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23.09.21
15:29 Uhr
SPD

Dr. Kai Dolgner zu TOP 12: Digitaler Strukturwandel ohne Geld und Personal ist eine Luftnummer

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 23. September 2021
Dr. Kai Dolgner Digitaler Strukturwandel ohne Geld und Personal ist eine Luftnummer TOP 12: Gesetzentwurf zur Förderung der Digitalisierung
„Nun soll es endlich vorangehen mit der Digitalisierung. Der Minister hat gegenüber der Presse große Ankündigungen gemacht und dabei sogar von 270 Mio. gesprochen. Leider sind das keine zusätzlichen Mittel, wie mancher vielleicht gehofft hat, sondern schlicht die Fortschreibung des status quo. Und Jamaika will sich für die Festschreibung zum 01. Januar 2023 für Schnelligkeit und Innovationskraft feiern lassen. Schon ein Blick ins alte Landesverwaltungsgesetz entlarvt aber das als Etikettenschwindel.
„§ 52 d Absatz 2 Satz 3 alte Fassung enthielt zudem einen Starttermin, ab dem auch in den nachgeordneten Bereichen der obersten Landesbehörden mit der Einführung der elektronischen Akten sowie der elektronischen Vorgangsbearbeitung begonnen werden sollte.“ – Anmerkung: Das war der 01. Januar 2018 – „Auch dieses Datum ist inzwischen verstrichen.“
In Wirklichkeit gönnen Sie sich also einfach fünf Jahre mehr! Das hätte ich als Student auch gerne gehabt. Frist nicht eingehalten - Einfach verlängern! Was ich eben vorgelesen habe, steht wörtlich als Begründung in ihrem Gesetzentwurf. Bemerkenswert offen oder doch ein Ausdruck der Frustration des Fachpersonals?
Sie haben schlicht die Digitalisierung in den letzten vier Jahren grandios verschlafen und müssen nun die Gesetzgebung an Ihr Schneckentempo anpassen. Und selbst das passiert nicht wirklich aus eigener Motivation oder später Aufbruchstimmung.
In Ihrem eigenen Gesetzentwurf heißt auf der ersten Seite dazu: „Der Bundesgesetzgeber hat die Länder verpflichtet, bis Ende 2022 Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen und Bürger auch digital anzubieten“ Das heißt nichts anderes, als dass der Bund die jamaikanische Schnecke zum Jagen tragen musste. Und zur Jagd eignen sich Schnecken bekanntlich eher weniger.


1 Das Schlimmste ist aber, dass die Digitalisierung sich mal wieder aus sich selbst heraus u.a. durch Kosteneinsparungen finanzieren soll. eigentlich nichts mehr kosten darf und sich quasi aus sich selbst heraustragen soll. Das hat nach meinem Wissen auch noch nie geklappt und dieser falsche Gedanke ist einer der Gründe für Deutschlands Rückständigkeit. Das wäre genauso sinnvoll, als wenn man versucht hätte, den Bau von Telegrafenleitungen durch den Verkauf gebratener Brieftaubenschenkel zu finanzieren.
Nein, im Jahr 2021 haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, dass sie ihre öffentlichen Dienstleistungen digital und mit möglichst wenig Aufwand abrufen können. Im Vergleich mit anderen Ländern ist der digitale Rückstand Deutschlands schon standortgefährdend.
Und hier ist Ihr Gesetzentwurf wirklich sehr aufschlussreich. Er stellt zwar fest, dass es einen Mehrbedarf von ca. 31 Mio. Euro und ca. 220 neue Stellen für den Übergangszeitraum bräuchte. Und das war vermutlich der Moment, wo Frau Heinold ausrief „Mir gebet nix!“. Der nächste Satz ist im Entwurf so entlarvend wie niederschmetternd:
„Da personelle Kapazitäten in diesem Umfang kurzfristig nicht zur Verfügung stehen und auch der Nutzen einer solchen Vollumsetzung gegenüber den entstehenden Kosten voraussichtlich nicht in jedem Einzelfall vertretbar wäre, wird eine einzelprojektbezogene Umsetzung vorgeschlagen. Das heißt, die Ressorts priorisieren die Projekte für sich selbst und setzen diese sukzessive im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel um.“ Ich übersetze: Wir wissen eigentlich was zu tun wäre, aber Monika gibt uns kein Geld, deshalb müsst Ihr leider den größten staatlichen Strukturwandel des 21. Jahrhunderts dadurch bewältigen, dass Ihr Euch das aus dem eigenen Fleisch schneidet. Wir spannen nur dort Telegrafendraht, wo genug Brieftaubenschenkel verkauft wurden. So wichtig ist uns der Fortschritt.
Was ist eigentlich mit den Kommunen? Die meisten Dienstleistungen hole ich mir doch in den Kommunalverwaltungen ab oder? Man riecht förmlich den Schweiß, der verströmt wurde, um in den Formulierungen Konnexität zu vermeiden. Zumindest für den Bereich der unteren Landesbehörde hätte es eine klare Finanzzusage bedurft. Ich zitiere den Entwurf: „Den Landkreisen bzw. Landräten als untere Landesbehörden entstehen ähnliche Aufwände, die sich auf ca. 1,4 Mio. € belaufen werden und über eine Projektfinanzierung beim ITVSH gedeckt werden müssen. Der ITVSH entscheidet im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen nach eigenem Ermessen über die Umsetzung der Projekte.“
Ist das Ihr Ernst? Sie sind Jahre hinter dem Zeitplan und anstatt jetzt ordentlich Geld in die


2 Hand zu nehmen, damit es in 15 Monaten wenigsten ein oder zwei digitale Killeranwendungen für die Bürgerinnen und Bürger gibt, soll der große Sprung nun mit lauter Einzelprojekten gelingen, die noch nicht einmal ausfinanziert sind?
Ich bin mir sicher, ich werde meinen Führerschein klassisch tauschen müssen. Ich nehme gerne anderslautende Wetten aus Jamaika entgegen.
Ich hätte jetzt gerne noch darüber gesprochen, dass der Gesetzentwurf bei der Beseitigung von Schriftformerfordernissen oder auch bei Open Data durchaus ambitionierter sein könnte, aber dafür sind ja die Ausschussberatungen da. Ich beantrage die Überweisung in den Umwelt-, den Innen- und den Finanzausschuss.“

i.V. Felix Deutschmann



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