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14.09.06
18:09 Uhr
SPD

Klaus-Peter Puls zu TOP 2: Sicherheit stärken - Freiheit bewahren!

Sozialdemokratischer Informationsbrief

Kiel, 14.09.2006 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 2: Regierungserklärung zur aktuellen Situation der inneren Sicherheit in Schleswig-Holstein

Klaus-Peter Puls:
Sicherheit stärken – Freiheit bewahren!

In der Landtagsdebatte zur inneren Sicherheit in Schleswig-Holstein erklärte der innen- und rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Klaus-Peter Puls:

Terror ist weltweit unterwegs: Wir sprechen fünf Jahre danach mit unvermindertem Schaudern und Entsetzen von New York und Washington. Wir sprechen aber, aufge- schreckt durch die Aktualität, auch über Koblenz und Dortmund. Und wir wissen, dass terroristische Vorbereitungsaktivitäten „vor unserer Haustür“ stattgefunden ha- ben, in Hamburg und in Kiel.

Die Regierungserklärung des Innenministers zur aktuellen Situation belegt: Wir können sicher sein, dass die Sorge für die innere Sicherheit unseres Landes bei der Landes- regierung in guten Händen ist. Die sicherheitspolitische Grundposition der SPD- Landtagsfraktion lässt sich in sechs Punkten skizzieren:

1. Wir teilen die Auffassung der Innenministerkonferenz, dass ein wesentliches E- lement für die Effektivität der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden die optimale Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten ist und sein muss, und zwar auch und gerade im Hinblick auf den Austausch von Daten über mög- liche Terroristen. Die schnelle und zielgerichtete Nutzung bei den Sicherheits- behörden vorhandener Informationen über einschlägig in Erscheinung getretene Schleswig- Holstein

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Petra Bräutigam Landeshaus Postfach 7121, 24171 Kiel Tel: 0431/ 988-1305/1307 Fax: 0431/ 988-1308 E-Mail: Internet: pressestelle@spd.ltsh.de www.spd.ltsh.de SPD -2-



Personen – und nur um solche kann es gehen – ist für eine erfolgreiche Be- kämpfung des Terrorismus unverzichtbar. Eine bessere Vernetzung der vor- handenen Datenbestände sowie eine Optimierung der Zugriffsmöglichkei- ten sind geboten. Wir unterstützen deshalb die Innenministerkonferenz, den Bundesinnenminister und unsere Landesregierung bei ihren Bestrebungen, umgehend einen Gesetzentwurf zur Errichtung einer Anti-Terror-Datei zu erar- beiten und wirksam werden zu lassen.

Wir teilen nicht die Bedenken, dass durch den bloßen Informationsaustausch organisatorisch getrennter Sicherheitsbehörden das aus historischen Gründen fixierte Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten durchbrochen wird. Der bloße Austausch von Daten macht unsere in Demokratie und Rechtsstaat verankerte Polizei nicht zur Gestapo. Das oder Ähnliches auch nur ansatzweise zu unterstellen oder als Schreckgespenst an die Wand zu malen, wäre unseren Polizeibeamten und -beamtinnen und unseren Verfassungsschützern und - schützerinnen gegenüber schlichtweg schäbig.

2. Wir teilen die Auffassung der Innenministerkonferenz, dass das Instrument der Videoüberwachung einen wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Terro- rismusbekämpfung leisten kann. Mit Hilfe von Videoüberwachung können Tatverdächtige zuverlässig identifiziert werden. Auch der jüngste Fahndungser- folg nach dem fehlgeschlagenen Kofferbomben-Anschlag belegt, dass insbe- sondere im Bereich von Bahnhöfen, Flug- und Seehäfen die Videoüberwachung stärker genutzt werden sollte.

Sie sollte nicht stärker genutzt werden zur Kontrolle der Parkbänke in Rends- burg. Da sind wir einer Meinung mit dem Kollegen Wadephul, der gestern zu- treffend auf unseren Koalitionsvertrag hingewiesen hat. Dort heißt es: „Die Vi- deoüberwachung im öffentlichen Raum wird auf polizeiliche Brennpunkte be- -3-



schränkt. Wir werden ergänzend die Voraussetzung schaffen, um zum Schutz der eingesetzten Beamtinnen und Beamten offene Videoaufzeichnungen poli- zeilicher Kontrollmaßnahmen im öffentlichen Raum durchzuführen.“ Dabei - und nur dabei - soll es in Schleswig-Holstein bleiben. Eine flächendeckende Vi- deoüberwachung wird es mit uns nicht geben.

3. Eine ähnliche Selbstbeschränkung sieht unser Koalitionsvertrag für die Tele- kommunikationsüberwachung vor: „Wir werden die rechtlichen Vorausset- zungen für Telefonüberwachungen zur Gefahrenabwehr einschließlich der Er- hebung von Verbindungsdaten im Lichte der Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichts prüfen“, heißt es im Koalitionsvertrag von April 2005. Die Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts zur vorbeugenden Telefonüberwa- chung liegt zwischenzeitlich vor. Sie stammt von Juli 2005. Das Urteil ist konse- quent und gibt die Grundposition der SPD-Landtagsfraktion wieder: Der allge- meine Hinweis auf die Möglichkeit organisierter Kriminalität und terroristischer Gefahren darf nicht zur Begründung schnüffelstaatlicher Befugnisse der Polizei führen. Nur der konkrete Verdacht der Vorbereitung oder Planung einer Straftat darf staatliche Überwachungsmaßnahmen auslösen. Das Abhören und Belauschen unbescholtener, unverdächtiger und unbeteiligter Bürgerinnen und Bürger werden wir in Schleswig-Holstein weiterhin ausschließen. Die Schlag- kraft unserer Polizei- und Sicherheitsbehörden ist auch ohne Wanzen im Ehe- bett gewährleistet. Eine Aufhebung der Privatsphäre nach dem Prinzip „Der Staat hört mit“ wird es mit uns nicht geben.

