Schleswig-Holstein hat zum Wochenbeginn bereits „einen großen Schritt Richtung Normalität“ gemacht – nun könnten weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen folgen. Das stellte Sozialminister Heiner Garg (FDP) in einer Regierungserklärung vor dem Landtag in Aussicht: „Unser gemeinsames Ziel ist Stand heute, dass wir die Maskenpflicht in Schulen Ende Oktober auslaufen lassen.“ Garg dankte den Menschen im Lande für ihre „norddeutsche Besonnenheit“ und die vergleichsweise hohe Impfquote von aktuell 72 Prozent Erstimpfungen. „Für die Geimpften ist die Pandemie weitgehend vorbei“, so Garg. Nun gebe es aber eine „Pandemie der Ungeimpften“. Garg erneuerte seinen Appell: „Lassen Sie sich impfen, wenn Sie sich impfen lassen können.“
Das Land ist in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zum 3-G-Modell (geimpft, genesen, getestet) gewechselt. Die Maskenpflicht ist vielfach einer Empfehlung gewichen. Sie gilt aber noch im öffentlichen Nahverkehr, im Einzelhandel und mindestens bis zu den Herbstferien auch in der Schule.
SPD: Lockerungen kommen „zu früh“
„Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner haben sich selbst diese Erleichterungen erarbeitet“, betonte Minister Garg, der die Regierungserklärung für den erkrankten Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) abgab. Das Land sei „besser durch die Pandemie gekommen als viele andere Länder um uns herum“. Allerdings werde die Landesregierung die Situation in den Krankenhäusern genau beobachten. Bei negativer Tendenz sei ein Wechsel zum 2-G-Modell (geimpft, genesen) denkbar.
Der Verzicht auf die Maske komme „viel zu früh“, mahnte dagegen SPD-Oppositionsführerin Serpil Midyatli: „Ich mache mir mit Blick auf den Herbst Sorgen.“ Masken seien im Alltag „keine große Einschränkung“. Wer sie jetzt abschaffe, werde es schwer haben, sie bei einer möglicherweise angespannten Corona-Lage wiedereinzuführen. Auch die SPD wolle zurück zur Normalität, aber: „Sicherheit geht vor Schnelligkeit“, so Midyatli. Die „hohen Inzidenzen im ungeimpften Drittel“ der Bevölkerung dürften nicht ignoriert werden, und insbesondere kleinere Kinder, für die es noch keinen Impfschutz gibt, bräuchten „Schutz und Achtsamkeit“.
„Menschen brauchen Nähe“
Viel Lob für den Kurs der Landesregierung kam von den Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen. „Nochmal wochenlange oder monatelangen Wartezeiten“ sei weder den Geimpften noch der Wirtschaft und der Kultur zuzumuten, betonte Tobias Koch (CDU). Auf der Corona-Warnampel sei Schleswig-Holstein „der Stufe Grün deutlich näher als der Stufe Rot“.
Eka von Kalben (Grüne) unterstrich: „Wir lassen uns nicht mehr in erster Linie von den Fallzahlen der Inzidenzen leiten“, neues Handlungsmuster seien die schweren Verläufe. Es sei wichtig, „den Menschen wieder ein Leben mit andere zu ermöglichen“, so von Kalben, denn: „Menschen brauchen Nähe“. Der Weg mit 3-G sei „ehrlich, sinnvoll und verhältnismäßig“, sagte Christopher Vogt (FDP). Bei einer 2-G-Strategie wie in Hamburg würden die Probleme „auf die Betriebe verlagert“, etwa auf die Gastronomen.
Absage an den „Freedom Day“
Lars Harms (SSW) forderte auch weiterhin kostenlose Schnelltests. Diese Tests sollen ab Mitte Oktober kostenpflichtig werden. Wegen der Extra-Kosten „werden sich weite Bevölkerungsschichten ins Private zurückziehen“, warnte Harms, „und die Ansteckungen werden im Privaten stattfinden und lassen sich nicht mehr nachvollziehen“. Er kritisierte auch den Beschluss der Gesundheitsminister, die Lohnfortzahlung zu streichen, wenn Ungeimpfte in Quarantäne müssen. Dies schade Geringverdienern, und es bestehe die Gefahr, dass Menschen krank zur Arbeit gehen und sich nicht testen lassen, um Job und Geld nicht zu verlieren.
Der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl und die Abgeordneten des AfD-Zusammenschlusses schlugen vor, den 30. Oktober nach britischem Vorbild als „Freedom Day“ auszurufen – als Tag der Freiheit, der das Ende der Corona-Einschränkungen markiert. „Grundrechte an den Impfstatus zu knüpfen“, so Brodehl, habe „weit gravierendere Folgen für unser Land als das Virus selbst“. Der „Freedom Day“ in England am 19. Juli habe nicht dazu geführt, „dass dort das Gesundheitssystem zusammengebrochen wäre“, merkte Jörg Nobis (AfD) an.
Die Mehrheit im Parlament kritisierte den Vorstoß als „populistisch“ und lehnte ihn ab. Auch Anträge des AfD-Zusammenschlusses, die mehr Parlamentsbeteiligung und ein Ende der Corona-Tests an Schulen fordern, wurden mit großer Mehrheit abgelehnt. Ein Antrag der Koalition, der die Maßnahmen der Landesregierung unterstützt, wurde von Jamaika und SSW angenommen.