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26.01.24
12:44 Uhr
SPD

Kai Dolgner zu TOP 16: Anlasslose Chatkontrollen sind ein freiheitsgefährdender Irrweg

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 26. Januar 2024
Kai Dolgner Anlasslose Chatkontrollen sind ein freiheitsgefährdender Irrweg TOP 16: Rechtsstaatlicher Schutz unserer Kinder im Netz statt Chatkontrolle (Drs. 20/1689)
„Es gab Zeiten in Europa, wo die Herrschenden die Korrespondenz Ihrer Untertanen in sogenannten Schwarzen Kammern öffnen und lesen ließen, um „schädliche Inhalte“ zu entdecken. Schon 1690 musste Joseph der I, um römisch deutscher König zu werden, garantieren, dass das anlasslose Öffnen unterbleibt und unter Auspeitschung und Landesverweis gestellt wird. Das Briefgeheimnis gehört zu den unabdingbaren garantierten Rechten von aufgeklärten konstitutionellen europäischen Staaten. Selbstverständlich war allen klar, dass man damit auch echte Verbrecher entwischen lässt. Das war mit dem Habeas Corpus, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, aber auch schon der Fall.
Eine Gesellschaft, in der nicht frei und unbeobachtet kommuniziert werden kann, ist keine freie Gesellschaft. Grundrechte sind Abwehrrechte gegenüber dem Staat und sollen die Menschen vor einen übergriffigen Staat, der dafür selbstverständlich immer gute Gründe anführt, schützen. Auch die Bedürfnisse der Strafverfolgung können in einer freien Gesellschaft nicht schrankenlos erfüllt werden.
Heute findet ein großer Teil der schriftlichen Korrespondenz per Chat statt. Das mögen Freunde der Handschrift, wie der Kollegen Vöge bedauern, entspricht aber der heutigen Wirklichkeit. Warum ist ein Chat weniger schützenswert als ein Brief? Ist es die physikalische Barriere des Umschlages? Da gibt es zwar spannende juristische Aufsätze, aber das schützenswerte Gut ist der private Inhalt und der geht - mit Verlaub – ohne Anlass und richterliche Überprüfung dem Staat nichts an. Was haben wir hier für Debatten über die Vorratsdatenspeicherung geführt? Da ging es wohlgemerkt „nur“ darum, wer mit wem, wann kommuniziert hat. Schon da hat der EuGH hohe Hürden gesetzt, z.B. das Berufsgeheimnisträger vorher ausgeschlossen sein müssen. Das ist aber bei Anlasslosigkeit denklogisch nicht realisierbar.
Wenn auch verschlüsselte Chats ohne Anlass kontrolliert werden sollen, dann ginge das letztlich nur durch die Schaffung von Backdoors. Es gibt gute Gründe, warum WhatsApp sich weigert solche Backdoors in China einzuführen. Andere Anbieter wären vielleicht nicht so standhaft.

1 Wie soll ein Anbieter solche, einmal geschaffenen Zugänge, denn autoritären Regimen verwehren, wenn sie doch da sind? Wer schützt diese Backdoors gegen staatliche oder kriminelle Hacker-Kommandos? Wer sagt uns denn, dass Überwachung eingesetzt werden würde, um Fälle sexueller Gewalt an Kinder zu finden? Von der Identifizierung von Demonstranten, ungeliebter politischer Inhalte, Suche nach Whistleblowern oder dem Unterdrücken queerer Inhalte ganz zu schweigen.
Erinnern Sie sich noch die Spionagesoftware Pegasus? Angeblich gegen Kriminelle und Terroristen entwickelt, wurde sie von mindestens zwei EU-Regierungen zur Überwachung von Journalisten und Oppositionellen missbraucht.
Das postulierte Ziel der EU-Kommission, die Kommunikation von hunderten von Millionen Menschen auf illegale Inhalte zu durchsuchen, ohne zu sehr in deren Privatsphäre einzugreifen dürfte so erfolgversprechend sein, wie ein Omelett zu machen ohne Eier zu zerschlagen. Ich möchte der schwarzgrünen Koalition für Ihren Antrag danken, in dem sie auch richtigerweise die wirkungsvollen Alternativen zum Schutz unserer Kinder vor sexueller Gewalt dargestellt haben. Es gab selten einen schwarzgrünen Antrag, dem wir so zustimmen können, wie diesem.“



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