4. Mit derselben Grundposition „Sicherheit ja – Schnüffelstaat nein!“ unterstüt- zen wir als SPD-Landtagsfraktion generell den Gesetzentwurf der Landesregie- rung zur weiteren Verbesserung der Polizeiarbeit in Schleswig-Holstein. Unse- rer Polizei müssen für ihre verantwortungsvolle und gefährliche Arbeit auch zu ihrem eigenen Schutz alle verfügbaren rechtlichen und technischen Möglichkei- -4-



ten an die Hand gegeben werden. Wer der Polizei unterstellt, sie könne Ein- griffsbefugnisse missbrauchen, diskriminiert den ganzen Berufsstand.

Das Land hat eine Garantiefunktion nicht nur für die Freiheit, sondern auch für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger. Die SPD-Landtagsfraktion garan- tiert, dass auch bei der Bekämpfung kapitaler organisierter Verbrechen und akuter terroristischer Gefahren die bürgerlichen Freiheitsrechte gewahrt bleiben und alle rechtsstaatlichen Grenzen eingehalten werden. Das gilt auch, gerade und insbesondere für den Schutz persönlicher Daten und das in- formationelle Selbstbestimmungsrecht. Unsere Landespolizei schützt Sicherheit und Freiheit gleichermaßen. Die SPD-Fraktion wird dafür sorgen, dass dies auch künftig so bleibt.

5. Das Prinzip „Sicherheit schaffen – Datenschutz wahren!“ muss auch gelten, wenn es um Bundesgesetze und Umsetzungen von EU-Richtlinien geht. Seit Mitte Dezember 2005 gibt es ja eine vom Europäischen Parlament mit nahezu Zweidrittel-Mehrheit beschlossene EU-Richtlinie, mit der die Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminali- tätsformen im europäischen Rahmen ermöglicht werden soll. Die Bundesrepu- blik Deutschland ist wie alle Mitgliedstaaten der EU formalrechtlich verpflichtet, höherrangiges EU-Recht innerstaatlich umzusetzen.

Natürlich ist die Sammlung von Daten immer ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Da in der Diskussion über erweiterte Möglichkeiten der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung aber immer wieder nur sehr allgemein der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit bemüht wird, kann, finde ich, nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass bei der erfor- derlichen Abwägung die Bedeutung eines unstreitigen Eingriffs in das Perso- naldaten-Selbstbestimmungsrecht ins Verhältnis gesetzt werden muss zu der -5-



Bedeutung der nach wie vor ebenfalls unbestreitbar vorhandenen weltweiten Bedrohung menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit durch interna- tionalen Terrorismus und organisierte Kriminalität.

Wir wissen, dass Kriminalität vor nationalstaatlichen Grenzen nicht Halt macht, und wir meinen, dass deshalb für Europa insgesamt, aber auch darüber hinaus, international vereinbarte möglichst einheitliche Regelungen nicht nur zweckmäßig, sondern notwendig sind. Dem können und werden sich bei der Umsetzung von EU-Richtlinien auch Bundesregierung, Bundestag und Bundes- rat nicht entziehen. Wir sind sicher, dass die Landesregierung auf Bundesebene dazu beitragen wird, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Da- tenschutzes auch in Bundesgesetzen konkret ihren Niederschlag finden.

6. Ein drittes Ziel, das die Innenministerkonferenz am 4. September (neben Anti- Terror-Datei und optimierter Videoüberwachung) beschlossen hat, ist – so wört- lich – „die Verbesserung des Ausländerrechts zur Gefahrenabwehr“.

Es mag ja richtig sein, auch das Ausländerrecht daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang es zur Gefahrenabwehr geeignet ist und genutzt wer- den kann. Für die SPD-Landtagsfraktion möchte ich allerdings auch bei dieser Gelegenheit davor warnen, Sicherheit und Zuwanderung gegeneinander aus- zuspielen. Sicherheitsgesetze sollen uns vor Terrorismus und Kriminalität schützen. Wir sollten die Sicherheitsdebatte aber nicht dazu missbrauchen, mit pauschalen ausländerfeindlichen Verdächtigungen Zuwanderung zu verhindern und Ausländergesetze zu verschärfen.

Die Tatsache, dass nicht nur terroristische Aktivität sondern auch Schleuser- und Drogenkriminalität, Menschen- und insbesondere Frauenhandel internatio- nal sind und für verbrecherische Aktivitäten Schleswig-Holstein nicht nur als -6-



Transit-, sondern auch als Zielland benutzt und missbraucht wird, veranlasst uns als SPD-Landtagsfraktion nicht zu der pauschalen Schlussfolgerung, alle bei uns lebenden und zu uns kommenden Ausländer seien „von Haus aus“ kri- minell oder könnten es sein. Überlegungen, Bleiberechtsregelungen und Integ- rationsbemühungen mit Rücksicht auf die schrecklichen Ereignisse in New Y- ork, Washington oder anderswo zurückzustellen, erteilen wir eine Absage: Für islamistisch motivierte und orientierte terroristische Anschläge alle Muslime ver- antwortlich zu machen, ist unverantwortlich.

Wir wissen auch das Schicksal der zu uns kommenden und bei uns lebenden ausländischen Menschen bei unserer Landesregierung und speziell unserem Innenminister in guten Händen.