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24.07.25 , 11:36 Uhr
B 90/Grüne

Jan Kürschner zur Lage der Justiz

Presseinformation Nr. 25.207 24.07.2025
Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 15 – Lage der Justiz Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jan Kürschner:
Digitalisierung und Organisationsreformen sind Gebote der Stunde Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete,
wir stehen auf den Schultern von Riesen! Diese Metapher gilt besonders für die Rechtsprechung. Von den Gesetzestafeln Hammurabis bis zum Grundgesetz spannt sich ein Bogen jahrtausendelanger Rechtskultur. Rechtsprechung ist eine Kulturtechnik, ein zivilisatorischer Akt ersten Ranges, der Gewalt durch Recht ersetzt und so unsere Gesellschaft zusammenhält. Justitia mag blind sein beim Sprechen von Recht. Aber es ist die Sprache, in der wir Konflikte zivilisiert lösen, anstatt in Barbarei zu verfallen. Um es ins Bewusstsein zu rufen: Hinter jedem Urteil stehen Jahrhunderte des Denkens, der Entwicklung von Recht, ein kollektives Gedächtnis der Menschheit.
Dennoch machen Hass und Hetze auch vor den Gerichtssälen nicht Halt. Wenn die Hüter*innen des Rechts zum Ziel werden, ist nicht nur ihre persönliche Sicherheit, sondern auch die Autorität der Justiz in Gefahr. Wir müssen da unsere Justizangehörigen schützen. Denn wo Richter*innen eingeschüchtert werden, da gerät die Waage der Gerechtigkeit aus dem Gleichgewicht.
Gerichtsurteile mögen auch für die Legislative ärgerlich sein, wenn man sich auf der Verliererseite sieht. Wenn alles so klar wäre, wenn wir als Gesetzgeber alles bis ins letzte durchregeln könnten, gäbe es auch nichts zu entscheiden. Gerichte sind zum Entscheiden über gesellschaftliche Konflikte da, zu diesem Zweck haben wir sie eingerichtet. Keine*r kann sich beschweren, dass dann überhaupt entschieden wird.
Noch ein wichtiger Punkt: Normbefolgung ist wichtig, das schließt selbstverständlich die Exekutive ein. Unser Land darf von diesem Pfad nicht abweichen, sonst drohte eine ungewollte Erosion. Nun greife ich ein paar wichtige Punkte auf: Die Zahl der sogenannten Sicherungsverfahren nimmt zu, im letzten Jahr um über 25 Prozent gegenüber einem Höchststand im Vorjahr. Das sind jene Verfahren, in denen besonders gefährliche und zumindest in der Schuldfähigkeit eingeschränkte Beschuldigte durch Maßnahmen wie die Unterbringung in psychiatrischen Kliniken von der Allgemeinheit getrennt werden. Der Maßregelvollzug ist überbelegt. Die Gerichtsverfahren sind immer sehr anspruchsvoll und langwierig.
Die Zunahme solcher Sicherungsverfahren ist ein eindeutiger Indikator für den Anstieg psychischer Erkrankungen und die mangelhafte Versorgungsstrukturen, denen mit den Mitteln des Strafrechts allein nicht beizukommen ist. Hier gibts eine Schieflage. Besser wäre es, die Leute würden versorgt, bevor etwas schlimmes passiert.
In der Strafrechtspflege müssen wir für die Arbeitsweise und Kommunikation zwischen Polizei und Justiz neue Wege zur Beschleunigung finden. Recht, das zu spät kommt, verfehlt seinen Zweck. Zu lange Verfahrensdauern untergraben das Vertrauen der Bevölkerung – und zehren an den Nerven aller Beteiligten. Wenn Opfer jahrelang auf Gerechtigkeit warten oder Beschuldigte auf ihre Rehabilitierung, dann hat unser System sein Ziel verfehlt. Das muss schneller gehen und ginge bestimmt auch schneller.
Digitalisierung und Organisationsreformen sind hier keine Schlagworte, sondern Gebote der Stunde. Die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen steht unmittelbar bevor und muss konsequent vorangetrieben werden.
Vielleicht müssen wir mit der E-Akte unkonventionell eine zügige Kommunikation zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft einführen, vor allem, was den Umgang mit Bagatell- und Massenverfahren angeht. Da lässt sich viel am Ende allseits unnötig geleistete Arbeit sparen.
Und in der E-Akte für die gesamte Justiz schlummert noch ein ungehobenes Potenzial. Man hatte sich in der Vergangenheit einmal dafür entschieden, in den Arbeitsabläufen der E-Akte die bisherige analoge Papierrealität abzubilden, und zwar haarklein eins zu eins, um niemand zu überfordern. Da ist Raum für einen Gewinn von Effizienz und Beschleunigung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine robuste Grundlage – jene Schultern von Riesen, auf denen wir stehen – und vor allem unsere Justizangehörigen, die das können, was sie tun. Vielen Dank.
***
Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
T 0431 988 1503 M 0172 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de sh-gruene-fraktion.de

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