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12.11.03
13:06 Uhr
SPD

Gisela Böhrk zu TOP 14: Qualitätssicherungsdebatte offensiv angehen

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 12.11.2003 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 14 – Gesetz zum 7. Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Gisela Böhrk:

Qualitätssicherungsdebatte offensiv angehen

Im kommenden Jahr wird der private Rundfunk 20 Jahre alt. Es begann mit dem Ka- belpilotprojekt, in das der Steuerzahler über die Jahre mehr als 2 Mrd. DM investierte. Dadurch öffnete sich für den Bundesbürger die schöne neue Fernsehwelt. Das Mono- pol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks endete, und das sogenannte duale Rundfunk- system begann mit dem 1. Rundfunkstaatsvertrag 1987, und damit begannen Konkur- renz und Wettbewerb um die Gunst und die Aufmerksamkeit der Zuschauer.

Heute geht es um den 7. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, und der 8. – das soll der sogenannte Gebührenstaatsvertrag werden – ist schon ante portas.

Dem öffentlich-rechtlichen System sollte mit der kommerziellen Konkurrenz Beine ge- macht werden. Niemand hätte geglaubt, dass aus den betulichen, vom Volkshoch- schulduktus geprägten öffentlichen Sendern moderne Medienunternehmen werden könnten. Doch genau das ist geschehen: Der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in den letzten Jahren erfolg- reicher, als ihm irgend jemand zugetraut hätte – aus eigenem Vermögen, aber auch aufgrund gravierender Fehlentscheidungen des Managements der kommerziellen Ver- anstalter.



Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Internet: www.spd.ltsh.de SPD -2-



Das Öffentlich-Rechtliche hat überwiegend klug gewirtschaftet; allerdings gibt es hier ein ganz klares Gefälle: Der NDR hat sehr frühzeitig mit Strukturmaßnahmen und Per- sonaleinsparungskonzepten begonnen und schreibt durchweg schwarze Zahlen, wäh- rend das ZDF jeweils zum Ende der Gebührenperiode Kredite aufnehmen muss.

Der Erfolg gerät dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nun zum Problem, denn den kommerziellen Rundfunkanbietern und den Printmedien geht es schlecht. Es hat seit jeher und verstärkt in der jüngeren Vergangenheit Versuche gegeben, den öffentlich- rechtlichen Rundfunk in seine Schranken zu weisen, claims abzustecken, die es den kommerziellen Veranstaltern erleichtern zu konkurrieren, mehr vom schwindenden Werbekuchen abzukriegen, am liebsten den gesamten Werbekuchen.

Die Präzisierung des Funktionsauftrags hat auch eine Beschränkung des Öffentlich- Rechtlichen zugunsten der Privaten zum Ziel. Es mag auch beim Vertragsverletzungs- verfahren, das der Verband der privaten Rundfunkveranstalter bei der EU angestrengt hat, helfen. Diese Vorschrift enthält aber auch eine Chance für ARD und ZDF, nämlich die, ein eigenständiges, von den übrigen Angeboten unterscheidbares Profil öffentlich darzulegen.

Dass sich ein solches Programmprofil nicht allein auf Information, Bildung und Kultur beschränkt, sondern auch Unterhaltung und Sport umfassen muss, ist klar. Es sollte aus meiner Sicht nicht nur Inhalte und Sendeschwerpunkte darlegen, nicht nur mate- rielle oder quantitative Ziele darstellen. Vielmehr sollte die begonnene Debatte über Qualitätssicherungssysteme im Rundfunk, zuvörderst im öffentlich-rechtlichen, neu be- lebt werden, aber nicht nur dort.

Qualität (= Renommee), Kosten , Quote (= Akzeptanz) , das sind die Kriterien, die es zu bewerten und zu optimieren gilt. Es gibt systematische Ansätze für Qualitätssiche- rung im Rundfunk. Sie können helfen, aus den hirnrissigen Alternativen Qualität oder Quote und damit aus dem Stammtisch herauszukommen. -3-



Es gibt Vorschläge, dass die Sender z.B. für Kanäle, Genres oder Reihen Qualitäts- vorgaben entwickeln, die in Zielvereinbarungen eingehen und mit internem und exter- nem Monitoring verbunden werden. Es geht um die Implementierung von Verfahren, die die professionellen journalistischen Standards sichern und Verfahren zur Rückkop- pelung an die Gesellschaft einrichten.

Hier kann das öffentlich-rechtliche System eine Debatte anstoßen, an der auch die pri- vaten Veranstalter nicht vorbeigehen könnten und die unserer Gesellschaft insgesamt gut täte. Wir sollten von den Sendern die Entwicklung von Qualitätssicherungssyste- men verlangen und von ihnen fordern, Programminnovationen zu entwickeln. Es wür- de für alle – Rundfunk und Gesellschaft – Sinn machen, die Qualitätssicherungsdebat- te offensiv anzugehen .

Wir werden wegen der anstehenden Gebührenerhöhungsdebatte auch über Strukturen des Rundfunks und seiner Sender zu debattieren haben, allerdings mit Vorsicht und Augenmaß. Dem Gesetzgeber sind durch das Bundesverfassungsgericht klare Gren- zen der Einflussnahme gesetzt. Wir dürfen weder Sparten vorgeben noch programmli- che Einschränkungen formulieren. Schon bei Vorschriften über die Zahl der Sender bewegen wir uns auf juristischem Glatteis.

Heide Simonis hat die Richtung gut angegeben: - Rundfunkfreiheit wahren. - Die KEF bei sinnvollen Strukturvorschlägen unterstützen. (Der Landtag wäre glücklich, wenn er auf eine KEF zurückgreifen könnte.) - Der Regel „alternativ statt additiv“ auch angesichts der verfassungsrechtlich fi- xierten Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Geltung ver- schaffen. -4-



Schleswig-Holstein ist kein Großstandort für Medienunternehmen (nicht Bertelsmann, Ex-Kirch, und auch nicht ZDF). Der NDR hat durch kluges Management die geringsten Finanzprobleme. Wir sind beim Digitalen Fernsehen vorn. Bei der Investitionsleiche DAB, das keiner außer Teilen der Politik will und das sinnigerweise im Sparkonzept von Stoiber und Co als Ausbauprojekt auftaucht, sind wir mehr als zurückhaltend.

Unser Land kann daher, unbelastet von Standortinteressen, eine produktive Rolle für einen besseren und kostengünstigen Rundfunk wahrnehmen. Das sollten wir auch in den Ausschussberatungen tun.