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19.11.25 , 15:56 Uhr
SPD

Birte Pauls zu TOP 21: Wir dürfen „Young Carers“ mit ihrer Verantwortung nicht alleine lassen

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 19.November.2025
Birte Pauls Wir dürfen „Young Carers“ mit ihrer Verantwortung nicht alleine lassen TOP 21: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Pflegeverantwortung in Schleswig- Holstein unterstützen und vor Überforderung schützen (Drs. 20/3755)
Marie ist 14 Jahre alt. Ihr Mutter leidet nach einer Covid-Infektion vor 3 Jahren an den typischen Symptomen von ME/CFS. Sie ist schwach, erträgt kein Licht und keinen Lärm und liegt eigentlich nur im abgedunkelten Schlafzimmer. Eine Unterstützung durch einen Pflegedienst gibt es nicht, da die Mutter keinen Pflegegrad zugesprochen bekommen hat.
Der Vater hilft seiner Frau morgens bevor er zur Arbeit gehen muss. Geld ist nicht viel da, die Mutter ist zwischenzeitlich im Arbeitslosengeld 1 Bezug und bekommt 67% vom Teilzeitgehalt einer Frisörin. Hilfe kann also nicht zugekauft werden. Die Verwandtschaft wohnt weit weg. Und den Rest regelt Marie. Sie kauft ein, wäscht, macht sauber und hilft ihrer Mutter, wo sie nur kann. In der Schule haben sich ihre Noten verschlechtert. Sie ist oft unkonzentriert, weil sie sich Sorgen macht.
Freundinnen kann sie nicht mit nach Hause bringen, das Haus ist sehr hellhörig. Ihr liebstes Hobby, das Reiten, musste sie aufgeben, weil das Geld dafür nicht mehr da ist und sie zu viele Stunden weg wäre.
Neben den ständigen Sorgen um ihre Mutter und den ganzen Aufgaben drehen ihre Hormone frei, sie ist 14 und damit mitten in der Pubertät. Marie habe ich mir ausgedacht. Aber ihre Geschichte findet so oder so ähnlich statt. Laut einer Studie der Universität Witten-Herdecke unterstützen oder pflegen ca. 480.000 Kinder und Jugendliche deutschlandweit regelmäßig ihre Eltern oder Angehörige mit Erkrankungen, Behinderungen oder auch Süchten.


1 In Schleswig-Holstein leben ca. 15.900 Kinder, die zu Hause pflegen, und ca. 143.400 Kinder mit kranken Angehörigen.
Bezogen alleine auf den Kreis Schleswig-Flensburg sind das ca. 1100 Kinder, die pflegen, und 9830 Kinder mit erkrankten Angehörigen. Wir haben diese Kinder überhaupt nicht im Fokus, sie sind nicht sichtbar. Denn „Young Carers“, wie sie genannt werden, reden nicht gerne über ihre Situation, weil sie Angst vor Konsequenzen haben. Wahrscheinlich ist die Dunkelziffer noch höher. Hinter jeder Zahl steckt ja der Alltag eines Kindes oder eines Jugendlichen. Ein Alltag, der gravierenden Auswirkungen auf ihre Zukunft haben kann. Leistungsabfall in der Schule, die fehlende Gemeinsamkeit mit Gleichaltrigen, fehlende Hobbys und die ständige Sorge um die zu betreuenden Familienangehörigen hinterlassen Spuren in einer Kinderseele und ihrer Entwicklung. Laut den UN- Kinderrechtskonvention haben Kinder das Recht auf Schutz, Förderung und Beteiligung. Dazu gehören das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung, Bildung, Gesundheit, Spiel und Freizeit sowie auf Schutz vor Ausbeutung und Gewalt.

Diese Kinderrechte gehören endlich auch ins Grundgesetz, dann fällt es uns vielleicht leichter entsprechende Schritte einzuleiten. Es ist unsere politische Verpflichtung, Kinder und Jugendliche vor Be- und Überlastung zu schützen und ihnen individuelle Förderung zu bieten. Es ist wirklich ein gutes Signal, dass wir zu einem fraktionsübergreifenden Antrag gekommen sind. Wir haben im gemeinsamen Antrag eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die die Situation von pflegenden Kindern in den Fokus rücken soll, aber auch ganz konkrete Maßnahmen, wie man den Alltag der pflegenden Kinder unterstützen sollte. Wir erwarten allerdings auch, dass die Landesregierung diese Punkte nicht nur im Blick hat, sondern sie auch konkret umsetzt, wenn wir das hier so beschließen.
Dazu gehört u.a. - Die Sensibilisierung im Bildungssystem. Statistisch gesehen, sitzt in jeder Klasse ein Schüler mit Pflegeverantwortung - der Ausbau von Entlastungsangeboten und damit mehr selbstbestimmte Zeit - die Erhöhung der Altersgrenze für den Anspruch auf eine Haushaltshilfe auf 16 statt wie jetzt auf 12 Jahre - die Möglichkeit zur Lockerung der Regelstudienzeit



2 Aber ganz wichtig ist auch der Austausch. Deshalb ist es gut, dass es seit Februar dieses Jahres ein regelmäßiges online-Treffen für und mit jungen Pflegenden gibt. Noch viel wichtiger ist es natürlich, dass Hilfe da ist, wenn Hilfe benötigt wird und Familien nicht alleine gelassen werden.
Lassen wir die Kinder und Jugendliche nicht alleine mit ihrer riesigen Verantwortung und machen wir das, wozu wir verpflichtet sind: Kinder und Jugendliche zu schützen!



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