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15.12.10
10:58 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 4, 11, 19, 33, 43, 44, 45, 46, 47: Schleswig-Holstein braucht den Politikwechsel

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 15. Dezember 2010



TOP 4, 11, 19, 33, 43, 44, 45, 46, 47: Gesetzentwürfe zum Haushaltsplan 2011/2012; Einzelanträge zum Haushalt



Ralf Stegner:
Schleswig-Holstein braucht den Politikwechsel
Orientierung geben – gut regieren – Zukunftschancen nutzen!


Vor wenigen Monaten haben wir in der Folge der größten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit über die prekären kommunalen Haushalte und das strukturelle Defizit debattiert. Sie haben uns mit großem Pathos immer wieder die Schuldenbremse als „großartiges Allheilmittel“ für jedes politische Übel vorgehalten und uns vor griechischen Verhältnissen gewarnt. Nunmehr steht mit Irland ein Land nahezu unter Insolvenzverwaltung, das vor kurzem als Paradebeispiel neoliberaler Politik gepriesen worden war: Niedrige Steuern, geringe Staatsquote und zweistellige Wirtschaftswachstumszahlen – wie wir jetzt wissen, Sinnbild für eine Politik ohne Maß und Weitsicht.
Ja, wir haben gemeinsam mit großer Mehrheit eine Schuldenbegrenzung in die Verfassung unseres Landes aufgenommen. Wir haben zugleich gemeinsam eine Resolution beschlossen, in der es heißt „Dazu müssen Einnahmen und Ausgaben des Landes wieder in Einklang gebracht werden.“
In Einklang - das meint eine vernünftige Balance. Ihr Haushaltsentwurf zeigt ein anderes Bild. Die Einnahmeseite haben Sie komplett ausgeblendet, erst nach Vorschlägen von SPD und 2



Grünen wagten Sie sich zaghaft daran, aus diesen Vorlagen einige wenige Punkte abzuschrei- ben.
Trotz allem medialen Theater war immer klar: Sie werden Ihre knappe Mehrheit heute durchbringen. Kein Heldendrama, bei dem Abgeordnete ihre Überzeugung über den Machtwillen stellen, auch keine Tragödie, in der Abgeordnete gerne wollen, aber nicht dürfen oder können. Nein, eher eine Farce, kurz bevor Ihre Regierungszeit endgültig abläuft. Und was sagte der Herr Ministerpräsident am Sonntag im NDR? „Auch wenn der Haushalt scheitert, wird diese gut funk- tionierende Koalition einfach weiterarbeiten.“
Nein, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, dieses Ausmaß an Realitätsverlust bekümmert selbst die Opposition, auch wenn ich dazu nicht den Vergleich wähle, den der Kollege Kubicki für den Zustand der FDP verwendet hat. Die Pressemitteilung der Koalitionsfraktionen über die adventliche Einigung zum Haushalt ist geradezu brüllend komisch – sie könnte durchaus aus der englischen Politiksatire „Yes Minister“ stammen.
Vom Oppositionsführer wird normalerweise erwartet, dass er schonungslos mit der Regierungspolitik dieser konservativ-liberalen Regierungskoalition abrechnet. Das wäre auch ein Leichtes: Schon die Kurzaufzählung der Stichworte Kita-Gebührenfreiheit, Universität Lübeck, UKSH, Schulgesetz, Schülerbeförderungskosten, Minderheitenpolitik oder Stimmverhalten im Bundesrat dokumentiert, was in Schleswig-Holstein jeder weiß. Diese Landesregierung kann es nicht. Ihre Politik bezieht betroffene Menschen nicht mit ein. Sie ist unsozial, voller regionaler Unwuchten, erschreckend unprofessionell und ohne Seriosität.
Es lohnt also nicht, dies nachzuzeichnen. Deshalb will ich mehr über das sprechen, was mir am wichtigsten erscheint, nämlich Orientierung. Was sind die Werte und Ziele unserer Politik? Die Menschen wollen von der heutigen Opposition, die bald Regierung sein wird, wissen, welche Alternative wir anzubieten haben. Dies will ich Ihnen anhand unserer Schwerpunkte im Landeshaushalt darlegen und zugleich einen weiteren Unterschied zu Ihrer Politik aufzeigen. Für uns steht der Respekt vor den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, das Augenmaß im konkreten politischen Handeln und damit der Mensch im Mittelpunkt unserer Vorstellung von einer guten Regierungspolitik für Schleswig-Holstein. 3



