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08.06.16 , 16:01 Uhr
B 90/Grüne

Bernd Voß zum Strukturbruch in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus TOPs 40 und 59 – Strukturbruch in der Landwirtschaft Düsternbrooker Weg 70 und dem ländlichen Raum 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Dazu sagt der Sprecher für Landwirtschaft und ländliche Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Räume der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de Bernd Voß: www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 264.15 / 08.06.2016

Die Menge muss runter – das Kartell der Verursacher muss sich bewegen
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Dank geht an die Landesregierung und die Mitarbeiter*innen des MELUR für den Be- richt zur Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten- schutzes.
Diese Gelder sind neben den Mitteln aus dem europäischen Fonds für ländliche Ent- wicklung die entscheidenden Mittel mit denen, neben dem Küstenschutz, Politik für den ländlichen Raum gestaltet werden kann. Der Bericht zeigt, wie ausgewogen und zielge- richtet das Land die Mittel einsetzt. Mit einer hohen Effizienz werden Ko- Finanzierungen sichergestellt, um eine Hebelwirkung mit den Mitteln zu erreichen.
Es ist aber auch bei einigen die Erwartung da, mit diesen und anderen öffentlichen Mit- teln den Strukturbrüchen und Verwerfungen im ländlichen Raum zu begegnen. Ich bin der Auffassung, diese begrenzten Mittel können und dürfen nicht zu einem Re- paraturbetrieb für die fatalen Folgen der Agrarpolitik herhalten.
Allein bei der Milch bewegen sich die Verluste in der Wertschöpfung im ländlichen Raum in den letzten beiden Jahren in Schleswig-Holstein bei ca. einer halben Milliarde Euro jährlich. Das sind die Folgen einer Überproduktion, vorbei an der Nachfrage des europäischen Marktes.
So etwas kann bei Produkten mit geringer Nachfrageelastizität nur in einem völligen Preisverfall enden. Die Erzeugungskosten liegen nun mal bei plus minus 40 Cent. Auch die Herausforderungen durch Kosten und Investitionen in Umwelt, Tierwohl, Lebensmit- telqualität und Arbeitsplatzqualität müssen nicht durch Subventionen sondern durch Seite 1 von 4 Preise am Markt erwirtschaftet werden können.
Wenn nicht zügig eingegriffen wird, würde ich es nicht wagen, den Verlust an Betrieben und Arbeitsplätzen mit zehn oder 20 Prozent zu prognostizieren. Ich würde da nur ein X setzen. Das wäre ein Strukturbruch mit schwerwiegenden Folgen für den ländlichen Raum. Besonders für Regionen, in denen aufgrund der naturräumlichen Voraussetzun- gen viel Milchwirtschaft betrieben wird.
Das Preistief ist nur vorrübergehend, so war immer wieder die Botschaft der Agrarpoliti- kerInnen der Union, seitens des Bauernverbandes, und leider auch vieler Wissen- schaftler und Beratungsorganisationen. Es hieß, die Nachfrage nach Milchprodukten und damit der Preis wird schon wieder steigen, dafür lohnt es sich, seine Produktions- kapazitäten schon mal auszuweiten, um möglichst gute Startposition für den Boom zu haben.
Viele Betriebe, die daran geglaubt haben, haben auf Wachstum gesetzt und sich ver- schuldet. Mittlerweile bestreitet niemand mehr, dass der Boom nicht in Sicht ist und der Preisverfall auf das Überangebot zurückzuführen ist. Bauern und Bäuerinnen sind so regelrecht in die Falle gelaufen.
Seit 2011 ist die Milcherzeugung in der EU um elf Millionen Tonnen gestiegen. Allein in Deutschland gab es in diesem Zeitraum einen Zuwachs um 2,8 Millionen Tonnen. Im letzten Jahr, nach Abschaffung der Milchquote, nahm das Anwachsen weiter Fahrt auf. Und das war nicht nur vorhersehbar. Das war, von Teilen der Branche, eine gewollte, geförderte Entwicklung.
Dahinter steckt die Strategie der deutschen und europäischen Milchwirtschaft, durch Mengenausweitung den Rohstoff Milch billiger zu machen. Mit diesem billigen Rohstoff wollen sie dann Marktanteil auf dem Weltmarkt erobern.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Strategie ist zwar für das Groß der Bauern krachend gescheitert. Für die Akteure aber, die diese Entwicklung bewusst herbeigeführt haben, ist sie aufgegangen. In mit Staatsknete subventionierten Milchpulvertürmen wird jetzt überall fröhlich Milchpulver produziert. Weil die Preise im Keller sind, kann damit der globale Markt beglückt wer- den.
