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28.01.09
15:51 Uhr
SPD

Olaf Schulze zu TOP 21: CCS-Versuchsprojekt in Schleswig-Holstein

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion
Kiel, 28.01.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 21, CCS-Versuchsprojekt in Schleswig-Holstein (Drucksache 16/2396)

Olaf Schulze:

Keine staatlichen Gelder für Sackgassenforschung in CCS!

In Politik und Bevölkerung wird zurzeit intensiv über die sichere und günstige Energie- versorgung der Zukunft (auch aus Klimaschutzgesichtspunkten) diskutiert. Vielfach wird dabei von „CO2 freien Kraftwerken“ – wobei der Begriff „CO2-frei“ sicher unzutref- fend ist - als Lösung berichtet und dies, obwohl die Kohlenstoffabscheidungstechnolo- gie (CCS) noch sehr lange nicht marktreif angeboten werden kann.

Die SPD Schleswig-Holstein hat sich im Herbst letzten Jahres mit der CCS- Technologie befasst und nach eingehender Beratung das Fazit gezogen: Die CCS- Technologie ist insgesamt abzulehnen. Diesem Fazit schließe ich mich an, das gilt auch für die von der FDP vorgeschlagene Aufnahme eines EU-Forschungsprojektes am Standort Brunsbüttel und die Eignungsprüfungen geologischer Lagerstätten in Schleswig-Holstein: Schleswig-Holstein darf nicht zur CO2-Deponie Deutschlands werden.

Der Bau neuer Kohlekraftwerke kann nicht mit dem Hinweis auf die spätere Einführung der „Carbon Capture and Storage“-Technologie (CCS) zur Kompensation der CO2- Emissionen legitimiert werden. Die CCS-Technologie ist zu teuer, verschlechtert die Energieeffizienz und wird - wenn überhaupt - viel zu spät zum Einsatz kommen. Ich darf hier das Umweltgutachten des Deutschen Bundestages zitieren: „Aufgrund der Altersstruktur des deutschen Kraftwerksparks erscheint die CCS-Technologie als



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Übergangslösung gerade für die deutsche Klimaschutzstrategie besonders prob- lematisch“ und „da die Technologie zu spät kommt, käme nur eine Nachrüstung infra- ge, die die Kosten noch einmal zusätzlich erhöht. Angesichts der ohnehin fraglichen Wettbewerbsfähigkeit erscheint – neben der generellen Machbarkeit im großtechni- schen Maßstab – gerade die Strategie der Nachrüstung besonders fragwürdig.“

Ich habe den Eindruck, dass die CCS-Technologie zurzeit eher als Feigenblatt miss- braucht wird, um weiter an großen Kohlekraftwerken festzuhalten und neue zu bauen. Dabei wird der Schutzschild der Forschungsfreiheit auch zu CCS hochgehalten. Hier muss aber die Politik rechtzeitig und klar sagen, wohin sie staatliche Forschungs- gelder lenken will, um keine Forschungssackgassen zu unterstützen. Professor Hoh- meyer hat hier in Kiel dazu angemerkt, dass es ihn nicht verwundert, wenn Wissen- schaftler heute Blankoschecks zu Forschungsergebnissen in 20 Jahren abgeben – die Einlösung dieser Schecks in 20 Jahren ist dann voraussichtlich die Aufgabe der nächs- ten Generation von Wissenschaftlern.

Die gegenwärtig untersuchten Verfahren zu CCS verursachten relativ hohe Kosten, hohe energetische Verluste (bei der CCS Technik würden bis zu 15 % Wirkungsgrad verloren gehen. Das würde bedeuten, dass die Effekte der neuen Kraftwerke gegen- über den alten gleich Null wären) und steckten noch in einem frühen Forschungsstadi- um. Auch die Transporte von CO2 von den Kraftwerken zu den vorgesehenen Endla- gern und die geologische Eignung solcher Endlagerstätten sind fragwürdig. Der Transport auf langen Strecken mit LKWs, Pipelines oder Schiffen ist unwirtschaftlich. Die gedachte Lagerung in entleerten Öl- und Gasfeldern setzt erhebliche und kostspie- lige geologische Untersuchungen voraus, wenn sie sicher sein soll.