I. Bestandsaufnahme: Das Scheitern von Schwarz-Gelb
Ganz ohne eine kritische Bestandsaufnahme geht es aber natürlich auch nicht. „Im Anfang war das Wort“, so beginnt der Prolog im Johannes-Evangelium. Wir werden es in der Weihnachtszeit vielfach hören. Man kann auch sagen „Am Anfang war der Geist, der Gedanke“. Ihre Politik beginnt mit dem Gegenteil davon. Sie folgt dem Motto: „Im Anfang war die Zahl.“ Kein Konzept, keine Politik, aber im ganzen Land Porzellan zerdeppert.
Zu Ihrer Haushaltspolitik passt ein Zitat des Mediziners Robert Koch. „Wenn ein Arzt hinter dem Sarg seines Patienten geht, folgt manchmal tatsächlich die Ursache einer Wirkung.“ Wie ein solcher Doktor Eisenbart, Herr Ministerpräsident, kommen Sie mir vor, wenn Sie den Demonstranten vom Blindenverein sagen, wie Sie es doch bedauern, dass Ihre Politik ach so alternativlos sei.
- In der Bildungspolitik haben Sie ein heilloses Desaster angerichtet. Im Kern wollen Sie immer noch zurück zu einem 3-Klassen-Bildungssystem. Sie zerstören die kommunalen Planungen, Sie bringen die Eltern, Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen und Lehrer gegen sich auf. - Sie diskutieren doch tatsächlich tagelang, ob Sie neue Studienplätze, an Niedersachsen abtreten, weil wir uns das „nicht leisten können“. Nicht leisten können wir uns diese Gestrigkeit! Welche andere Zukunftschance hat denn Schleswig-Holstein überhaupt, als Kinder und Jugendliche und ihre Bildung als den wichtigsten Reichtum unseres Landes zu behandeln! - Die Landesregierung hat sich daran gemacht, den Universitäten in Flensburg und Lübeck den Garaus zu machen. Da bekommen die Lübecker einen Preis für ihre erfolgreiche Protestaktion gegen Ihre Politik und die Landesregierung hat die Stirn, dazu auch noch zu gratulieren, statt sich in Grund und Boden zu schämen, dass man die Bürgerinnen und Bürger vorsätzlich getäuscht und zum Spielball einer schlechten Politik gemacht hat.
- Die Landesregierung hat tatenlos zugesehen, wie die HSH-Nordbank immer stärker mit kriminellen Vorgängen in Zusammenhang gebracht wurde. Schleswig-Holstein ist mit Hamburg Eigentümer dieser Bank und die Parlamente beider Länder haben 2009 zusätzliches Eigenkapital in Höhe von je 1,5 Milliarden Euro zugeführt. Aber statt die Bank endlich wieder in ein vernünftiges Fahrwasser zu bringen, darf Herr Kopper dem 4



scheidenden Vorstandsvorsitzenden pünktlich zur heutigen Landtagssitzung eine Millionen schwere goldene Brücke bauen. Verantwortung: Totalausfall. Frohe Weihnachten, Professor Nonnenmacher! - Und dann wollen Sie der Bundesregierung in der Atompolitik folgen. Diese kündigt den breit akzeptierten Atomkonsens, sie will längere Laufzeiten älterer Reaktoren, aber die Entsorgung des Atommülls den kommenden Generationen zu horrenden Kosten überlassen. Sie sagen ja, wenn dafür Geld in die Landeskasse fließt. Für diese Politik gibt es in Schleswig-Holstein keine Mehrheit. - In einem Punkt war die Landesregierung sehr verlässlich. Sie hat an vielen Punkten exakt das Gegenteil getan von dem, was sie den Wählerinnen und Wählern vorher versprochen hatte. Als Beispiel hierfür mag der Wahlkampfschlager vom beitragsfreien Kita-Jahr gelten. Nach der Wahl: Versprechen gebrochen, beitragsfreies Kita-Jahr mit schwarz-gelber Mehrheit abgeschafft. Vor der Wahl Schülerbeförderungskosten in öffentlicher Verantwortung – versprochen, nach der Wahl: Versprechen gebrochen, die Eltern sollen wieder selbst zahlen. Vor der Wahl Verzicht auf Privatisierung des Universitätsklinikums versprochen, nach der Wahl: Versprechen gebrochen, Millionen schwere Markterkundungsverfahren als Vorstufe von Privatisierung eingeleitet. Vor der Wahl Bekenntnis zu Gleichstellung dänischer Schülerinnen und Schüler, nach der Wahl: Versprechen gebrochen, Förderung drastisch reduziert. Ihre Politik des konsequenten Wortbruchs zerstört Vertrauen in Demokratie und Regierungs- fähigkeit. Und reden Sie sich nicht mit der Schuldenbremse heraus: Als diese Versprechen abgegeben wurden, stand die Schuldenbremse schon längst im Grundgesetz.
Diese Landesregierung ist die schlechteste, die Schleswig-Holstein je hatte.
II. Politische Orientierung in Zeiten der Veränderung: Anforderungen an gutes Regieren Die große Herausforderung für uns alle ist es, bei den Bürgerinnen und Bürgern verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Auch eine SPD-geführte Regierung stünde vor der Herausforderung, die prekäre Haushaltslage und die Schuldenbegrenzung in unserer Verfassung zu beachten. Unser Konsolidierungskonzept beinhaltet daher ein Zusammenwirken 5



