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24.07.25 , 11:07 Uhr
SPD

Marc Timmer: Die Landesregierung kriegt wesentliche Baustellen in der Justiz nicht in den Griff

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 24. Juli 2025
Marc Timmer Die Landesregierung kriegt wesentliche Baustellen in der Justiz nicht in den Griff TOP 15: Lage der Justiz in Schleswig-Holstein (Drs. 20/2980, 20/3276)
"Zunächst vielen Dank für die große Anfrage, Herr Dr. Buchholz. Da war ich zu spät. Aber natürlich ein besonderer Dank an das Justizministerium. Auf 144 Seiten haben wir umfangreiche Datensätze.
Ich sehe es auch als Bestätigung meiner Forderung im vorletzten Plenum nach einer Flaschenhalsanalyse und entsprechendem Aktionsplan für die Strafjustiz. Denn es ist augenscheinlich, dass insbesondere in diesem Bereich vieles im Argen liegt.
Insbesondere die Staatsanwaltschaft ist mit Blick auf PEBB§Y unterbesetzt und kann die hohe Zahl der Eingänge trotz einer herausragenden Arbeitsmoral nicht vollständig kompensieren. In den letzten beiden Jahren sind etwa 340 Tausend Fälle bei den Staatsanwaltschaften eingegangen. Die Zahl der unerledigten Fälle betrug im Jahr 2024 fast 34 Tausend Fälle, immerhin 10 Prozent. Kein Wunder, wenn 20 Prozent an Personal fehlen. Hinzu kommen noch unerledigte Altfälle.
Die Staatsanwaltschaften und die staatsanwaltlichen Dienste verharren seit dem Jahr 2016 mehr oder weniger gleichbleibend auf einem niedrigen Niveau von etwa 80 Prozent zu den tätigkeitshinterlegten erforderlichen 100 Prozent. Das Ziel von 100% wird also nach wie vor deutlich verfehlt. Das ist schlecht.
2027 soll eine neue PEBB§Y Erhebung durchgeführt werden. Da darf man gespannt sein. Angesichts neu hinzugekommener Aufgaben ist eher mit einer Zunahme der Unterdeckung im Vergleich zum PEBB§Y Soll zu rechnen.
Cyberkriminalität und Wirtschaftsstraftaten binden erhebliche Ressourcen. Deshalb habe ich in meiner Rede im vorletzten Plenum einen Ausbildungsschwerpunkt in diesen Bereichen gefordert.
Angesichts der Komplexität nimmt auch die Verfahrensdauer von Strafprozessen deutlich zu, insbesondere bei der Großen Wirtschaftsstrafkammer mit einem Spitzenwert im Jahr 2024 von 21,6 Monaten. Die Dauer der Verfahren vor der Großen Jugendkammer hat sich von 2023 bis

1 2024 fast verdoppelt. In beiden Fällen wurden deutlich mehr Verhandlungstagen abgehalten als in den Jahren zuvor. Ähnliches gilt für das Schwurgericht.
Eine Folge der langen Verfahrensdauer ist, dass in einer nicht unerheblichen Anzahl Straftaten verjähren, soweit dies aus der Erinnerung der Kammervorsitzenden überhaupt nachvollzogen werden konnte. Denn eine statistische Erfassung erfolgt nicht.
Eine Zunahme der Verhandlungstage bedeutet aber auch eine längere Bindung der Staatsanwaltschaften in einzelnen, komplexen Verfahren. Darüber hinaus hat der Verwaltungsaufwand zugenommen. Hier muss die Landesregierung aufpassen und sehen, wie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte entlastet werden können.
Die demografische Entwicklung wird den personellen Engpass weiter verstärken. Bis zum Jahr 2030 werden voraussichtlich 95 Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in den Ruhestand treten.
Unklar scheint, ob die Einführung der elektronischen Akte nun zu einer Arbeitsentlastung oder - belastungen führt. Gelesen habe ich heute, dass sie zu einer Mehrbelastung von 20% führt. Dies ist ein Skandal. Die Einführung der elektronischen Akte ist insgesamt eine große Baustelle, die die Landesregierung zügig in den Griff bekommen muss. Wenn Digitalisierung zum Zeitfresser wird, muss auf die dahinterliegenden Prozesse geschaut werden. Neulich sagte mir jemand: Ein scheiß Prozess digitalisiert, ist ein digitalisierter Scheißprozess. Nun gut.
Natürlich gibt auch die Landesregierung die Vorgabe aus, eine Besetzung vom 100 % PEBB§Y Soll im Bereich der Staatsanwaltschaft anzustreben. An dem festen politischen Willen habe ich jedoch angesichts ihrer Aussage in der großen Anfrage ernstliche Zweifel. Hier heißt es: „Um dieses Ziel bei den Staatsanwaltschaften zu erreichen, ist die Schaffung weiterer Stellen geplant, wobei deren Anzahl von den haushälterischen Möglichkeiten des Landes abhängt.“ Dies verheißt nichts Gutes. Eine funktionierende Justiz ist aber unabdingbare Voraussetzung für den Rechtsstaat. Dies muss die Landesregierung vollumfänglich sicherstellen. Deshalb darf es hier keine finanziellen Engpässe geben. Entweder ich sorge dafür, dass die Strafjustiz vollumfänglich funktionstüchtig ist oder ich sorge für eine abnehmende Zahl von Straftaten.
Die Antworten zur Juristenausbildung legen den Schluss nahe, dass junge Menschen überwiegend dort den Berufseinstieg wählen, wo sie studiert haben. Deshalb ist es so wichtig, junge Menschen bereits zum Studium der Rechtswissenschaften nach Schleswig-Holstein zu locken. Es ist davon auszugehen, dass die jüngsten Verschärfungen der Juristenausbildungsverordnung hier kontraproduktiv wirken. Eindeutig ist jedoch, dass die Mittel zur Nachwuchsförderung insgesamt deutlich zu gering angesetzt sind. Hier muss gegengesteuert werden.
Dann noch ein kurzer Blick auf die Bewährungshilfe. Etwa die Hälfte empfinden den Beruf zunehmend als belastend. Dies ist alarmierend und deckt sich in der Tendenz mit Aussagen von

2 Mitarbeitenden im Justizvollzugsdienst. Die Probanden sind schwieriger, unberechenbarer. Dies muss organisatorisch an einer Stelle aufgefangen werden. Die Verkleinerung der Arbeitsräume der Bewährungshelfenden in Flensburg, sowie die angestrebten Einsparmaßnahmen bei der Raumausstattung an anderen Standorten ist schon aus Gründen der persönlichen Sicherheit der Beschäftigten keine adäquate Maßnahme. Das muss dringend in den Blick genommen werden.
Schließen möchte ich mit etwas zumindest in Teilen Erfreuliches. Der Frauenanteil in der Richterschaft und bei den Staatsanwaltschaften ist stetig gestiegen. Im Jahr 2025 liegt er bei 57% in der Richterschaft und bei 61% bei der Staatsanwaltschaft.
Nachholbedarf scheint es bei den Besoldungsgruppen R2 und R3 zu geben. Hier geht es um mit dem Richteramt verbundene Leitungsaufgaben. Hier liegen die Männer noch vorne.
Es gäbe noch viel zu sagen. Es ist aber auffällig, dass die Landesregierung die Probleme in der Strafjustiz und mit der Einführung der elektronischen Akte nicht in den Griff bekommt. Stattdessen verheddert sie sich in sogenannten Gerichtsstrukturreformen, die für Schleswig- Holstein schlecht sind. Es ist schlicht der völlig falsche Schwerpunkt."



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