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Lars Harms: Wir wollen, dass das Gewaltmonopol weiterhin ausschließlich beim Staat liegt
Presseinformation Kiel, den 20. März 2015Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 16 Unabhängige Beobachtung der Demonstrationen gegen den G7-Gipfel in Lübeck ermöglichen Drs. 18/2783 „Wir wollen, dass das Gewaltmonopol weiterhin ausschließlich beim Staat liegt“Der Antrag der Piraten zielt auf etwas ab, was schon im Rahmen der Beratungen zumVersammlungsgesetz eine Rolle gespielt hat und dann mehr oder weniger verworfen wurde.Im ersten Aufschlag hört es sich in der Tat gut an, nach unabhängigenDemonstrationsbeobachtern zu rufen. Allerdings schon bei dem Begriff stoßen wir auf dieerste große Schwierigkeit. Wer ist denn bitteschön unabhängig? Ist es der Veranstalter selber –in unserem Fall die G 7? Sind es einzelne Gruppen von Gegendemonstranten? Und wenn ja,welche Gruppe von Demonstranten bekommt dann einen solchen offiziellen Status? Sind eseher linke Gruppen? Sind es Globalisierungsgegner? Sind es TTIP-Gegner? Sind es rechteGruppen? Oder haben nur religiös motivierte Gruppen einen Anspruch, 2Demonstrationsbeobachter zu sein? Sie sehen schon, keiner kann diese Fragen wirklichunabhängig beantworten. Diese Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Gruppen gibt esnämlich nicht. Deswegen hört sich der Piratenantrag schön an, aber wenn es um einepraktikable Umsetzung geht, dann kommen wir um diese komplizierte Frage nicht umhin. Undgenau diese Frage lässt der Piratenantrag außer Acht. Wahrscheinlich, weil sich hier genau dasgrößte Hindernis befindet. Politik kann aber nicht nur fordern, sondern muss die Antwortenauch gleich mitliefern. Hier bleiben die Piraten aber etwas schuldig.Aber gehen wir einmal davon aus, dass tatsächlich eine völlig unabhängige, von eigenenInteressen und Vorstellungen völlig unbeeinflusste Person oder Personengruppe wirklich vomHimmel fällt. Was dann? Sie sollen erhebliche Rechtsverletzungen dokumentieren können.Also quasi mit Bild- und Tonaufnahmen auf Verbrecherjagd gehen. Ich gehe davon aus, dassdie Piraten dabei nicht nur auf mögliche Verfehlungen der Polizei – sofern es solche dennüberhaupt gibt – denken, sondern alle Teilnehmer einer Demo unter unabhängigeBeobachtung stellen lassen wollen. Da sonst regelmäßig durch die Piraten eigentlich jedeBeobachtung im öffentlichen Raum als Teufelswerk gebrandmarkt wird, geht man hier dochüber den Grundrechtsanspruch der informationellen Selbstbestimmung relativ schlankhinweg. Wenn es der eigenen Ideologie dient, sind solche Grundrechtseingriffe durchletztendlich privatrechtlich organisierte Beobachter auf einmal in Ordnung. Für mich sind sie esnoch lange nicht.Und auch das Gewaltmonopol des Staates wird hier auf einmal eingeschränkt. Nicht mehr diePolizei geht auf Verbrecherjagd, sondern nun sollen auch Private Bild- und Tonaufnahmen zuVerbrechensbekämpfung machen dürfen. Mir schaudert es da ein wenig bei einem solchenStaatsverständnis. Ich glaube immer noch, dass wir an der bewährten Praxis, dass dasGewaltmonopol beim Staat liegt, bleiben sollten. Und deshalb sollte es nur der Polizei – alseigentlich einzige wirklich unabhängige Stelle – erlaubt sein, hier offizielle Bild- undTonaufnahmen zu machen. Denn diese Bild- und Tonaufnahmen sollen laut Antrag der Piraten 3zur Dokumentation von erheblichen Straftaten genutzt werden. Das ist der eigentlicheAuftrag. Und das ist das eigentliche Aufgabenfeld der Polizei und nicht von anderen Personenoder Institutionen.Gehen wir aber noch einmal einen Schritt weiter. Der völlig unabhängige und neutraleBeobachter ist vom Himmel gefallen und er hat eine dieser im Antrag genannten erheblichenStraftaten dokumentiert. Dann soll es ausgeschlossen sein, dass diese Aufnahmenbeschlagnahmt werden. Spätestens jetzt wird einem rechtsstaatlich Angst und Bange. Erstens,gehen die Piraten anscheinend nicht davon aus und wollen dieses auch nicht festlegen lassen,dass der Demonstrationsbeobachter diese erhebliche Straftat der Polizei automatisch meldet.Für mich wäre das nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch eine Verpflichtung. Aberdass dann ausdrücklich im Antrag geschrieben wird, dass die Polizei diese Beweismittel geradenicht erhalten können soll, wenn die Herausgabe verweigert wird, lässt einen erst einmal nurschlucken. Im Falle einer Straftat soll es möglich sein, dass der Polizei Beweismittelvorenthalten werden. Wenn jemand körperlich zu Schaden kommt, wennverfassungsfeindliche Parolen gerufen werden, wenn verfassungsfeindliche Symbole gezeigtwerden und wenn Eigentum mutwillig zerstört wird, soll ein Demonstrationsbeobachtereinfach so, der Polizei den Zugriff auf seine Bild- und Tonaufnahmen, die er ja entsprechenddes Antrages offiziell anfertigt, für sich behalten dürfen. Für mich ist das Willkür und ebengerade nicht eines Rechtsstaates würdig.Sie sehen, meine Damen und Herren, dass das Thema viel schwieriger ist, als es der Antrag derPiraten suggerieren soll. Schon die Auswahl einer unabhängigen Institution ist nahezuunmöglich und letztendlich sollten Grundrechtseingriffe ohnehin nur in einerRechtsgüterabwägung erfolgen. Und wer sich hier beeinträchtigt fühlt, der kann sich an einewirklich unabhängige Institution in Deutschland wenden – nämlich an die Gerichte.Wir glauben an den Rechtsstaat und haben Vertrauen in unsere Polizei. Und wir wollen, dassdas Gewaltmonopol weiterhin ausschließlich beim Staat liegt. 4