von Investitionen in die Zukunft, Kürzung bei den Ausgaben, Verbesserung der Einnahmen und überfälligen Strukturveränderungen.
Jede Strategie für einen im Jahr 2020 ausgeglichenen Haushalt darf nicht außer Acht lassen, dass auch kurzfristige Investitionen zu langfristigen Erträgen führen. Dieses Augenmaß fehlt im Haushalt dieser schwarz-gelben Interimsregierung. Die Menschen in Schleswig-Holstein wünschen sich eine zukunftsorientierte Alternative zum aktuellen Regierungschaos. Politik muss für die Menschen da sein, sie muss die Gesellschaft in ihrem Zusammenhalt stärken, die starken Schultern müssen mehr Lasten tragen als die schwachen. Die durch Schwarz-Gelb forcierte Umverteilung von unten nach oben entzieht diesem solidarischen Grundgedanken die Basis.
Der Wunsch nach gesellschaftlichem Miteinander ist übrigens unabhängig vom Parteibuch. Die täglich eingehenden Meinungsäußerungen, Resolutionen und Beschlüsse von Kreistagen, von Verbänden und Betroffenen gegen Ihre Politik kann man kaum zählen. Es wird Zeit für neues Denken, gute Politik und vor allem Gerechtigkeit. Gerechtigkeit und gute Politik stärken die Schwachen der Gesellschaft.
(Ich sage bewusst nicht, die sozial Schwachen. Vor kurzem schrieb mir jemand einen Brief und befand, dass die Bezeichnung sozial schwach für die eigentlich Gemeinten falsch sei. Gerade Menschen mit wenig Geld sind häufig sozialer, sie tragen mehr bei zu unserer Gesellschaft als diejenigen, die auf Kosten des Gemeinwohls leben und sich bereichern. Steuerbetrüger und Lobbyisten sind die wahrhaft sozial Schwachen. Wo wird mutig und entschlossen dagegen angegangen? Leider nicht in Schleswig-Holstein, solange Sie noch geschäftsführend im Amt sind.)
Nichts ist mutig daran, bei Kindern und Eltern, bei Bildung und sozialen Hilfen abzukassieren. Mutig wäre es, sich mit mächtigen Interessen anzulegen. Wir wissen, dass in den vergangenen Jahren eine große Vertrauenserosion stattgefunden hat. Die Gesellschaft verliert ihre soziale Balance, Menschen beklagen das Abgeben falscher Versprechungen. Sie wenden sich ab von der Politik, die als planloser Aktionismus inmitten eines Meeres von Lobbyismus und Käuflichkeit wahrgenommen wird. Viele sehen die Gefahr, dass Zukunftsangst mutige Entwicklungen ausbremst. 6