Die Frage nach ausreichend geeigneten Lagerungskapazitäten ist darüber hinaus weltweit nicht geklärt. Deshalb gibt es auch keine verlässliche Einschätzung der möglichen Bedeutung von CCS für den globalen Klimaschutz. Die wirtschaftliche -3-



Erschließbarkeit und Nutzungsmöglichkeit von Lagerstätten hängt jedoch von einer Reihe geologischer Details, ökonomischer, rechtlicher, und politischer Rahmenbedin- gungen sowie der gesellschaftlichen Akzeptanz ab. Die Reaktionen der Landräte der betroffenen Kreise sollten wir uns hier noch einmal vor Augen führen. Sie waren nicht gerade positiv, die Bedenken waren groß.

Faktisch ist nur eine wesentlich geringere Kapazität nutzbar, weil es Konkurrenz durch alternative Nutzungsformen wie Geothermie, saisonale Erdgasspeicher oder Druckluftspeicher als Energiespeicher gibt und weiter geben wird. Aber gerade hierfür brauchen wir diese Speicherformen – und nicht für die ewige Lagerung von CO2.

Außerdem bestehen Sicherheitsrisiken vor allem bei einer angedachten Lagerung für 1.000 bis 10.000 Jahre: Geochemische Prozesse durch saures CO2-Wasser-Gemisch, Ausweitung von Rissen durch Überdruck der CO2-Injektion, Leckagen, seitliche Aus- breitung des verdrängten Formationswassers.

Wir wollen keine Kraftwerksdinosaurier, sondern setzten auf kleinere, dezentrale Kraftwerke. Sie bieten größere Flexibilität, geringere Leitungsverluste, leichtere Wär- menutzung, leichtere Integration von biogenen Energieträgern. Deshalb sollten sich Forschung und Entwicklung auf diese Energieträger konzentrieren.

In diesem Zusammenhang ist es geradezu ein Hohn, wenn die Energieriesen nun staatliches Engagement in Höhe von 6,5 Milliarden Euro für den Aufbau einer Infra- struktur zur CO2-Abtrennung und -Speicherung fordern. Hier hat Bundesumweltminis- ter Sigmar Gabriel, dessen Haltung zu CCS ich ansonsten nicht teile, zu Recht die Forderungen rigoros zurück gewiesen.

Das bisher angepeilte Zieljahr 2020 für die kommerzielle Verfügbarkeit im Kraftwerks- maßstab gilt in Fachkreisen als äußerst ambitioniert und kommt ohnehin für den Groß- -4-



teil der deutschen Kraftwerksneubauten zu spät. Wegen der vielen geplanten neuen Kraftwerke müsste die Einführung von CCS so schnell wie möglich erfolgen, da sich sonst das Zeitfenster hierfür schließt und für viele Dekaden verschlossen bleibt. Schon aus der zeitlichen Betrachtung kann deshalb CCS kein Argument für neue Kohle- kraftwerke sein.

Angesichts des umfangreichen Forschungsbedarfs in der Frage der geologischen Speicherung von CO2, der Nutzungskonflikte und ihrer Bewertung, des fehlenden Re- gulierungsrahmens und der zu erwartenden Akzeptanzdiskussion wird die CCS- Technologie - so oder so - nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, wenn die in Deutschland selbst gesetzten Klimaziele erreicht werden sollen. Ich warne deshalb vor einem Irrweg, der ähnlich wie bei der Atomenergie gewaltige Finanzen verschlingen wird und am Ende ergebnislos abgebrochen werden muss.

Uns liegen nunmehr 2 gegensätzliche Anträge von FDP und Grünen vor. Ich beantra- ge daher, beide Anträge in die Ausschüsse Umwelt und Wirtschaft zu überweisen.