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16.10.25 , 12:45 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zur Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein

Presseinformation Nr. 25.291 16.10.2025
Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 6 + 20 – Situation der Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein Dazu sagt die Sprecherin für Menschen mit Behinderung der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Eka von Kalben:
Teilhabe ist der Kern sozialer Nachhaltigkeit Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die Eingliederungshilfe ist einer der zentralen Schlüssel, um das Versprechen aus der UN-Behindertenrechtskonvention einzulösen und daraus stellt sich die Frage: Wie schaffen wir echte Teilhabe in einer Gesellschaft, die älter, diverser und komplexer wird? Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Bericht. Sie haben betont, dass trotz steigender Kosten die Qualität nicht sinken darf und Sie haben Wege aufgezeigt, wie das gelingen kann: zum Beispiel durch mehr Vermittlung in Arbeit, durch Abbau von Verwaltungskosten und durch intelligentes Pooling bei der Schulbegleitung. Das sind richtige und wichtige Schritte und sie gehen nicht zu Lasten der Menschen mit Behinderung. Meine Damen und Herren, viel wird über die Kosten der Eingliederungshilfe gesprochen. Auch auf kommunaler Ebene. Aber ich möchte einen Punkt anbringen, der mir angesichts der Debatten um die Kosten deutlich sagen: Es ist nicht nur das Geld, das Menschen die Teilhabe ermöglicht, sondern es sind auch und ganz besonders die Menschen. Ohne Fachkräfte die mit Herz, Kompetenz und Zeit arbeiten können, nützen uns die besten Strukturen wenig. Und deshalb müssen wir immer wieder darauf hinweisen, dass der Fachkräftemangel auch eine entscheidende Herausforderung ist. Wir müssen die Arbeit in der Eingliederungshilfe attraktiver machen, mit fairer Bezahlung, weniger Bürokratie, echter Wertschätzung und der Integration von Migrant*innen, die Ministerin hat gestern darauf hingewiesen, in der Pflegedebatte. Denn Fachkräfte zu finden und zu halten, ist die zentrale Gelingensbedingung für gute Teilhabe. Und natürlich kostet das auch. Ein weiterer entscheidender Punkt, den ich betonen möchte, ist die Frage der Zuständigkeiten. Wenn wir wirklich vorankommen wollen und uns gut für die Zukunft aufstellen wollen, ist die Frage der Ebenen. Es gibt verschiedene Gesetzbücher, Herr Garg hat gestern darauf hingewiesen, aber auch ein verwirrendes Finanzierungssystem und alle Ebenen zeigen mit dem Finger aufeinander. Die Kommunen auf das Land, das Land auf dem Bund. Nur die EU ist mehr oder weniger außen vor. Dieses schwarze Peter Spiel ist nicht zuletzt für diejenigen, die die Hilfe bekommen sollen, unzumutbar. Es ist teuer und ineffizient, weil es Verantwortlichkeiten hin und her schiebt. Ja, der Bund muss das Bundesteilhabegesetz reformieren, endlich konsequent personenzentriert, mit klareren Zuständigkeiten und echter Entlastung für die Leistungsträger*innen. Es soll nicht mehr um „Eingliederung“ von Menschen gehen, sie sollen Teil unserer Gesellschaft sein, von Anfang an. Es geht um Teilhabe und da gilt: Teilhabe darf nicht an Paragrafen oder Zuständigkeitsgrenzen scheitern. Und ja, das Land muss dafür sorgen, dass Strukturen vor Ort verlässlich sind, dass die Qualität von Schulbegleitung, Assistenz, Übergänge und Schnittstellen nicht vom Wohnort abhängen. Und wir müssen den Mut haben, neue Modelle zu erproben. Wie wäre es, wenn wir es wagen würden, mit Budgets, statt mit kleinteiligen Abrechnungen zu arbeiten? Die Kommunen brauchen Spielräume, aber auch den Willen, sie zu nutzen. Wer nur auf Kostendruck reagiert, riskiert Stillstand. Und Stillstand können wir uns nicht leisten. Auch die Träger sind gefragt: verlässliche Arbeitsbedingungen, echte Mitbestimmung, Innovation bei Assistenz- und Wohnformen. All das kann anstrengend sein, weil Neues auch mal schief gehen kann und die Fehlerkultur in unserem Land ausbaufähig ist. Aber ich sage auch: Wenn alle an ihren eingefahrenen Punkten festhalten, der Bund, das Land, die Kommunen, die Träger, dann wird sich nichts ändern. Und dann diskutieren wir jedes Jahr über Kostendruck statt über Teilhabe. Wenn Schulen von vornherein so ausgestattet sind, dass Kinder mit ihren Eigenheiten und Bedarfen dort gut lernen können, dann brauchen wir weniger nachträgliche Begleitungen und Notlösungen. Dann wird Inklusion selbstverständlich, nicht kompliziert. Das spart Ressourcen, vor allem aber stärkt es die Kinder. Und kann damit langfristig auch Hilfen zur Eingliederung sogar vermeiden. Wenn Werkstätten sich zu echten Inklusionsbetrieben entwickeln können, weil wir als Gesellschaft bereit sind, die dort hergestellten Produkte fair zu bezahlen, dann entsteht Teilhabe auf Augenhöhe, nicht als Fürsorge, sondern als wirtschaftliche Realität. Auch das ist Teilhabe, dass Arbeit wertgeschätzt und angemessen entlohnt wird, unabhängig davon, ob jemand Unterstützung braucht. Meine Damen und Herren, gerade in einer älter werdenden Gesellschaft wird Teilhabe zu einer immer größeren Herausforderung und zu einer immer wichtigeren Aufgabe. Teilhabe ist kein Randthema. Sie ist Kern sozialer Nachhaltigkeit. Sie bedeutet, dass Menschen mit und ohne Behinderung selbstverständlich zusammenleben, lernen und arbeiten. Sie bedeutet Selbstbestimmung statt Verwaltung. Und sie bedeutet, die Perspektive der Betroffenen wirklich ernst zu nehmen. Menschen sind nicht behindert – sie werden behindert. Und unsere Aufgabe als Politik ist es, genau diese Barrieren zu beseitigen, Schritt für Schritt. Die Eingliederungshilfe ist kein technischer Haushaltsposten. Sie ist Ausdruck unserer Haltung: Wieviel Teilhabe wollen wir ermöglichen? Wieviel Vielfalt halten wir aus? Wie ernst nehmen wir die Rechte der Menschen, um die es hier geht? Und in dem Zusammenhang eine Bitte an Sie, Frau Ministerin, und ich weiß, dass Sie diese Aufforderung eigentlich nicht brauchen. Nehmen sie die Menschen ernst, die es betrifft. Sprechen Sie mit den Menschen, die Eingliederungshilfe erhalten. Ihre Expertise und ihre Erfahrungen sind unverzichtbar, sie können wertvolle Impulse geben. Für eine zukunftsfähige Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein. Vielen Dank! ***
Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
T 0431 988 1503 M 0172 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de sh-gruene-fraktion.de

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