Für uns Sozialdemokraten geht es um die Frage: Wohin wollen wir unser Land führen? Welche politische Orientierung, welche Ziele haben wir für Schleswig-Holstein für die nächsten 5 oder 10 Jahre?
Ich glaube, die Menschen in Schleswig-Holstein wollen in diesem wunderschönen Land vor allem gut leben. Und sie wollen, dass die Politik die Grundlagen dafür schafft, dass sie dies auch können. Und sie wollen, dass es bei der Gestaltung der Zukunft und bei Einschnitten, um die auch wir nicht herumkommen, einigermaßen gerecht zugeht. Dabei wissen wir, wie problematisch die öffentlichen Haushalte in Land und Kommunen aussehen.
Es gibt keine andere Zukunftsstrategie für unser Land, als sich auf seine Potentiale und Chancen zu konzentrieren statt auf Probleme und Risiken. Ich erinnere mich an das Leitmotiv von Björn Engholm „Wer arm ist, muss besonders schlau sein.“ Deshalb setzen wir auf Bildung, wir setzen auf gerechte Chancen, auf Beteiligung aller, auf ein modernes und sozial gestaltetes Schleswig-Holstein.
Seit der Finanzkrise beschäftigt mich mehr und mehr der Eindruck, dass es in unserer Gesellschaft eine Tendenz gibt, den Respekt voreinander zu verlieren. Beschäftigte, die hart und lange arbeiten, werden mit Hunger- und Dumpinglöhnen abgespeist. Sie werden am Arbeitsplatz bespitzelt. Was sagen eigentlich die z. T. miserablen Zustände in Krankenhäusern und Altenheimen, in der Pflege über unser Menschenbild aus? Wie steht es wirklich mit dem Respekt vor den Ideen, den Lebensweisen, der kulturellen oder religiösen Identität und der Leistung anderer? Wie steht es wirklich mit der Wertschätzung des bürgerschaftlichen Engagements, wenn wir das in Sonntagsreden loben, aber Sie mit Ihren Haushaltsvorschlägen ganz vielen, die ehrenamtlich für andere da sind, die professionelle Basis dafür entziehen, dass sie das auch können?
Ich glaube, da ist Handlungsbedarf für all die, die sich um eine gerechte, solidarische und menschenwürdige Gesellschaft bemühen. Wie diese Landesregierung den Sparhaushalt aufge- stellt hat, ist ein Paradebeispiel für mangelnden Respekt vor Menschen. Eindimensional kamen die Bürgerinnen und Bürger nur noch in Form von Kostenstellen vor. Respekt und gutes Regieren geht anders. 7



Gutes Regieren betrachtet Menschen als Beteiligte und Partner. Politisch ist das reine Kostendenken häufig das unproduktivste und unwirtschaftlichste Prinzip, das sich denken lässt. Das zeigt sich bei unterlassenen Investitionen in Bildung und Klimaschutz oder beim Atommüll. Die Zeche ist exorbitant und eine ungeheuere Hypothek für die Zukunft.
Die Menschen müssen im Mittelpunkt der Politik stehen. Das heißt:
1. Gute Politik muss die Solidargemeinschaft stärken und Chancengleichheit verwirklichen. Die individuellen Lebensrisiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Pflege bleiben über den Staat sozial abgesichert. 2. Nach den landespolitischen Wirrungen der vergangenen Jahre muss die Politik wieder ein hohes Maß an Planungssicherheit für die Zukunft schaffen. 3. Demokratie darf sich nicht auf Wahlen und Parlament beschränken, gute Politik muss die Menschen stärker beteiligen. 4. Gute Politik muss auch Freiräume für individuelle Leistungen schaffen. Schleswig- Holstein ist sehr stark geprägt von der mittelständischen Wirtschaft, vom Handwerk und kleinen Familienbetrieben. Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein muss der Wahrnehmung von Eigenverantwortung und der Leistungsförderung größeren Raum bieten. 5. Gute Politik wird von Werten und Zielen geprägt und getragen.


III. Unsere Vorstellung von der Zukunft; Haushaltsschwerpunkte: Investieren statt reparieren Gemeinsam wollen wir Schleswig-Holstein menschlicher machen durch gezielte Investitionen in die Bildung, durch gute Arbeit und bessere Chancen für Menschen mit Benachteiligungen gerade auf dem Arbeitsmarkt, durch die Bewahrung und den Schutz unserer Lebensgrundlagen, durch eine nachhaltige Integration zugewanderter Familien, durch Geschlechtergerechtigkeit, durch demokratische Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger und durch einen wirksamen Schutz ihrer Rechte und ihrer Sicherheit.
Ja, wir bekennen uns ausdrücklich zum finanzpolitischen Ziel der Haushaltskonsolidierung und des Schuldenabbaus. Wir wissen um unsere Verpflichtung, unseren Kindern und Enkeln keinen 8



