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Niclas Dürbrook zu TOP 11: Unsere Leitlinie: So viel Sicherheit wie möglich, so wenig Eingriff wie nötig
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathekLANDTAGSREDE – 19.November 2025Niclas Dürbrook Unsere Leitlinie: So viel Sicherheit wie möglich, so wenig Eingriff wie nötig TOP 11: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verfassungsschutzes im Lande Schleswig- Holstein (Drs. 20/3754)Eine Reform des Verfassungsschutzgesetzes war überfällig. Das ist nicht nur bei uns zu beobachten. Niedersachsen und Hessen sind bereits im Verfahren, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben ihre neuen Gesetze gerade verabschiedet, andere Bundesländer haben ihre Gesetze bereits in den vergangenen Jahren überarbeitet. Jetzt sind auch Sie nach jahrelanger koalitionsinterner Vorarbeit soweit- das ist gut. Das Bundesverfassungsgericht hat in den vergangenen Jahren klarere Vorgaben für die Verfassungsschutzbehörden gemacht. Aber der Anpassungsdruck kommt nicht nur von dort – er kommt auch von der veränderten Sicherheitslage. Eine Sicherheitslage, zu der Desinformation, hybride Bedrohungen und gezielte Einflussnahme aus dem Ausland gehören. Zu der Rechtsextreme gehören, die im engen Austausch, teilweise in einer Ko- Existenz mit einer Partei sind, die im Bundestag die zweitstärkste Fraktion stellt. Eine Sicherheitslage, bei auch Islamisten, Delegtimierer oder andere Extremisten ihren Teil beitragen. Und deren gemeinsames Ziel es ist, unser demokratisches Fundament zu untergraben. Darum teilen wir das Ziel: Die gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Verfassungsschutzes im Land braucht ein Update. Das ist alles andere als eine Routineaufgabe, wie sich schon daran ablesen lässt, wie lange die letzte grundsätzliche Überarbeitung zurückliegt. Die alles überwiegende Mehrheit der Menschen in Schleswig-Holstein wird mit dem Verfassungsschutz nie in ihrem Leben zu tun haben. Das bleibt auch weiterhin so. Aber trotzdem ist die Frage, die sich uns bei diesem Gesetz stellt, natürlich von grundsätzlicher Bedeutung: Wie gelingt so viel Sicherheit wie möglich – mit so wenig Eingriff in die Freiheit wie nötig? 1 Ich freue mich, dass auf dem Weg von der Unterrichtung hin zum Gesetzentwurf bereits der eine oder andere Hinweis auch aus der Opposition seinen Platz gefunden hat. Das ist ein gutes Zeichen für die weitere Arbeit am Gesetzentwurf. Unsere Fraktion hat ein großes Interesse, dass am Ende eine möglichst breite Mehrheit in diesem Haus hinter der Neufassung steht. Dieses Gesetz sollte nach der Landtagswahl 2027 nicht direkt in die nächste Überarbeitung gegeben werden müssen. Und ich fände das auch wichtig vor dem Hintergrund der Angriffe und Vorwürfe, denen sich die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern aus einer ganz bestimmten Richtung fortwährend ausgesetzt sehen. Der Gesetzentwurf bringt nicht nur erheblich mehr Umfang mit sich, sondern auch eine Reihe zentraler Änderungen. Der Wegfall der Aggressionsklausel ist aus meiner Sicht die bedeutendste. Für uns als Sozialdemokraten ist das kein einfacher Punkt, weil die bisherige Beschränkung ihre Begründung hatte. Aber unstrittig kommt die Bedrohung für unsere Demokratie nicht nur von Seiten derjenigen, die aktiv-kämpferisch gegen unsere Grundordnung agieren. Und deswegen ist es richtig, eine Anpassung vorzunehmen, die es leichter macht, frühzeitiger von einer Eskalation in die Beobachtung gehen zu können. Und es ist auch richtig, den Fokus stärker auf