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21.11.25 , 13:26 Uhr
SPD

Sophia Schiebe zu TOP 30: Das Recht von Frauen auf körperliche Unversehrtheit muss gewahrt werden

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 20.November 2025
Sophia Schiebe Das Recht von Frauen auf körperliche Unversehrtheit muss gewahrt werden TOP 30: Mündlicher Bericht zu Maßnahmen der Landesregierung gegen weibliche Genitalverstümmelung (Drs. 20/3786)
Es gibt Verletzungen, die man nicht sieht und gerade deshalb verändern sie ein Leben auf tiefste Weise.
Ein Leben, das weitergeht, aber nicht mehr so wie vorher. Ein Leben, in dem sich der eigene Körper nicht mehr selbstverständlich anfühlt. Ein Leben, in dem Nähe, Vertrauen und Intimität zu Stolpersteinen werden.
Weibliche Genitalverstümmelung ist eine solche Verletzung. Sie ist ein massiver Angriff auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung. Die medizinische Forschung zeigt gravierende Langzeitfolgen: chronische Schmerzen, Infektionen, Vernarbungen, erschwerte Geburten und schwere psychische Belastungen.
Doch die Wunde liegt nicht nur im Gewebe. Sie liegt im Selbstbild einer Frau. In ihrer Fähigkeit, Nähe zuzulassen. In ihrem Recht auf Lust, auf Selbstbestimmung, auf ein Leben ohne Angst.
Und diese Gewalt findet auch bei uns statt. Hier in Schleswig-Holstein, mitten unter uns. Laut der Dunkelzifferschätzung von Terre des Femmes aus dem Jahr 2022 leben in Schleswig-Holstein rund 3000 betroffene Frauen und Mädchen und 461 Mädchen werden als gefährdet eingestuft.
Diese Mädchen und Frauen tragen Narben, körperlich wie seelisch und viel zu oft tragen sie sie allein.
Wir sprechen über Mädchen, die Angst vor den Sommerferien haben, weil Familienreisen plötzlich zur Bedrohung werden können. Wir sprechen über Frauen, die in einer


1 gynäkologischen Praxis überlegen, ob sie verstanden werden oder ob ihre vorhandene Scham sie zum Schweigen zwingt. Wir sprechen über Mütter, die bei der Geburt kaum Hilfe einfordern, weil ihre Angst größer ist als ihre Stimme.
Damit sich das ändert, brauchen Betroffene verlässliche Strukturen: Orte, an denen sie gesehen, gehört und geschützt werden. Fachkräfte, die sensibel handeln und die richtigen Fragen stellen. Nicht mit Pauschalurteilen über Herkunft oder Kultur, sondern mit geschultem Blick für individuelle Risiken: in medizinischen Gesprächen, bei Hinweisen auf Angst vor Familienbesuchen, bei Verhaltensänderungen, die niemand erklären kann.
Eine Fachstelle, die genau das leistet, ist TABU. Sie ist die zentrale Anlaufstelle in unserem Land und wird getragen vom Diakonischen Werk Altholstein. Dort treffen Betroffene auf Menschen, die für sie da sind. Die zuhören. Die handeln. Über 50 Frauen wenden sich jährlich neu an die Fachstelle TABU, um sich Rat und Unterstützung einzuholen. Die Frauen werden dann oft jahrelang unterstützt und begleitet.
Doch diese wichtige Arbeit steht auf der Kippe: weil Teile der Finanzierung ausläuft, weil Zuständigkeiten geschoben werden, weil Schweigen offensichtlich wieder eine Option sein soll.
Das dürfen wir nicht zulassen.
Wenn wir sagen: Wir schützen! Wir sehen hin! Wir helfen! Dann müssen diesen Worten auch Mittel folgen. Beratung und Schutz dürfen nicht vom Haushalt abhängen. Sie sind gesetzlicher Auftrag und moralische Verpflichtung. Wir erwarten daher von der Landesregierung ein klares, Bekenntnis zur Finanzierung von TABU.
Denn wenn eine Frau sagt: „Ich schäme mich für meinen Körper.” dann braucht sie jemanden, der ihr zeigt: Du bist richtig. Dir ist Unrecht geschehen. Wir stehen an deiner Seite.
Wenn ein Mädchen gelernt hat, dass niemand hören will, was ihr droht, dann braucht sie Erwachsene, die trotzdem zuhören. Die nachfragen. Die schützen.
Und wenn eine Mutter schweigt, weil ihr die Worte fehlen, dann braucht sie Fachkräfte, die erkennen, dass hinter dieser Stille oft ein Schmerz steckt.
Keine dieser Stimmen darf leiser werden. Keine dieser Stimmen darf ohne Antwort bleiben.



2 Null Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung. Das war unser gemeinsamer Beschluss. Doch Null Toleranz erschöpft sich nicht in einem Satz. Sie bedeutet Verantwortung: keine Versorgungslücken, kein Wegschauen, keine Beratung auf Zeit.
Es bedeutet, die Strukturen abzusichern, die tragen. Es bedeutet, zu prüfen, wo Hilfe schon gelingt und wo sie noch versagt. Und es bedeutet, sensibel zu sein für diejenigen, die gelernt haben, unsichtbar zu bleiben.
wir reden hier nicht über Tradition. Wir reden über Gewalt. Über Macht. Und über das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.
Schleswig-Holstein soll ein Land sein, das nicht wegschaut. Ein Land, das schützt. Ein Land, das Mädchen und Frauen nicht allein lässt. Erst recht nicht, wenn andere wegsehen.
„Mein Körper gehört mir!“ Dieser Satz muss für jedes Mädchen und für jede Frau gelten, ohne Ausnahme.
Lassen wir uns an diesem Anspruch messen.



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