riesigen Schuldenberg hinterlassen zu dürfen. Wir stellen aber auch fest, dass die übliche Vorgehensweise der Haushaltspolitik, Sozialausgaben zu kürzen und das Personal abzubauen, nicht zu einer langfristigen Konsolidierung geführt hat. Eine solche Politik des Rotstifts bringt bestenfalls kurzfristig Entlastung, führt zu einem Anstieg von sozialen Kosten. Ich zitiere Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen: „Wir stehen für eine nachhaltige Finanzpolitik. Wir müssen jetzt den Mut haben, in Vorbeugung, Betreuung und Bildung zu investieren. Wir bekennen uns offen und selbstbewusst dazu, dass dies zunächst höhere Ausgaben und ggf. zusätzliche Schulden bedeutet. Aber wir sind davon überzeugt, nur eine mutige Politik, die auf die Stärkung von Familie, auf Prävention, auf beste Bildung von der Kita bis zu Hochschule zielt, führt im zweiten Schritt zu Wirtschaftswachstum und höheren Steuereinnahmen und sinkenden Staatsausgaben. Wir haben den Mut zu einer neuen Finanzpolitik.“
Unsere Vorstellungen von der Zukunft finden sich wieder nicht nur in unseren Haushaltsschwerpunkten, sondern auch in der Devise für das, was wir tun wollen, wenn wir dieses Land wieder regieren:
1. Gute Arbeit: Das Fundament unserer Gesellschaft ist und bleibt gute Arbeit und Mindestlöhne, von denen man leben kann, bleiben das A und O. Dabei übrigens ist auch klar, dass für die Haushaltes es viel besser ist, wenn Menschen Steuern und Beiträge bezahlen können anstatt dauerhaft von Sozialtransfers zu leben oder von Steuern bezahlte Aufstockungen ihrer Armutslöhne akzeptieren zu müssen. Wir brauchen ein Investitionsprogramm für den Ausbau erneuerbarer Energien mit neuen innovativen Arbeitsplätzen im Mittelstand und im Handwerk quer durch das Land.
Es gibt Arbeit ohne Ende bei der Kinderbetreuung, in der Bildung, bei der Pflege und in der Gesundheit.
2. Beste Bildungschancen: Wenn wir Sozialdemokraten wieder regieren, werden wir vom ersten Tag an konsequent darauf hinarbeiten, dass in Schleswig-Holstein künftig kein Kind mehr zurückgelassen wird. Wer frühzeitig in gute Bildung investiert, in die Kinder- und Ganztagsbetreuung, passgenaue Hilfen für Alleinerziehende und Familien, in eine Vorsorge der sozialen Integrationspolitik, der sorgt am besten für die Zukunft vor, weil er 9



direkt in die Zukunft investiert. Eine solche präventive Politik wird sich mittelfristig und erst recht langfristig auch finanziell rechnen. Wir investieren mit unseren Vorschlägen deswegen in erster Linie in die Zukunftschancen unserer Kinder und Enkel und in die Zukunft des Landes und des Wirtschaftsstandortes Schleswig-Holstein. Wenn wir es nicht schaffen, mehr junge Menschen zu besseren Schulabschlüssen zu führen, wird unser Land keine Zukunft haben. Dass in Dänemark 80 % aller Kinder Abitur machen, bei uns aber nur 45 %, bei Migranten sind es 12 %, das kann nicht an den Genen liegen, das hat politische Ursachen. Eine neue sozialdemokratische Landesregierung muss und wird dafür arbeiten, dass künftig mindestens 70 % der Schülerinnen und Schüler das Abitur schaffen können.


Dies geht nur über die Stärkung der Gemeinschaftsschulen, über längeres gemeinsames Lernen. Abitur mit G 8, Gemeinschaftsschule mit G 9 – das ist der Weg und nicht Ihr teures Y-Chaos. Beste Bildung, gleiche Chancen auch für Migrantenkinder, ge- bührenfreie Bildung von der Kita bis zum Studium, weil alles andere als soziale Schranke gegen gesellschaftlichen Aufstieg wirkt. Größere Anstrengungen bei der Reform der Lehrerausbildung. Wir müssen und wir werden in die frühest mögliche Entwicklung von Kindern investieren, hier bereits entscheiden sich häufig Lebenschancen, Glück und gutes Leben der Menschen. Tun wir das nicht, wird das Land ärmer, weil die gesellschaftlichen Kosten unterlassener Bildung immens sind.
Internationale Studien haben für entwickelte Länder eine Bildungsrendite von 13,3 % mehr Wirtschaftsleistung für ein zusätzliches Jahr an Schulen und Hochschulbildung errechnet. Bildung ist tatsächlich der entscheidende Rohstoff der Zukunft. Eine solche präventive Politik beseitigt Ungerechtigkeiten. Unsere Kinder und Jugendlichen sollen starke Persönlichkeiten werden, ihre Talente entfalten, ihre Potentiale ausschöpfen und ihr Leben meistern können. Klar ist dabei auch, ob und in welchem Umfang unsere Bildungspolitik erfolgreich sein kann, entscheidet sich zuerst in den Städten und Gemeinden. 10



