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23.01.03
11:15 Uhr
SSW

Verzahnung von Vorschul- und Grundschulbereich

PRESSEINFORMATION Kiel, den 23.1.2003 Es gilt das gesprochene Wort

TOP 16 – Verzahnung von Vorschul- und Grundschulbereich (Drs. 15/2379)
Anke Spoorendonk: „PISA und kein Ende – oder: Warum muss das Rad immer wieder neu erfunden werden?“
Der 4.Dezember 2001 ist in die Bildungsgeschichte eingegangen. An dem tag wurden durch das schlechte Abschneiden der Schülerinnen und Schüler bei der PISA-Studie grundlegende Schwierig- keiten des bundesdeutschen Bildungssystems offen gelegt. Schon am 14.12. debattierte der Schles- wig-Holsteinische Landtag die Ergebnisse dieser Studie. - Der SSW hat im vergangenen Jahr 7 Pressemitteilungen zu PISA herausgegeben. Hinzu kamen 13 Redebeiträge, in denen PISA eine Rolle spielte. Auf den Landtag bezogen hat es mindestens fünf wesentliche Debatten gegeben, und guckt man sich das Parlanet an, dann weist die Suchmaschine 319 Treffer bei dem Stichwort PISA auf.

Mit dem vorliegenden CDU-Antrag wird also kein Neuland betreten. Dabei werde ich jetzt nicht darüber mutmaßen, ob der Antrag mehr mit dem Wechsel in der Funktion des bildungspolitischen Sprechers oder mehr damit zu tun hat, dass wirklich noch nicht alles zu PISA gesagt worden ist. Der Antrag spricht drei Bereiche an. Zuerst die Kindertagesstätten, deren Bildungsauftrag gestärkt werden soll. Die Kindergärten sollen künftig nicht nur Orte der Betreuung, sondern auch der Erzie- hung und Bildung sein. Mit dieser Einstellung steht die CDU nicht allein, vermute ich. Denn in Klammern bemerkt, ist das wohl auch der Grund dafür, dass die KITA’s künftig im Bildungsminis- terium angesiedelt sein sollen. Obwohl einiges dafür spricht, hat der SSW Bedenken bei dieser Ver- lagerung.

Man könnte auch der Auffassung sein, dass die anstehende Novellierung des KITA-Gesetzes etwas mit der im Zeichen der PISA-Diskussion geforderten Verzahnung von Vor- und Grundschule zu tun hat. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass es in dem Bereich Kindergärten auch ganz andere 2



Probleme gibt. Die Stichworte lauten: Qualitätssicherung und Öffnungszeiten, Einrichtung von Kin- dertagesstätten für unter 3-Jährige, Forderungen nach Öffnung von Standards bei gleichzeitiger Forderung nach verstärktem Bildungsauftrag.

Auf Bundesebene – sprich Kultusministerkonferenz – ist die Forderung nach einer vorgezogenen Bildungspflicht im Kindergarten meines Wissens erst mal in eine Kommission verfrachtet worden, denn alle Wünsche dieser Art wären mit einer staatlichen Übernahme der Kosten verbunden und mit einem Konflikt mit den Trägern der Kindergärten. Aus der Sicht des SSW sind Kindergärten natürlich Orte der Erziehung und Bildung. Sie sind aber auch Orte der pädagogischen Betreuung und damit ein Element in einer modernen und zukunftsweisenden Familienpolitik, was z.B. mit Öff- nungszeiten zu tun hat. Eine Verschulung der Kindergärten lehnen wir ab. Da ist es folgerichtiger - wie in den skandinavischen Ländern, eine 0.Klasse einzuführen.

