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20.09.23
11:16 Uhr
FDP

Christopher Vogt zu TOP 3+9+38 u.a. "Nachtragshaushaltsgesetz 2023"

20.09.2023 | Haushalt & Finanzen
Christopher Vogt zu TOP 3+9+38 u.a. "Nachtragshaushaltsgesetz 2023" In seiner Rede zu TOP 3+9+38 (u.a. Nachtragshaushaltsgesetz 2023) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:
„Eines vorweg in aller Deutlichkeit: Die FDP-Fraktion begrüßt und unterstützt die geplante Ansiedlung der Northvolt-Batteriezellenfabrik in Dithmarschen ausdrücklich. Unser Fraktionskollege Bernd Buchholz hatte diese Ansiedlung – zu Zeiten der Jamaika-Koalition – als Wirtschaftsminister des Landes ganz maßgeblich vorangetrieben. Und es war allen Beteiligten auch immer völlig klar, dass das Land ein solches Ansiedlungsprojekt – im Erfolgsfall – in einem nicht unerheblichen Maße wird bezuschussen müssen, da dies in solchen Fällen nun einmal üblich ist.
Ich kann natürlich verstehen, wenn viele Bürgerinnen und Bürger – gerade auch aus dem Mittelstand – gewisse Bauchschmerzen verspüren, wenn der Staat Milliarden an Steuergeldern ausschüttet, um einzelne Unternehmen anzusiedeln, wie es z.B. kürzlich in Sachsen-Anhalt und in Sachsen der Fall war. Ich denke aber auch, dass sich dieses Projekt davon – in gewisser Hinsicht – auch noch einmal ein Stück weit unterscheidet und dass wir als kleineres Bundesland die ökonomischen Realitäten in diesem Bereich auch anerkennen müssen.
Wie auch immer: Wir hoffen sehr, dass dieses Projekt gelingen und für die Westküste und für den Industriestandort Schleswig-Holstein zu einem großen Erfolg werden wird. Was das angeht, hat die Landesregierung unsere volle Unterstützung!
Damit verbunden ist allerdings auch die Erwartung, dass die Landesregierung alles Vertretbare dafür tun wird, dass diese Ansiedlung auch tatsächlich gelingen wird. Dazu zählen für uns nicht nur die notwendige Überzeugungsarbeit bei der EU-Kommission, sondern auch die verschiedenen begleitenden Infrastrukturmaßnahmen, die damit verbunden sein müssen.
Meine Damen und Herren! Also ein ganz klares Ja von uns zu dieser Unternehmensansiedlung, von denen wir übrigens noch mehr brauchen. Die von CDU, Grüne und auch SPD gewählte Form der Finanzierung des Landeszuschusses halten wir jedoch für falsch.
Wir werden der vorgeschlagenen Umwidmung des-Ukraine-Notkredits heute leider nicht unsere Zustimmung geben können, weil wir diese für nicht vereinbar mit unserer Landesverfassung halten. Die Schuldenbremse, die im Grundgesetz verankert ist und die wir hier auch gemeinsam in der Landesverfassung festgeschrieben haben, sieht aus guten Gründen Ausnahmen vor, um ,in außergewöhnlichen Notlagen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen‘, wie es dort heißt, handlungsfähig bleiben zu können.
Als vor rund eineinhalb Jahren russische Truppen völkerrechtswidrig in die Ukraine einmarschiert sind, war es richtig, dass wir fraktionsübergreifend eine außergewöhnliche Notlage ausgerufen und Kreditermächtigungen in Höhe von 400 Millionen Euro aus dem Corona-Notkredit umgewidmet haben.
Unser gemeinsames Ziel war es, mit diesen Mitteln schnell handeln zu können, um den zu uns geflohenen Menschen aus der Ukraine möglichst unbürokratisch Schutz und auch notwendige Betreuung bieten zu können. Das war dringend geboten und dazu stehen wir nach wie vor. Wir hatten aber Ende des letzten Jahres schon die Aufstockung des Ukraine-Notkredits ablehnen müssen, da hierbei bereits deutlich wurde, dass diese eine Milliarde Euro mindestens teilweise zur Aushebelung der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse dienen sollte. Stichwort „Förderprogramm für Balkonkraftwerke“, für das das Interesse bereits stark nachgelassen hat, wie wir heute Morgen lesen konnten.