Deshalb brauchen wir mehr finanzielle Anstrengungen des Bundes, des Landes und der Kommunen. Es bedarf eines 10jährigen Kraftaktes. Und dafür muss auch die Verfassung geändert werden. Den entsprechenden Antrag, der die Landesregierung auffordert, dies im Bundesrat auf die Tagesordnung zu setzen, haben wir gestellt.



3. Die Verbesserung der Situation von Eltern und Familien
Das Schlüsselthema für die Eltern in der Rushhour ihres Lebens, also zwischen 25 und 45, ist die Frage, wie können sie Familie und Beruf gut miteinander vereinbaren. Also beitragsfreie Kitas und Ausbau der Betreuungsangebote für unter 3-jährige. Wir haben in der letzten Zeit viel darüber gelesen, dass sich die Mittelschicht große Sorgen macht um Existenz und Zukunft. Die Familien, über die wir sprechen, haben nicht nur die häufig teure Erziehung ihrer Kinder zu leisten, sie stehen auch vor der Herausforderung der Pflege ihrer Eltern und sie sollen häufig stärker für die eigene Rente vorsorgen. Diese Mehrfachbelastung gehört zu den Themen, die wir uns künftig genauer ansehen müssen; um so sicherer bin ich aber, dass wir mit dem Ziel der gebührenfreien Bildung von der Kita bis zum Studium genau das richtige tun. Diese Entlastung ist größer als bei jeder z. Z. denkbaren Steuerreform.



4. Neue Energie:
Die konsequente Energiewende schafft nicht nur Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein, sondern mit dem Ausstieg aus der Atomenergie, mit der konsequenten Vorfahrt für erneuerbare Energie, mit den Leitungsnetzen in öffentlicher Hand schaffen wir die Vorbedingungen dafür, dass wieder in den Kommunen vor Ort entschieden wird und dass unsere Kinder und Enkel noch in Wohlstand leben können.
5. Mehr Demokratie wagen, Bürgerinnen und Bürger beteiligen Wir werden am Freitag über die Fehmarnbelt-Querung diskutieren. Da geht es nicht um das Ja oder Nein, da es einen Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark gibt. Aber es geht sehr wohl um die Frage, wie die Interessen der Region artikuliert und durchgesetzt werden 11



können, wenn sich Bundes- und Landesregierung darum zu wenig kümmern. Bürgerinnen und Bürger stärker zu beteiligen, ist eine Stärke der Demokratie.
All dies sind Eckpfeiler einer gesellschaftspolitischen Erneuerung, die Sie versäumen. Ich bin sicher, dafür können wir die Mehrheit der Menschen unseres Landes gewinnen.
Ich glaube, wir brauchen Mut, das richtig Erkannte auch beherzt anzupacken. Ich zitiere Oskar Negt: „Der Tod der Utopien, der nach 1990 so lauthals gefeiert wurde, hat auch dazu geführt, dass wir es in Wirtschaft und Politik mit sogenannten Realisten, Tatsachenmenschen zu tun haben, die nur noch darauf verweisen, was nicht geht, so dass die Potentiale, die in der Gesellschaft stecken, nicht zur Entfaltung kommen.“
Wir können – siehe Gemeinschaftsschule – Mut schöpfen aus dem, was wir selbst bereits gewagt haben und daran misst sich auch das umfangreiche Haushaltspaket, was die SPD vorgelegt hat, dessen wichtigster Schwerpunkt es ist, trotz der Haushaltslage und trotz der Verpflichtung, die wir mittragen, in 10 Jahren aus der Neuverschuldung auszusteigen, einen Schwerpunkt im Bereich der Bildung zu setzen.
Deshalb noch einmal zusammengefasst:
1. Wir stehen zu den Vereinbarungen zu Zeiten der Großen Koalition, dass das letzte Kindergartenjahr für die Eltern gebührenfrei sein soll. Wir sind auch weiterhin davon überzeugt, dass es möglich sein kann und möglich sein muss, einen Stufenplan zur Einführung der gänzlichen Gebührenfreiheit umzusetzen. (Andere Bundesländer sind dazu auch in der Lage, obwohl es ihnen finanziell keineswegs rosiger geht als uns.) 2. Wir stehen zu der Vereinbarung aus der Großen Koalition, dass es keine Verpflichtung der Kreise geben sollte, die Eltern an den Kosten der Schülerbeförderung zu beteiligen. (Das gilt für die Schülerinnen und Schüler selbstverständlich, egal, ob sie deutsche oder dänische Schulen besuchen.) 3. Wir stehen zu unserer Minderheitenpolitik, wie wir sie in 21 Jahren Regierungspolitik formuliert haben. Einer der Eckpfeiler ist es, dass die Schulen der dänischen Minderheit nicht mit deutschen Privatschulen über einen Leisten geschlagen werden dürfen und 12



