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Nelly Waldeck zum Bau-Turbo
Presseinformation Nr. 25.286 15.10.2025Es gilt das gesprochene Wort!TOP 8 – Bau-Turbo nutzen Dazu sagt die zuständige Abgeordnete der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Nelly Waldeck:Der Bau-Turbo schafft weder bezahlbaren Wohnraum, noch schafft er Wohnraum dort, wo er gebraucht wird Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,Wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, Familien, Alleinerziehende, Studierende – sie alle suchen verzweifelt Wohnraum, den sie sich leisten können. Und gleichzeitig haben wir mehr Einfamilienhäuser in Deutschland als Familien. Und die Wohnfläche pro Kopf steigt stetig. Genau deshalb müssen wir darüber sprechen, wie wir bauen, umbauen und Wohnraum verteilen – und nicht einfach nur alles schneller bauen.Der sogenannte Bau-Turbo, über den wir heute sprechen, tut genau das nicht. Er verkürzt die Verfahren für alle Bauten – statt zielgerichtet für die Bauten, die wir wirklich brauchen. Weder gibt es einen Fokus auf Gebiete, die wirklich Wohnraummangel haben, noch auf bezahlbaren Wohnraum. Im Gegenteil, mit dem Gesetzentwurf beschleunigen wir Flächenfraß und Zersiedelung und bürden dabei kleinen Kommunen immense Lasten auf.Ich erkläre gern warum: Im Prinzip ist der Bau-Turbo nichts weniger als ein großflächiges Experiment mit unserem Planungsrecht. Mit den Änderungen sollen Abweichungen von bestehenden Bebauungsplänen oder auch das Bauen ohne jeglichen Bebauungsplan möglich sein. Ein genehmigter Bauantrag reicht dann aus. Und der muss von der Gemeinde nach zwei Monaten final geprüft und beschieden sein. Für Umweltprüfungen sind ganze vier Wochen vorgesehen. In ganz komplexen Fällen mal sechs Wochen. Gutachten kann man in so einer Zeit nicht erstellen. Falls die Frist gerissen wird, gilt die Genehmigung. Wenn - und das ist eine spannende Bedingung - sich die Kommune überhaupt entscheidet, den Bau-Turbo anzuwenden. Ich bin gespannt, welche Kommune sich entscheidet, in vier Wochen Umweltprüfungen abgeschlossen zu haben und in zwei Monaten eine vollständige Baugenehmigung erteilt zu haben. Bereits jetzt mit der Genehmigungsfiktion existiert die Situation, dass Anträge oft einfach abgelehnt werden, eher als eine ungeprüfte Fiktion zu erteilen.Wenn die Kommune den Bau-Turbo allerdings anwendet, werden weitreichende Planungsgrundsätze ausgehebelt und Standards abgesenkt. Dann würde man ja denken: Immerhin wird das Problem mit dem Instrument so richtig angegangen. Aber selbst das ist nicht der Fall. Das Instrument schafft weder bezahlbaren Wohnraum noch schafft es Wohnraum dort, wo er gebraucht wird.Schauen wir uns doch mal an, wo uns wirklich Wohnraum fehlt. Dort, wo es bereits besiedelt ist. Und da liegen die Probleme nicht im B-Plan. Sie liegen in: explodierenden Grundstückspreisen, brachliegendem Bauland, immer weiter steigenden Baukosten und fehlenden Fachkräften.All diese Probleme löst der Bau-Turbo nicht. Im Gegenteil: Er vereinfacht das Bauen dort, wo es tatsächlich primär von der Genehmigung abhängt: Auf der Grünen Wiese - für Einfamilienhäuser. Von denen haben wir aber gar keinen Mangel.Ohne B-Plan bauen zu lassen, hat aber auf der anderen Seite ziemlich weitreichende Folgen: unkontrollierte Flächenversiegelung, neuer Preisdruck auf landwirtschaftlichen Flächen und zunehmende Bodenspekulation und Konflikte mit dem Lärmschutz. Und für Kommunen, die diesen Weg gehen: die Verkehrsanbindung und alle Ziele, wohnortnahe Versorgung zu sichern, werden konterkariert.Im Anhörungsverfahren wurde von diversen Expert*innen genau darauf hingewiesen. Nicht nur das, es wurden absolut sinnvolle Änderungsvorschläge gemacht: Die Beschränkung des Bau-Turbos auf die Bereiche, für die wir wirklich Lösungen brauchen, nämlich Orte mit Wohnraummangel und bezahlbaren Wohnraum. Dass man sich nicht mal darauf einigen kann, Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese auszunehmen, ist wirklich bitter. Im Gegenteil: Die sinnvolle Idee im Entwurf, den Bau- Turbo wenigstens auf Gebäude mit mindestens sechs Wohnungen zu beschränken, wurde noch gestrichen.Standardisierte Verfahren und dazugehörende digitale Schnittstellen, einheitliche Ansprechpersonen in der Verwaltung, frühzeitige Vollständigkeitsprüfung, da nach wie vor zu häufig unvollständige Anträge eingereicht werden, Parallelisierung der Prüfschritte. All das wären Schritte, die tatsächlich die Genehmigung beschleunigen, ohne die Verfahren zu streichen. Und was tatsächlich Erleichterungen braucht, sind Aufstockungen, Umbauten, Innenentwicklung und das Vorgehen gegen Leerstand.Deshalb sollten wir das Planungsrecht so ändern, dass es diese Aspekte auch erleichtert. Durch Bauverpflichtung, Umbaugebote, Abrissverbote. Und einige Lösungen haben wir auch bereits umgesetzt: Wir unterstützen, dass einfacher gebaut wird und unnötige Standards abgesenkt werden. Denn Vereinfachung kann dann sinnvoll sein, wenn sie Baukosten senkt und Klimaschutz stärkt.Wir gehen mit dem Wohnraumschutzgesetz gegen Leerstand vor. Etwa zwei Millionen Wohnungen stehen aktuell leer. Mehr als die Hälfte davon seit über einem Jahr. Hier können wir kurzfristig mehr Wohnraum schaffen. Und schließlich müssen wir die Anreize richtig setzen: Die aktuelle Honorarordnung für Architekten und Ingenieure belohnt Neubau im Vergleich zum Umbau. Das ist veraltet.Und ja, wir brauchen auch mehr Effizienz im Verfahren – aber dann schauen wir uns doch gemeinsam das Planrecht an und machen durchdachte Vorschläge, statt einfach zu sagen: Nun setzen wir die gemeinsam beschlossenen Grundsätze mal fünf Jahre außer Kraft und schauen was passiert. Toi toi toi.***Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 KielT 0431 988 1503 M 0172 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de sh-gruene-fraktion.de