Einzelpersonen zu richten – auf jene, die durch ihr Verhalten oder ihre Vernetzung gefährlich werden können, auch wenn sie keiner Organisation angehören. Der digitale Raum ermöglicht eine Radikalisierung aus dem Schlaf- oder manchmal sogar Kinderzimmer heraus, die vor dreißig Jahren undenkbar gewesen wäre. Wir wollen einen starken Verfassungsschutz – aber gerade deshalb braucht es umso mehr eine starke Kontrolle. Wer einem Nachrichtendienst zusätzliche Befugnisse gibt, muss sicherstellen, dass er effektiv kontrolliert wird. Das ist keine Nebensache, das ist ein demokratisches Grundprinzip. Diese Kontrolle nimmt das Parlamentarische Kontrollgremium wahr, dessen Rolle im Entwurf klarer benannt wird. In der Anhörung werden wir uns noch einmal mit den Auskunftsrechten beschäftigen wollen – grade auch vor dem Hintergrund möglicher Konflikte zwischen Landesregierung und Abgeordneten über die Verweigerung von Auskünften. Und auch mit Blick auf die demokratische Resilienz unserer Gremien sollte uns dieser Abschnitt eine ausführliche Beschäftigung wert sein. Änderungen gibt es auch mit Blick auf den konkreten Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel: Verdeckte Mitarbeiter, V-Leute, Wohnraumüberwachung. Ziel des Entwurfes ist es, hier mehr Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Das unterstützen wir ausdrücklich. Aber auch hier sind wir gespannt auf die Anhörung. Was genau ist der Anwendungsfall für eine Wohnraumüberwachung, die ja auch weiterhin nur in absoluten Ausnahmefällen vom Verfassungsschutz eingesetzt werden – nämlich dann, wenn die Polizei nicht rechtzeitig handeln kann. 2 Uns beschäftigt auch: Wie wird der Richtervorbehalt für zentrale Maßnahmen – den wir im Grundsatz positiv sehen – in der Praxis ausgestaltet? Wir haben ein sehr hohes Vertrauen in unsere Justiz und gleichzeitig wissen wir um die Herausforderungen, wenn hochkomplexe Vorgänge in kürzester Zeit und unter den besonderen Erfordernissen des Geheimschutzes bewertet werden müssen – das darf am Ende nicht nur eine zusätzliche Aufgabe für einen Bereitschaftsrichter sein, der vielleicht nur einmal in seinem Berufsleben so eine Entscheidung zu treffen hat. Angesichts der Eingriffstiefe ist hier ein hohes Maß an Einarbeitung und Expertise gefragt. Wir sind gespannt auf ihr Konzept und den Austausch mit dem Justizministerium zu dieser Frage. Das neue Gesetz sieht in Ausnahmefällen die Speicherung von Daten von unter 14-Jährigen vor. Ich finde den Gedanken nachvollziehbar – in der Tat beginnt Radikalisierung heute leider viel zu früh. Wenn man überlegt, wir scharf die Diskussion über diesen Punkt noch vor wenigen Jahren vermutlich gewesen wäre, zeigt das leider anschaulich, wie sich unsere Sicherheitslage verändert hat. Der Druck auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist hoch. Die Zahl politisch motivierter Straftaten steigt, die Sprache wird härter, die Grenzen des Sagbaren verschieben sich. Und viel zu oft werden Worte zu Taten. Diese Entwicklung müssen wir ernst nehmen. Und dem Verfassungsschutz kommt dabei eine ganz entscheidende Rolle als Frühwarnsystem zu. Wenn man Freiheit und Sicherheit abwägt kommen wir bei der Bewertung des Entwurfes vorläufig zu einer positiven Einschätzung. Das liegt auch daran, dass sie im Vergleich zu ihrem schwarz-grünen Pendents in Nordrhein-Westfalen auf einiges verzichtet haben, dass uns große Bauchschmerzen breitet hätte. Ich glaube – stand jetzt: Diese Reform kann ein Beitrag zum Selbstschutz unserer Demokratie sein. Wir sind gespannt auf die Anhörung. 3