Meine Damen und Herren!
Warum man im vergangenen Jahr einen Notkredit um eine Milliarde Euro aufstocken musste, wenn die Finanzministerin dann nur kurze Zeit später – wie zuvor schon von uns erwartet – einen strukturellen Überschuss von rund 920 Millionen Euro präsentiert und davon dann – Stand 30. Juni – auch erst rund 160 Millionen Euro abgeflossen sind, darauf bleibt uns die Regierung bisher leider eine überzeugende Antwort schuldig.
Wir hätten bekanntermaßen gegen diese massive Aufstockung des Ukraine-Notkredites geklagt, wenn wir es gekonnt hätten.
Dass Sie das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, das wir dazu in Auftrag gegeben hatten, nicht besonders beeindruckt hat, zeigen Sie mit dem nun vorliegenden Antrag und der geplanten Umwidmung des Sondervermögens: Die Northvolt-Ansiedlung stellt selbstverständlich keine Notlage dar, die sich der Kontrolle des Staates entziehen würde und sie steht auch nicht im direkten Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Die anderslautende Darstellung aus den Reihen der Koalition halten wir – sehr freundlich formuliert – für äußerst gewagt, auch weil die Ansiedlung ja bekanntermaßen bereits vorher längst geplant war. Oder wollen Sie mir erklären, wenn Russland nicht in die Ukraine einmarschiert wäre, dann hätten Sie die Ansiedlung nicht über einen Notkredit, sondern den regulären Haushalt finanziert? 
Sozialdemokraten und Grüne vertreten schon etwas länger die Ansicht, dass die Bekämpfung des Klimawandels eine außergewöhnliche Notsituation darstellen würde, die Ausnahmen von der gemeinsam beschlossenen Schuldenbremse rechtfertigen würden. Sie betrachten die Schuldenbremse nach meiner Wahrnehmung nicht mehr als notwendiges Instrument für mehr Generationengerechtigkeit, sondern eher als Hindernis bei der Umsetzung ihrer Wahlprogramme. Wir sehen den Klimaschutz und die Ansiedlung von Unternehmen hingegen als staatliche Daueraufgabe an. Diese Auffassung teilen wir unter anderem mit dem Landesrechnungshof. Auch die SSW-Fraktion, die der Erhöhung des Ukraine-Notkredits um eine Milliarde Euro ja noch zugestimmt hatte, sieht das ja ganz ähnlich wie wir. Und auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch hatte selbst noch bei verschiedenen Landtagsdebatten in den vergangenen Monaten mehr als deutlich klargestellt, dass sich der Klimaschutz nicht aus Notkrediten finanzieren lasse und hierfür auch ohne Notkredite bis zum Jahr 2040 „alle notwendigen politischen Gestaltungsmöglichkeiten“ zur Verfügung stünden.
Die CDU ist angesichts der Herausforderung durch das aktuelle Haushaltsdefizit nun aber leider dazu übergegangen, rot-grüne Finanzpolitik nach dem Vorbild von Bremen, Berlin und dem Saarland zu betreiben und vollzieht damit – entgegen der bisherigen Beteuerungen – leider einen ziemlich radikalen Kurswechsel in der Finanzpolitik, ohne dies jedoch zuzugeben. Grüne und SPD waren bei ihrem finanzpolitischen Kurswechsel ja immerhin ziemlich offen.
Das macht es verfassungsrechtlich nicht besser, ist aber politisch zumindest keine große Überraschung mehr. Der finanzpolitische Kurswechsel der CDU wird hingegen ohne Vorankündigung vorgenommen und droht für unser Bundesland ein Rückfall in alte Zeiten der Überschuldung zu werden.
Wir sehen mit Sorge, dass die Landesregierung ausgerechnet in Zeiten steigender Zinsen wieder Daueraufgaben über Kredite finanzieren will. Auch mit Blick auf die stark steigenden Pensionslasten werden die Spielräume im Landeshaushalt dadurch auf mittlere Sicht wieder deutlich kleiner werden und die Tragfähigkeit der Landesfinanzen auf Dauer gefährdet. Und wenn ich mir anschaue, wie Schwarz-Grün bisher so agiert, glaube ich nicht daran, dass diese Aktion eine Ausnahme bleiben wird.