Punkt zwei des Antrages bezieht sich auf die Grundschule. Die Stichworte lauten: verbindliche Un- terrichtsinhalte, verbindliche Lernziele, mehr Kontrolle durch Tests und Notengebung. Ich dachte, wir wären weiter und nehme mit Bedauern zur Kenntnis, dass der einzige Ansatz, der als Reform- schritt begriffen werden könnte, nur als vage Empfehlung auftaucht. Gemeint ist meinerseits der letzte Spiegelstrich: „- bei Bedarf dafür zu sorgen, dass Lehrkräfte im Rahmen der zeitlichen Mög- lichkeiten Elternbesuche durchführen“. - An anderer Stelle spricht der Antrag von dem Erzie- hungsauftrag von Schule und Elternhaus. - Mit anderen Worten: Wenn dieser Auftrag ernst ge- meint ist, dann müssten doch die Hausbesuche höchste Priorität haben. Statt dessen fordert der An- trag die Einführung – oder die Wiedereinführung - der Kopfnoten.

Ansonsten kommt die CDU mit Forderungen, die wir schon mehrfach im Landtag diskutiert und abgelehnt haben. Das gilt für die Forderung nach verbindlichen Stundentafeln, die Einführung von Mindeststandards für jede Klassenstufe oder die Forderung nach benoteten, landesweiten Ver- gleichsarbeiten.

Die Landesregierung hat gerade im Grundschulbereich vielfältige Initiativen in Gang gesetzt und sie auch im Bildungsausschuss erläutert. Statt immer wieder das Rad neu zu erfinden, sollten wir diese Initiativen kritisch begleiten. – Dazu gehört aus Sicht des SSW auch die sowohl vom Ministe- rium als auch von der CDU geforderte verlässliche Halbtagsgrundschule. Ich denke nicht, dass wir hier ohne weiteres die Kritikpunkte abhaken können, die nicht nur die GEW, sondern auch der
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Schulleiterverband deutlich gemacht hat. Ich begrüße daher, dass die Bildungsministerin den Schul- leiterverband zur Mithilfe bei der Erarbeitung des Konzepts eingeladen hat.

Geplant ist vonseiten des Bildungsministeriums auch eine Reform der Orientierungsstufe – Punkt 3 des CDU-Antrages. Diese Reform soll ab Schuljahr 2003/04 in Kraft treten. Das heißt, hier macht es Sinn, weitere Vorstellungen in den Beratungsprozess einzubringen. Aber mit Verlaub muss ich sagen, dass die im Antrag genannten Forderungen eher so wirken, als stammen sie aus der bil- dungspolischen Mottenkiste – mit „Reform“ haben sie nichts zu tun.

Das gilt insbesondere für die Forderung nach Abschaffung des Elternwillens bei der Schulauswahl der Kinder. Sicherlich ist es richtig, dass die Eltern nicht immer und überall die richtige Entschei- dung für ihr Kind treffen. Aber das heißt doch nicht, dass wir zurückgehen sollen zu Aufnahmen- tests oder zu angeblich objektiven Durchschnittsnoten. Also eine Art „Numerus Clausus“ für Schü- lerinnen und Schüler schaffen, die aufs Gymnasium wechseln wollen.

Und daher zuletzt ein Zitat aus dem Heft „Aktuell“ des Grundschullehrerverbandes vom September 2002. In der Presseerklärung des Verbandes vom 24.Juni 2002 zu PISA-E heißt es: “Tatsächlich scheuen die Schulpolitiker der großen Parteien offenbar eines wie der Teufel das Weihwasser – die Schulsystem-Frage, die unweigerlich einen Widerspruch offenbart: Das hochselektive deutsche Schulsystem soll besonders leistungsfördernd sein – tatsächlich aber erzeugt es die gegenteiligen Effekte.

International einmalig ist die Dichte an Auslesesituationen: Auslese schon beim Schulstart, Auslese am Ende eines jeden Schuljahres, Auslese bereits nach Klasse 4, Auslese in Gute und Schlechte täglich durch Noten und Punktsysteme, Auslese Behinderter an Sonderschulen. Kein vergleichbares Land macht die Schulzeit zu einer derartigen ständigen Test- und Auslesestrecke. Stattdessen setzen erfolgreichere Länder auf langes gemeinsames Lernen, auf differenzierte Förderung und auf insge- samt mehr Zeit zum Lernen“ – Dem ist nicht hinzu zu fügen!



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