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Jasper Balke zu Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Pflegeverantwortung
Presseinformation Nr. 25.315 19.11.2025Es gilt das gesprochene Wort!TOP 21 – Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Pflegeverantwortung in Schleswig-Holstein unterstützen und vor Überforderung schützen Dazu sagt der pflegepolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jasper Balke: Pflegearbeit und Pflege darf nicht auf dem Rücken der Jüngsten ausgetragen werden Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,wenn wir über Young Carers sprechen, dann reden wir über junge Menschen, die Angehörige pflegen und dabei oft unsichtbar bleiben. Eine umfangreiche Studie mit mehr als 6.000 Schüler*innen in Nordrhein-Westfalen hat gezeigt: 6,1 Prozent der Befragten übernehmen zu Hause regelmäßig Pflege- oder Unterstützungsaufgaben für ein erkranktes oder beeinträchtigtes Familienmitglied. Das bedeutet: In fast jeder Klasse sitzt mindestens ein Kind oder Jugendliche*r, der zusätzlich zur Schule eine Pflegerolle trägt.Für Schleswig-Holstein gibt es bislang keine eigene, belastbare Datengrundlage. Wenn man die vorliegenden Prävalenzschätzungen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern vorsichtig auf unser Bundesland überträgt, muss man aber davon ausgehen, dass mehrere zehntausend junge Menschen betroffen sein könnten, ungefähr fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen. Schon das zeigt: Wir reden nicht über Einzelfälle, sondern über eine relevante Gruppe, die wir auch in der öffentlichen Debatte bislang kaum systematisch im Blick hatten. Umso mehr freut es mich, dass aktuell an der EUF ein Forschungsprojekt zu genau dem Thema läuft - ich wurde im Vorwege unserer Debatte aus Flensburg darauf hingewiesen – „EduCarePaths – YoungCarers in Bildungskontexten“, die Studie läuft noch bis zum 01. Februar 2027 und ich bin echt gespannt auf die Ergebnisse.Doch obwohl manche Ergebnisse noch erhoben werden müssen, so ist wissenschaftlich völlig evident, dass die psychische Belastung dieser jungen Menschen wirklich enorm und auch in der internationalen Forschung sehr gut dokumentiert ist. Systematische Übersichtsarbeiten und große Studien zeigen übereinstimmend, dass Young Carers im Durchschnitt deutlich häufiger unter Stresssymptomen, depressiven Verstimmungen und Angststörungen leiden als Gleichaltrige ohne Pflegeverantwortung. Sie leben oft in einer dauerhaften Anspannung, weil sie Verantwortung tragen, medizinische Situationen mitbeurteilen, emotionale Krisen abfangen und dabei gleichzeitig funktionieren sollen – in der Schule, in der Ausbildung, im Freundeskreis. Viele von ihnen sehen das nicht als „Pflegearbeit“, sondern einfach als Pflicht in der Familie. Und genau diese Unsichtbarkeit macht es so schwer, rechtzeitig zu unterstützen.Deshalb ist ein stärkeres gesamtgesellschaftliches Bewusstsein kein „nice to have“, sondern Grundvoraussetzung für wirksame Hilfe. Wenn Schulen, Ärzt*innen, Jugendhilfe, Nachbarschaft und auch wir in der Politik nicht wissen, dass es Young Carers und Young Adult Carers gibt und wie verbreitet sie sind, dann erkennen wir sie nicht. Und wer sie nicht erkennt, kann weder entlasten noch schützen.Unser gemeinsamer Antrag setzt an genau diesen Punkten an: Wir wollen eine valide Bestandsaufnahme für Schleswig-Holstein, damit wir Zahlen statt nur Vermutungen haben. Wir wollen das Bildungssystem systematisch einbinden, damit Lehrkräfte und Schulsozialarbeit Belastungssignale früh wahrnehmen und angemessen reagieren können. Und wir wollen diese auf sämtlichen Ebenen, ob in unserem Maßnahmenpaket Pflege, den anstehenden Beratungen zwischen Bund und Ländern in Arbeitsgruppen oder Fachminister*innenkonferenzen berücksichtigt sehen.Liebe Kolleg*innen, Young Carers machen zugleich ein strukturelles Problem sichtbar: die Überlastung der pflegenden Angehörigen insgesamt. In Deutschland wurden im Jahr 2021 rund 84 Prozent der knapp fünf Millionen pflegebedürftigen Menschen zu Hause versorgt, meistens durch Angehörige, teilweise mit Unterstützung ambulanter Dienste. Aktuelle Befragungsdaten zeigen, dass pflegende Angehörige im Durchschnitt etwa 49 Stunden pro Woche mit Pflegeaufgaben verbringen. Das ist eine zusätzliche Vollzeitstelle mit entsprechenden Folgen für Gesundheit, Erwerbstätigkeit und Familienleben. In diesen Familien tragen Kinder und Jugendliche diese oft mit, ob offiziell so benannt oder nicht.Deshalb reicht es nicht, nur über einzelne Entlastungsangebote zu sprechen. Wir brauchen eine Pflegepolitik, die pflegende Angehörige als zentrale Säule des Systems anerkennt und entsprechend unterstützt: mit gut erreichbarer Beratung, mit echter Prävention und mit Regeln, die es ermöglichen, Schule, Ausbildung oder Studium mit Pflegeverantwortung zu vereinbaren.Wenn wir Young Carers in den Blick nehmen, dann schützen wir die psychische Gesundheit junger Menschen, wir sichern Bildungs- und Teilhabechancen und wir stärken das Pflegesystem insgesamt. Mit diesem Antrag machen wir die Betroffenen sichtbarer, schaffen die Grundlage für gezielte Unterstützung und senden ein klares Signal: Pflegearbeit und Pflege generell darf nicht auf dem Rücken der Jüngsten ausgetragen werden.Vielen Dank.*** Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 KielT 0431 988 1503 M 0172 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de sh-gruene-fraktion.de