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19. Juni 2019 – Juni-Plenum: Volksinitiative

„Bezahlbarer Wohnraum“ in die Verfassung?

Das Thema Wohnungsnot ist ein Dauerbrenner. In Schleswig-Holstein strebt eine Volksinitiative einen Wohnraum-Schutzartikel in der Landesverfassung an. Die Mehrheit des Landtags ist skeptisch.

Mietwohnung Miete Wohnraum Kiel Illustration
Blick auf Häuser mit Mietwohnungen in Kiel. Foto: dpa, Frank Molter

Die „Volksinitiative für bezahlbaren Wohnraum“ hat eine weitere Hürde genommen. Der Landtag bestätigte einstimmig einen Beschluss des Innen- und Rechtsausschusses, dass das Anliegen des Sozialverbands Deutschland und des Mieterbundes rechtlich zulässig ist. Nun hat das Parlament vier Monate Zeit, um sich inhaltlich zu positionieren. Die Mehrheit des Landtags ist allerdings skeptisch.

Die Initiatoren wollen laut ihrem vorgelegten Gesetzentwurf in der Landesverfassung festschreiben, dass das Land „die Schaffung und Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum“ fördert – „insbesondere durch Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus, durch Mieterschutz und Mietzuschüsse“. Zudem soll eine Wohnung nur geräumt werden dürfen, „wenn Ersatzwohnraum zur Verfügung steht“. Laut Sozialverband fehlen im Lande mehr als 100.000 Sozialwohnungen.

„Kein einklagbares Recht“

Peter Lehnert (CDU) erklärte in Erster Lesung des Gesetzentwurfs der Volksinitiative, die Jamaika-Koalition sei schon dabei, viele Dinge umzusetzen, um die Wohnsituation zu verbessern, etwa bei der Erhöhung des Wohngeldes oder bei der Vereinfachung des Baurechts. Die Opposition forderte hingegen mehr Engagement und weitere Maßnahmen, um die Wohnungsnot zu bekämpfen.

Grüne, FDP und SSW äußerten zudem die Sorge, dass Frustrationen entstehen könne, wenn eine Forderung in die Verfassung aufgenommen wird, die als Individualrecht nicht einklagbar sei. Es entstehe kein „Individualrecht auf eine angemessene Wohnung“. Ein Verfassungsstatus sei nur „ein Sieg auf dem Papier“. Die AfD unterstützte die Volksinitiative hingegen.

Ausschüsse beraten weiter

Bauminister Hans-Joachim Grote (CDU) betonte, die Debatte „stärkt die Zivilgesellschaft“. Trotzdem dürfe man das Anliegen nicht „einfach nur durchwinken“. Die Landesregierung stelle bereits innerhalb von vier Jahren 788 Millionen Euro zur Verfügung, um Wohnungsbau im preisgünstigen Segment anzukurbeln. Zudem werde die Landesbauordnung gelockert, eine Qualitätsoffensive sei in Vorbereitung. „Es bringt den Menschen nichts, wenn das Recht nur in der Verfassung steht“, sagte er.

Der Innen- und Rechtsausschuss, der Sozialausschuss und der Petitionsausschuss beraten den Gesetzentwurf weiter.

Weitere Redner:
Özlem Ünsal (SPD), Andreas Tietze (Grüne), Jan Marcus Rossa (FDP), Jörg Nobis (AfD), Lars Harms (SSW)

Die „Volksinitiative für bezahlbaren Wohnraum“ wird aller Voraussicht nach eine weitere Hürde nehmen. Der Innen- und Rechtsausschuss hat bereits befunden, dass das Anliegen des Sozialverbands Deutschland und des Mieterbundes rechtlich zulässig ist. Bestätigt der Landtag diese Auffassung, hat das Parlament vier Monate Zeit, um sich inhaltlich zu positionieren. 

Zuvor hatten die kommunalen Meldebehörden die Unterschriften überprüft, die der Sozialverband und der Mieterbund im Februar an den Landtag übergeben hatten. Ergebnis: Mindestens 32.462 der gut 39.000 Unterschriften sind gültig. Eine genaue Zahl der Unterstützer gibt es nicht, weil in einigen Ämtern und Gemeinden die Auszählung abgebrochen wurde, als abzusehen, war, dass die erforderliche Mindestzahl von 20.000 gültigen Unterschriften erreicht werden würde.

Sozialverband: Es fehlen 100.000 Wohnungen

Eine weitere Auflage ist juristischer Natur: Die Gesetzentwürfe von Volksinitiativen dürfen keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben. Auch dieses Kriterium erfüllt die Wohnraum-Initiative nach Auffassung des Innen- und Rechtsausschusses.

Die Initiatoren wollen laut ihrem vorgelegten Gesetzentwurf in der Landesverfassung festschreiben, dass das Land „die Schaffung und Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum“ fördert – „insbesondere durch Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus, durch Mieterschutz und Mietzuschüsse“. Zudem soll eine Wohnung nur geräumt werden dürfen, „wenn Ersatzwohnraum zur Verfügung steht“. Laut Sozialverband fehlen im Lande mehr als 100.000 Sozialwohnungen. Um die Verfassung zu ändern, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag nötig.

Weitere Info:
Meldung zur Ausschusssitzung (5. Juni)
Vorherige Debatten zum Thema:
Mai 2019 (spez Wohnungsbau)
März 2019 (spez Mietpreisbremse)
November 2018 (spez. Wohnungsbau)
Juli 2018 (spez. Schutz in Verfassung)
Oktober 2017 (Wohnungsbau/Mieten)

Erste Lesung

Entwurf eines Gesetzes der Volksinitiative für bezahlbaren Wohnraum
Gesetzentwurf der Volksinitiative für bezahlbaren Wohnraum – Drucksache 19/1521

Ausschussempfehlung

Entscheidung über die Zulässigkeit der Volksinitiative für bezahlbaren Wohnraum
Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses – Drucksache 19/1523

Hintergrund: Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid

Wie in anderen Bundesländern gibt es auch in Schleswig-Holstein zwei Wege der Gesetzgebung: Die Verabschiedung durch den Landtag und den Volksentscheid. Dazu sieht die Landesverfassung drei Stufen vor.

Volksinitiative:
Hierfür müssen die Antragsteller mindestens 20.000 Unterstützer-Unterschriften sammeln. Der Landtag prüft dann die Zulässigkeit: So darf die Initiative nicht in die Haushaltshoheit des Parlaments eingreifen und nicht den Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaats widersprechen. Gibt das Plenum grünes Licht, hat das Parlament vier Monate Zeit, um über die Initiative zu beraten - und sie gegebenenfalls anzunehmen.

Volksbegehren:
Lehnt das Parlament die Volksinitiative ab, können die Initiatoren ein Volksbegehren starten. Hierzu müssen sie innerhalb eines halben Jahres 80.000 Unterschriften hinter sich bringen. Die Listen liegen dann in Ämtern aus; zudem können die Initiatoren auch auf der Straße Unterschriften sammeln.

Volksentscheid:
Ist ein Volksbegehren erfolgreich, muss innerhalb von neun Monaten ein Volksentscheid stattfinden. Der Gesetzesvorschlag gilt als angenommen, wenn die Mehrheit der Wähler zustimmt und wenn mindestens 15 Prozent aller Wahlberechtigten dafür sind. Das entspricht rund 330.000 Stimmen der Schleswig-Holsteiner. Bei einem Volksentscheid über eine Verfassungsänderung müssen zwei Drittel derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben, zustimmen, jedoch mindestens die Hälfte der Stimmberechtigten.