Von den EntwicklungspolitikerInnen ist zu hören, dass zurzeit in nie dagewesenem Um- fang Milchpulver aus der EU auf die Märkte weltweit gedumpt wird. Diese Strategie, das haben wir Grüne immer gesagt, macht nicht nur bäuerliche Betriebe hier bei uns kaputt, sie zerstört auch Existenzen weltweit. Sie ist eine Bedrohung für die Ernährungssouve- ränität vieler Länder. Sie ist Mitursache für Flucht und Vertreibung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Agrarministerkonferenz hat auf Druck der grünen und roten Minister*innen die Branche zum Handeln aufgefordert. Sie könnte, dass haben Beispiele aus international agierenden Molkereiunternehmen gezeigt – kurzfristig agieren. Sie sitzt aber aus.
In der nächsten Stufe haben die Minister*innen verbindliche europäische Regeln gefor- dert. Das steht jetzt an. Ich weiß nicht, ob ich sagen soll, es ist ein Fortschritt, dass die Ursache der Krise wenigstens von niemandem mehr in Zweifel gezogen wird. Was nützt das, wenn daraus nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen wer- den?
2 Das fängt schon damit an, wer überhaupt beteiligt wird an der Erarbeitung dringend be- nötigter Lösungen. Denn wen hat der Bundeslandwirtschaftsminister zu seinem Milch- gipfel Anfang vergangener Woche eingeladen? Milchindustrie und Bauernverband, die wesentlich mitverantwortlich sind für die Krise!
Das Kartell der Verursacher war unter sich, Milchbauern und Bäuerinnen beziehungs- weise deren verbandliche Vertretung mussten leider draußen bleiben. Natürlich zu- nächst auch die Landesagrarminister*innen – weil sie nicht nach seiner Pfeife tanzen. Denn was wurde auf dem Milchgipfel des Bundeslandwirtschaftsministers beschlos- sen? Unkonditionierte Finanzhilfen, die keine Veränderung der Lage herbeiführen, son- dern eventuell sogar die Betriebe noch weiter in die Schuldenfalle führen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hier wird mit Liquiditätshilfen eher ein Bankensicherungsprogramm als ein Hilfspro- gramm für die Landwirte angeschoben.
Was wäre nötig? Wir brauchen sofort Maßnahmen, die die Menge drosseln. Finanzhil- fen können nur sinnvoll sein, wenn sie an eine Reduzierung der Milchmenge gekoppelt sind. Der Blick muss weg von immer neuen Finanzhilfeforderungen: Gegen zusam- menbrechende Preise kann man nicht an subventionieren.
Wir brauchen kurzfristig eine obligatorische Reduzierung der Milchmenge in Europa. Das scheitert nicht an der administrativen Machbarkeit. Es scheitert an der politischen Blockade, besonders aus Berlin.
Wir brauchen ein Bonus-Malus-System zur Mengenbegrenzung. Anpassung an die nachfragenden Märkt ist die Herausforderung. Bündnispartner dafür, wie Frankreich, Italien, Belgien und Luxemburg, stünden bereit.
Ziel muss es sein, statt "mehr und billiger" "weniger und besser" Milch zu erzeugen. Wir brauchen eine Strategie, die eine höhere Wertschöpfung und auskömmliche Erzeuger- preise ermöglicht. Das kann auch durch eine Politik der Entwicklung des ländlichen Raumes, die Anreize für die Erzeugung von Milch mit speziellen Qualitätsmerkmalen schafft, zum Beispiel Weidemilch, mitbefördert werden.
Ich warne aber davor, zu glauben, man muss nur genügend Fördergelder in die Hand nehmen, um die Krise zu bewältigen. Das wird nicht funktionieren. So schnell kann der Esel gar nicht scheißen. Wir brauchen eine Produktion für eine reale Nachfrage an rea- len, möglichst europäischen und regionalen Märkten. Keine Spekulation auf eventuelle Nachfragen in der Zukunft in China oder sonst wo.
Und, nein, das heißt nicht, dass wir dann in Schleswig-Holstein unsere Milch alle selber trinken müssen. Wir brauchen eine an die Flächenausstattung angepasste und auf in der Region erzeugte Futtermittel basierende Tierhaltung. Das gilt nicht nur für Milch, sondern auch für andere Bereiche der Tierhaltung.
Und wir brauchen möglichst viele, möglichst vielfältig aufgestellte, bäuerliche Betriebe im Land. Anders ausgedrückt: Wir stehen für viele Betriebe und eine Streuung des Ei- gentums im ländlichen Raum, wir wehren uns gegen eine Konzentration in den Händen von Banken und Kapitalgesellschaften.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Unterstützung unseres Antrages.
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