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21.11.25 , 11:55 Uhr
B 90/Grüne

Lasse Petersdotter zur Stadtbild-Debatte

Presseinformation Nr. 25.329 21.11.2025
Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 33 – Nach der Stadtbild-Diskussion: Es braucht geeignete Lösungen Dazu sagt der Vorsitzende der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Lasse Petersdotter:
Friedrich Merz hat keine Ahnung von „unbequemen Wahrheiten“ Sehr geehrte Damen und Herren,
wer den Kreis der Empörung durchbrechen will, muss selbst ein stärkerer Teil der Lösung sein, als es die CDU auf Bundesebene in der Vergangenheit war. Wenn ich auf die Zeit der Ampel-Regierung zurückblicke, war die Union selten die ausgleichende Kraft, die zur Besonnenheit gemahnt hat. Es ist zu einfach, die Empörung der anderen über sich selbst zu kritisieren, bevor man sie nicht auch bei sich selbst überwunden hat. Das gilt auch als Selbstkritik für uns Grüne, man ist gut beraten, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Die aktuelle Debatte ist fast schon wieder von der Realität überholt. Eigentlich müssten wir bereits über das nächste Fehlverhalten von Friedrich Merz sprechen: Sein Auftreten in Brasilien. Dass die Berichterstattung dort so ausfällt, wie sie es derzeit tut, ist für Deutschland ein Problem. Bei dem Treffen in Belém ging es nicht um hübsche Kulissen, sondern um harten Klimaschutz. Ich hatte gehofft, wir hätten einen Kanzler, der sich bravourös auf dem internationalen Parkett bewegt. Stattdessen erleben wir Unfreundlichkeit, Unhöflichkeit und das Auftreten eines schlechten Gastes. Das steht Deutschland nicht gut zu Gesicht, gerade wenn man über Abkommen wie Mercosur verhandeln will. Hier wird der Ton verfehlt.
Und den Ton zu verfehlen, das ist auch der Kern der Debatte um die „Stadtbild“- Äußerung. Diese inszenierte Empörung folgte drei Akten: Erst die Aussage, mit der Migration werde es besser, aber man habe noch ein „Problem im Stadtbild“. Dann die Replik auf Nachfragen: „Fragen Sie Ihre Töchter“. Und erst im dritten Akt der Versuch der Erklärung, es ginge um Kriminalität und Verwahrlosung. Das Problem dabei ist grundlegend: Die Differenzierung im dritten Akt erhält nie die gleiche Aufmerksamkeit wie die kalkulierte Empörung des ersten Aktes.
Diese Äußerungen sind verletzend. Sie senden an viele Menschen in unserem Land das Signal: Es wird nie ganz reichen. Dieses Muster kenne ich noch aus meiner Schulzeit in den 2000er Jahren. Wenn ich mich danebenbenommen habe, hieß es: Der Lasse hat eine schwierige Phase, was ist bei dem zu Hause los? Wenn sich meine Freund*innen, deren Eltern nicht aus Deutschland kamen, danebenbenommen haben, war es sofort ein Integrationsproblem. Wir führen diese Diskussion nicht erst seit 2015, sondern seit Jahrzehnten. Dass sich ein Kanzler nun mit Begriffen wie „Paschas“, „Sozialtourismus“ oder abfälligen Bemerkungen über Zahnbehandlungen in diese Reihe stellt, ist fatal. Einzig beim „Sozialtourismus“ gab es eine Entschuldigung. Dabei bricht sich kein Politiker und keine Politikerin einen Zacken aus der Krone, wenn er oder sie zugibt, dass der Ton falsch war.
Ein Kanzler muss in solchen Debatten Größe zeigen und über eine starke kommunikative Impulskontrolle verfügen. Klartext ist es nur dann, wenn danach eine konstruktive Debatte folgt, und die ist im Rauschen der Empörung untergegangen. Ein Kanzler muss den Anspruch haben, Kanzler für das ganze Volk zu sein. Wenn Höflichkeit als „Wokeness“ abgetan wird, ist das eine Herausforderung in der politischen Kultur.
Auch der Verweis „Fragen Sie Ihre Töchter“ ist völlig fehlgeschlagen. Viele Töchter haben geantwortet: Wir haben nicht primär Angst vor Menschen mit Migrationshintergrund, sondern vor Männern. Die Statistik in Schleswig-Holstein ist hier eindeutig: Wir haben 1.116 Männer in Gefängniszellen und nur 60 Frauen. Es gibt in diesem Landtag mehr Abgeordnete als Frauen im Gefängnis sitzen. Das zeigt, dass wir ein deutliches Problem auf einer Seite der Gesellschaft haben, um das wir uns kümmern müssen.
Natürlich können und müssen wir über Probleme sprechen: Über Kriminalität in bestimmten Stadtteilen, über Verwahrlosung oder Müllprobleme, auch hier in Kiel. Aber wer genau hinschaut, sieht die Komplexität: Es gibt Vermieter*innen, die zu wenig Mülltonnen bereitstellen für zu viele Menschen auf zu engem Wohnraum. Und es gibt Menschen, die Müll aus dem Fenster werfen. Beide Seiten sind wahr. Man muss auf beides reagieren können, ohne sich in pauschaler Empörung zu verlieren.
Was ich jedoch entschieden zurückweise, ist der Spin, Friedrich Merz würde hier „unbequeme Wahrheiten“ aussprechen. Ein Bundeskanzler, der öffentlich behauptet, in Deutschland würde niemand obdachlos und jeder bekäme ein Dach über dem Kopf, hat von unbequemen Wahrheiten keine Ahnung.
Ich erinnere mich sehr gut an eine Debatte im Bundestag, in der Friedrich Merz zu Olaf Scholz sagte: „Sie können es einfach nicht. Sie sind ein Klempner der Macht.“ Wer so spricht, muss besser handeln können.
Vielen Dank!
***
Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel T 0431 988 1503 M 0172 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de sh-gruene-fraktion.de

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