Wir werden mit Sicherheit schon sehr bald sehen, dass weitere Notkredite in Anspruch genommen werden, um Daueraufgaben des Landes zu finanzieren. Ich fürchte, Sie öffnen hier finanzpolitisch endgültig wieder die Büchse der Pandora.
Die Schuldenbremse bzw. das Neuverschuldungsverbot ist jedoch kein Selbstzweck oder irgendein Fetisch der FDP: Es dient dazu, die staatliche Handlungsfähigkeit zu sichern, damit auch die Generation unserer Kinder später noch ein funktionierendes Gemeinwesen und Spielräume für demokratische Entscheidungen hat.
Zur Nachhaltigkeit gehört auch finanzpolitische Nachhaltigkeit. Altlasten haben wir da ja nun wirklich genug.
Meine Damen und Herren!
Weil ja jeder hier in diesem Hause ein Interesse daran haben sollte, dass dieses wichtige Ansiedlungssiedlung auch rechtssicher gefördert wird, hatten wir den Wissenschaftlichen Dienst auch gebeten, dieses Vorhaben verfassungsrechtlich zu beleuchten.
Das Ergebnis zeigt, dass sich ein Zusammenhang zwischen der geplanten Mittelverwendung und dem Krieg in der Ukraine allenfalls mittelbar herstellen lässt. Die bewirkte Förderung der Elektromobilität oder der Wirtschaftsförderung stehen nicht erkennbar im Zusammenhang mit der Bewältigung der Folgen des Krieges gegen die Ukraine. Die Ansiedlung einer Batteriezellenfabrik ist auch nicht dazu bestimmt, die benannte Notsituation zu überwinden.
Dass Sie den Zeitraum der Mittelverwendung auf 2029 verlängern, obwohl bereits der alte Zeitraum bis 2026 erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit aufwirft, macht leider deutlich, dass es Ihnen hier nicht um Rechtssicherheit geht, sondern um das Stopfen von Haushaltslöchern um jeden Preis.
Wir teilen ausdrücklich die Kritik des Landesrechnungshofes, der zu Recht bemängelt, dass Sie die Kredite jetzt schon aufnehmen wollen und somit ab jetzt auch schon Zinsen zahlen, obwohl noch gar keine Zahlungen fällig sind.
Kluge und solide Haushaltsführung sieht wirklich anders aus.
Meine Damen und Herren!
Sie betonen immer wieder, dass Sie unser Bundesland zum ersten klimaneutralen Industrieland machen wollen und dies bereits zum Jahr 2040. Diese Vision, die mittlerweile eigentlich das Einzige ist, was CDU und Grünen noch gemeinsam vertreten, ist inhaltlich nicht ansatzweise nachvollziehbar hinterlegt.
Um ein klimaneutrales Industrieland zu werden, braucht es mehr als nur die – verfassungsrechtlich fragwürdige – Bereitstellung von Finanzmitteln für ein einziges Industrieprojekt und die Bürgschaften für kommunale Wärmenetze, die wir übrigens richtig finden.
Erstens braucht es schlichtweg deutlich mehr Potenzialflächen (sehr gern auch durch Flächenrecycling), damit auch eine Art ,zweites Northvolt‘ und weitere Ansiedlungen überhaupt möglich sind.
Und ein Bundesland, das sich Industrieland nennen möchte, benötigt zweitens auch dringend ein angemessenes Verkehrsnetz. Dazu gehören auch die Elektrifizierung der Marschbahn bis nach Westerland, der sechsspurige Ausbau der A23 (schönen Gruß an den Bremsklotz Robert Habeck!) und der Weiterbau der A20.
Leider sehe ich da von dieser Landesregierung nur wenig Engagement.
Das ist einfach zu wenig.
Also, meine Damen und Herren!
Von uns ein klares Ja zu Northvolt! Und auch ein Ja zu möglichst vielen weiteren Ansiedlungen und der entsprechenden Infrastruktur! Aber ein Nein zum Aushebeln der Verfassung und zu einem Rückfall in die Zeiten der Überschuldung unseres Bundeslandes!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!“ Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort.



Christopher Vogt Vorsitzender


Kontakt: Till H. Lorenz, v.i.S.d.P. stv. Pressesprecher
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