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Martin Habersaat zu TOP 30,37+38: Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathekLANDTAGSREDE – 23. Mai 2025Martin Habersaat Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne TOP 30,37+38: Gemeinsame Beratung a) Neustart in der Bildungspolitik – den Rest der Legislatur im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler nutzen b) Verlässliche Planbarkeit beim Ganztag sicherstellen c) Gewaltvorfälle sicher erfassen"Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben." Hermann HesseSehr geehrte Frau Dr. Stenke, Sie haben zu Ihrem Amtsantritt gesagt, Sie sehen sich in der Tradition ihrer Vorgängerin. Und ich weiß, dass niemand in die CDU eintritt mit dem Ziel, die Welt zu verändern. Dennoch möchte ich Sie heute bitten, den Zauber des Neuanfangs zu nutzen, um in der schleswig-holsteinischen Bildungspolitik die Dinge künftig anders zu machen.Ich weiß, dass Sie sich in Ihrer beruflichen Karriere viel mit der Evaluation von Schule befasst haben. Deshalb will ich Sie heute morgen zu einer Evaluation von Bildungspolitik einladen. Lassen Sie uns gemeinsam Kennzahlen betrachten und Verbesserungspotentiale ausmachen.Der Unterrichtsausfall steigt. Der Anteil nicht planmäßig gegebener Stunden lag an den allgemeinbildenden Schulen im vergangenen Schuljahr bei nahezu 12 Prozent. Im Schuljahr 2016/17 waren es 9,5 Prozent - eine Steigerung von 26 Prozent. An den Berufsbildenden Schulen kommen wir von 7,2 Prozent im Schuljahr 2016/17 und sind im letzten Schuljahr bei 13,6 Prozent gewesen. Eine Erhöhung um 88 Prozent!Die Zahl der Schulabbrecher ist von 7,5 Prozent auf 11,4 Prozent gestiegen. Nebenbei wurde die Inklusion rückabgewickelt, die Exklusionsquote steigt.Der Abi-Schnitt in Schleswig-Holstein war 2017 besser als 2024. Gleichzeitig ist die Zahl der jungen Menschen gesunken, die ihr Abitur geschafft haben. 1 Die Zahl der Lehrkräfte ohne abgeschlossene Ausbildung steigt, inzwischen sind 12 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen gar keine ausgebildeten Lehrkräfte, an den Grundschulen 17,3 Prozent.Es gibt mehr Gewaltvorfälle an unseren Schulen.Das waren bislang alles Zahlen der Landesregierung oder Aussagen, die sich aus Zahlen der Landesregierung ableiten lassen. Ziehen wir den Focus jetzt etwas weiter auf:Die Befunde der jüngsten IGLU-Studie sowie der IQB-Bildungstrends 2021 und 2022 waren besonders für Schleswig-Holstein nicht erfreulich. Die jüngste PISA-Studie hat deutschlandweit Grund zur Sorge geliefert. Die Ergebnisse waren erschütternd, in den Fächern, aber eben auch im menschlichen Miteinander: Zwölf Prozent der 15-Jährigen fühlen sich in ihrer Schule einsam, 22 Prozent geben an, mit ihrem Leben nicht zufrieden zu sein, 21 Prozent sind eigenen Angaben zufolge mindestens ein paar Mal pro Monat Opfer von Mobbing.Es darf nicht sein, dass unsere Kinder sich an den Schulen nicht wohlfühlen, an denen sie nun einmal einen großen Teil ihres Tages verbringen. Wer in so einer Situation nur nach einer Stärkung der Basiskompetenzen ruft, verkennt, dass wir es mit jungen Menschen zu tun haben, die einen Anspruch auf ganzheitliche Bildung und Entwicklung haben. Aus der Pädagogik wissen wir zudem: gute Leistungen sind vor allem in einem positiven Lernklima möglich. Wir müssen über die Kultur des Zusammenlebens an unseren Schulen sprechen, über Schulsozialarbeit und über die Gestaltung guten Ganztags. Und zwar tatsächlich an jeder Schule und nicht abstrakt in Rahmenkonzepten. Es gibt zum Beispiel noch immer Schulen ohne Schulsozialarbeit in Schleswig-Holstein.Thema Schulbau: Wer im Land unterwegs ist und sich mit den Schulträgern unterhält, wird schnell feststellen, dass wir einen Investitionsbedarf in unsere Schulen haben, der eher über als unter zehn Milliarden Euro liegt. Gucken wir in die Heimatstadt unseres Ministerpräsidenten: Das Eckernförder Schulzentrum Süd muss teils saniert und teils neu gebaut werden. Für das Jungmann-Gymnasium und die Peter-Ustinov-Gemeinschaftsschule sollen 87,5 Millionen Euro fällig werden. Oder Ahrensburg, Heimatstadt des CDU-Fraktionsvorsitzenden: Die Kosten für ein neues Schulzentrum, Heimat des Eric-Kandel-Gymnasiums und der Gemeinschaftsschule am Heimgarten, werden auf rund 111 Millionen Euro geschätzt. Der CDU-Generalsekretär kommt aus Wentorf, wo sowohl das Gymnasium als auch die