen Antworten und Lösungen. Demokratie bedeutet, Mut zur eigenen Meinung. Demokratie bedeutet aber auch, dass am Schluss nicht alle Recht haben und bekom- men.
Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst: Die der 35.000 Pegida- DemonstrantInnen sowie der mehr als 100.000 GegendemonstrantInnen. Wir nehmen
2 auch die Anliegen all derer ernst, die nicht demonstrieren: Aller 2,8 Millionen Einwohne- rInnen in Schleswig-Holstein: Flüchtlinge, Deutsche, Nichtdeutsche, Gläubige, Ungläu- bige, Frauen, Männer, Kinder, Alte, Junge. Das bezweifeln manche, aber das tun wir ernsthaft.
Aussagen wir die der Pegida-Sprecherin Oertel, dass es ihr lieber wäre, die gewählten VolksvertreterInnen würden ihre Arbeit machen, dann könne man nämlich auf der Couch sitzen bleiben, sprechen für sich. Demokratie ist kein Teleshopping. Wir lassen uns nicht vorwerfen, keine Arbeit zu machen, weil Pegida das Ergebnis nicht passt.
In der soeben erschienenen Studie zu der Demografie der Pegida betonten zumindest diejenigen, die an der Befragung teilgenommen haben, es ginge gar nicht so sehr um den Islam und die Islamisierung, sondern um eine allgemeine Unzufriedenheit mit der Politik.
Aber wer politische Anliegen unter dem Banner „Gegen die Islamisierung des Abend- landes“ vertritt, darf sich nicht wundern, wenn ihm geistige Brandstiftung vorgeworfen wird. Der Vorwurf, Muslime wären an irgendwelchen gesellschaftlichen Umständen schuld, ist nicht nur falsch, sondern schäbig.
Ich bin überzeugt davon, dass die Wurzeln und die Erklärung für das Attentat nicht in einem wie auch immer gearteten „Wesen des Islams“ zu suchen sind. Auch die Beru- fung der Attentäter auf den Islam darf nicht als Feigenblatt der Erklärung herhalten, ein bisschen was müsse schon dran sein.
Der Islam gehört genauso zu Deutschland wie das Christen- und das Judentum. Wir stehen solidarisch zu allen Religionsgemeinschaften.
Aus meiner Sicht ist auch die Klärung der Frage, warum sich Mörder bei ihren Taten auf den Islam beriefen, weder wichtig noch dringlich. Sie hilft auch nicht weiter. Was folgte daraus?
Niemand hat nach dem Attentat von Utoya etwas Ähnliches von den NorwegerInnen gefordert. Jede Ausgrenzung von Muslimen verbietet sich.
Wir sollten aufpassen, dass wir nicht mit zweierlei Maß messen, um durch die Hintertür Ressentiments gegen Muslime doch Raum und Stimme zu verleihen. Die Muslime ha- ben in den vergangenen Tagen breite Unterstützung erfahren. Das hat mich sehr ge- freut. Es sollte nicht bei warmen Worten bleiben: Die Zeit für den Islamvertrag war nie reifer als jetzt.
Wir können unsere Demokratie nicht an den Gefühlen und Ängsten Einiger orientieren. Nicht diejenigen, die am lautesten rufen, haben automatisch recht.
Und schon gar nicht lassen wir uns mit diffusen Ängsten oder Gefühlen politisch er- pressen. Soviel politischen Mut besitzen wir allemal.
Ich bin dankbar für die vielen Zeichen der Solidarität, die mutige und entschiedene Ge- genwehr, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit in Gang gesetzt hat. Lichterketten, breite Bündnisse für Toleranz, Licht aus! an der Dresdner Oper, am Kölner Dom oder Bran- denburger Tor sind deutliche Zeichen, welche Politik die Menschen in Deutschland wol- len. Mehr als 100.000 Menschen gingen in den letzten Wochen für Toleranz auf die Straße.
3 Dafür, dass Flüchtlinge in Deutschland willkommen sind. Dass Einwanderung gewollt ist. Dass Religionen in Frieden in Deutschland leben können. Dass alle so sein dürfen, wie sie wollen. Dass für alle Platz ist in diesem Land. Juden, Flüchtlinge, Muslime: Sie alle brauchen in diesen Tagen Mut und wir können Ihnen diesen Mut geben, wenn wir laut und deutlich sagen: Ihr gehört zu uns!
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