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Martin Habersaat zu Top 19: Gemeinsam stark: Besserer Umgang mit Neurodivergenzen an Schulen
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathekLANDTAGSREDE – 11.Dezember 2025Martin Habersaat Gemeinsam stark: Besserer Umgang mit Neurodivergenzen an Schulen TOP 19: Besserer Umgang mit Neurodivergenzen an Schule (20/3870)Heute möchte ich mit einem Begriff beginnen, der in der Debatte um Inklusion und Bildungsgerechtigkeit längst angekommen ist – nur leider nicht überall in der Realität unserer Schulen: Neurodivergenz. Was bedeutet Neurodivergenz? Neurodivergenz beschreibt neurologische Besonderheiten und Unterschiede darin, wie Menschen denken, lernen, Reize verarbeiten und mit ihrer Umwelt interagieren. Dazu zählen unter anderem Autismus-Spektrum-Störungen, ADHS, Dyslexie und Dyskalkulie, Entwicklungsdyspraxie, sensorische Besonderheiten wie Hypersensibilität – und auch Hochbegabung. Und eines ist völlig klar: Es gibt in Schleswig-Holstein keine einzige Schulklasse, in der wir nicht auf neurodivergente Kinder und Jugendliche treffen. Der entscheidende Gedanke dahinter ist: Diese neurologischen Unterschiede sind keine Abweichungen, die man „beheben“ müsste, sondern natürliche Varianten menschlicher Vielfalt. Nicht das Kind muss sich verbiegen, um in ein enges Raster zu passen – das System muss lernen, vielfältige neurologische Realitäten mitzudenken. Genau das wollten wir wissen und haben es im Rahmen eines schriftlichen Berichts abgefragt. Doch was mussten wir lesen? Erstens: Die Landesregierung behandelt den Begriff Neurodivergenz, als wäre er ein heißes Eisen. Zweitens: Sie kommt allen Ernstes zum Schluss, in Schleswig-Holstein gebe es „keinen Handlungsbedarf“. Meine Damen und Herren, beides ist schlicht nicht haltbar. Wir haben mit Betroffenen, Eltern, Lehrkräften und Expert:innen im ganzen Land gesprochen. Die Realität, die sie schildern, ist keine Erfolgsgeschichte – sie ist ein Hilferuf: 1 Improvisation statt Struktur. Überforderung statt Unterstützung. Fehlende Ressourcen statt echter Inklusion. Wir hören von Kindern, die den gesamten Schultag über mit aller Kraft versuchen, die Fassade zu halten – und nachmittags erschöpft in ihren Zimmern liegen, nicht mehr ansprechbar, weil die Welt in der Schule zu laut, zu grell, zu schnell war. Wir hören von Erstklässler:innen, die dringend individuelle Förderung bräuchten – aber nicht erkannt werden, weil niemand die Zeit hat, genau hinzusehen. Wir hören von Eltern, die sich verzweifelt von Stelle zu Stelle durchfragen, die Unterstützung suchen und sie oft nicht finden. Manche landen im äußersten Ausnahmefall bei Online-Schulen, weil sie keinen anderen Ausweg mehr sehen. Diese Lebensrealitäten tauchen im Bericht der Landesregierung schlicht nicht auf. Dabei gibt es auch positive Beispiele: faire Nachteilsausgleiche, engagierte Schulen, kreative Lösungen. Aber sie sind punktuell – und sie hängen viel zu oft vom Zufall ab oder dem Einsatz einzelner engagierter Lehrkräfte ab. Eine Schule weiß nicht, was die Nachbarschule tut. Und kaum eine Schule weiß, wie unsere Hochschulen mit dem Thema umgehen. Es fehlt an Austausch, an Standards, an Klarheit und Vergleichbarkeit. Und wenn CDU und Grüne unseren SPD-Vorschlägen zur Verbesserung des Schulbaus nicht folgen wollen – schade. Aber wenn Sie schon ein Musterraumprogramm entwickeln: Dann denken Sie neurodivergente Kinder endlich von Anfang an mit! Denn wer Räume baut, baut Lernmöglichkeiten. Oder eben Barrieren. All diese Vorschläge, die wir heute vorlegen, sind keine parteipolitische Spielerei. Sie kommen aus Beratungen, Gesprächen, Anhörungen – von Menschen, die dieses Bildungssystem tragen und die ihm vertrauen wollen. Sie sind die Stimme der Praxis. Und sie sagen: „So geht es nicht weiter.“ Falls Sie heute nicht zustimmen können, dann bitte ich Sie eindringlich: Überweisen Sie den Antrag in den Bildungsausschuss. Hören wir die Fachleute an. Lassen Sie uns gemeinsam die Realität anschauen. Unser Ziel bleibt: Ein Schleswig-Holstein, in dem das Bildungssystem nicht darauf wartet, dass Kinder sich anpassen, sondern eines, das sich auf Vielfalt der Schüler:innen orientiert. Ein System, das jedes Kind mitnimmt – nicht nur die, die problemlos durchs Raster passen. Denn das ist der Maßstab für ein gerechtes Bildungssystem: Dass alle Kinder eine echte Chance haben – nicht nur auf dem Papier, sondern jeden einzelnen Tag in ihrer Schule. 2