Gemeinschaftsschule abgängig sind. Die Liste ließe sich leicht fortsetzen, das wissen Sie alle aus Ihren Wahlkreisen.Neue Bedarfe sind durch neue politische Entscheidungen hinzugekommen. Ab 2026 gilt das Recht auf Ganztag an unseren Grundschulen. An allen Grundschulen. Gefördert wird bisher aber nur ein Bruchteil. Selbst Kommunen, die des Nächstens am Briefkasten der I-Bank vorstellig wurden um ihre Förderanträge rechtzeitig einzuwerfen, drohen leer auszugehen. Die Kommunalen Landesverbände drohen mit einer Klage mit dem Landesverfassungsgericht. Und 2 es darf doch auch nicht sein, dass wir sechsjährige den ganzen Tag in ihrem Klassenzimmer verbringen lassen, das 1970 mal für ganz andere Bedarfe gebaut wurde.Neue Bedarfe hat auch die Entscheidung der Günther-Regierung geschaffen, an den Gymnasien zum Abitur nach neun Jahren zurückzukehren. Bisher erhalten die Schulträger keine Unterstützung vom Land für die notwendigen Räume. Im Wesentlichen lautet das Argument: Die Schülerzahlen sind ja sowieso gestiegen. Aber da möchte ich zu einem kurzen Gedankenexperiment einladen: Würde ein Gymnasium ohne dreizehnten Jahrgang mehr oder weniger Räume benötigen als eines mit?Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag ein Musterraumkonzept für die Schulen angekündigt, das „neue Standards setzen“ sollte, indem „die Schulen von morgen als Lebens- und Arbeitsorte für alle dort Tätigen gedacht werden“, so dass „Aspekte wie ausreichend Platz für individuelles Lernen, innovative Lernkonzepte, Infektionsschutz, Digitalisierung, Pausenmöglichkeiten oder Lärmschutz genauso wie Arbeitsplätze für Lehrkräfte“ berücksichtigt werde. Donnerwetter, klingt richtig gut.Wenn es dieses Programm gäbe, und momentan scheinen wir davon leider noch weit entfernt zu sein, müsste man diese Schulen von morgen mit den Schulen von heute vergleichen und käme vermutlich noch zu ganz anderen Bedarfen. Die ja da sind und die sich niemand ausdenkt!Bleibt der Blick auf die Lehrkräfte: Momentan ist es die Marschrichtung dieser Regierung, in Zeiten steigender Schüler*innenzahlen die Zahl der Lehrkräfte zu reduzieren. Das tun Sie vor allem mit zwei Maßnahmen: Erstens werden Lerngruppen vergrößert, zum Beispiel in der Oberstufe, zum Beispiel im DaZ-Bereich. Zweitens wird die Zahl der zu unterrichtenden Stunden reduziert, an Gymnasien und mehr noch an Gemeinschaftsschulen.Ich habe schon oft beklagt, dass sie hier besonders bei denen kürzen, die mehr Unterstützung besonders nötig hätten. Deshalb will ich das heute nicht in eigenen Worten tun, sondern einen Mann zitieren, der nach Einschätzung des Ministerpräsidenten, die ich teile, eine herausragende Stimme aus der Wissenschaft ist und jemand, der sich mit sehr großem Engagement für ein besseres Bildungssystem und für gerechtere Bildungschancen einsetzt. Olaf Köller, der Direktor des Kieler Leibniz-Instituts für die Pädagogik von Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), sagte dazu:„Die Kürzung der Stundentafel in der Sekundarstufe I folgt natürlich keinem pädagogischen, didaktischen und lernpsychologischen Konzept, sondern ist allein dem Umstand geschuldet, dass Schleswig-Holstein das Wasser bis zum Hals steht.“Apropos bis zum Hals: Das Land ist auf viele Vertretungskräfte angewiesen, geht gleichzeitig aber schlecht mit ihnen um. Mit der Staatssekretärin Stenke habe ich in den vergangenen Jahren viele Einzelfälle besprochen, oft absurde. Wie die studierte DaZ-Lehrerin, die den ganzen Tag DaZ 3 unterrichtete und es nur befristet tun durfte, weil DaZ kein richtiges Fach sei. Da konnten wir helfen. Es gibt aber auch die Vertretungslehrerin, die ihren Vertrag nicht verlängert bekommt, weil sie schon zu viele Verträge hatte. Sie würde gerne an ihrer Schule bleiben und ihre Schule braucht sie händeringend. Sie darf aber nicht bleiben, weil sie sich dann vielleicht unbefristet in den Schuldienst klagen könnte. Allerdings: Die Frau ist 60 und eine gewisse Frist wäre absehbar…Als Lehrer hatte ich immer die Zuversicht, mit meiner Arbeit etwas für gesellschaftlichen Zusammenhalt und für Bildungsgerechtigkeit tun zu können. Als Vater verlange ich von mir und allen anderen Politiker*innen, diese Zuversicht nicht aufzugeben. Lassen Sie uns die Bildung unserer Kinder verbessern, lassen Sie uns ehrlich auf die Ausgangslage gucken und lassen Sie uns den Zauber des Neuanfangs nutzen!" 4