dass sie deshalb auf der Basis von 100 % entsprechend Schülerkosten an deutschen Schulen finanziert werden müssen. 4. Die SPD setzt auch im Sozialbereich auf einen moderaten Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Wir können nicht wahllos Einsparungen in diesem Bereich vornehmen, es muss genau überlegt und gerechnet werden. Wir schlagen neue Sozialverträge vor. Neben den Sozialverträgen I und II zwei weitere, die dann mit moderaten Kürzungen verbunden sind, aber auch Planungssicherheit beinhalten müssen. Die Landesregierung muss endlich wieder vertragstreu sein.


IV. Umbau mit Augenmaß statt Abbruch: Ausgaben verringern, Einnahmen steigern
Solche Kürzungen im Sozialbereich, wie Sie sie vorschlagen, werden die Gesellschaft in Zukunft viel teurer zu stehen kommen als Sie jetzt einsparen. Nicht umsonst stehen jede Woche die Menschen vor unserer Tür und warnen uns vor diesen drastischen Einschnitten. Sie haben die größten Demonstrationen der letzten Jahrzehnte provoziert. (Immerhin haben Sie dafür gesorgt, dass sich Menschen wieder engagieren und auf die Straße gehen, um für ihre Überzeugung einzustehen. Geplant war dies sicher so nicht.)
Wenn wir bei Vereinen und kleinen Projekten kürzen, bedeutet dies meist eine Existenzbedrohung, da eine gleiche Kürzung auf kommunaler Ebene droht. (Vereine und Projekte brauchen eine Landesförderung, um zudem Drittmittel einzuwerben.)
Sie sparen an der falschen Stelle. (Den Betreuungsvereinen, die Minister Schmalfuß letzte Woche für ihre Arbeit und das Engagement zu recht noch hoch gelobt hat, werden 50 % gekürzt. Dabei spart die ehrenamtliche Betreuung der Landeskasse viel mehr ein. Diese Kürzung bedeutet mehr und teurere hauptamtliche Betreuer. Wurde an dieser Stelle eigentlich einmal richtig über den Haushalt nachgedacht? Welcher Hobby-Betriebswirt hat denn da seinen Rotstift geschwungen?)
Die Kürzung des Landesblindengeldes – Ihr Hauptbeitrag - ist nicht hinnehmbar. Das Landesblindengeld, das in erster Linie den Betroffenen zur Bewältigung des Alltags dienen soll, ermöglicht oftmals erst die Teilhabe in verschiedenen Bereichen des Lebens. Die Kürzung des 13



Blindengeldes mit dem gleichzeitigen Verweis auf die Sozialhilfe zeigt ganz deutlich, dass die Landesregierung Sinn und Zweck dieser Unterstützung nicht verstanden und aus kurzsichtigen Überlegungen heraus gehandelt hat. („Es ist davon auszugehen, dass die FDP Schleswig- Holstein sich auch in Zeiten schlechter Haushaltsbedingungen weiterhin für den Erhalt des Landesblindengeldes einsetzen wird“, so schrieb die Landesgeschäftsstelle der FDP vor wenigen Jahren. Weise Worte, denen natürlich keine Taten folgen.)
Der Nachteil bleibt, wenn das Blindengeld um die Hälfte gekürzt wird. Schleswig-Holstein würde damit das Schlusslicht in ganz Deutschland bilden.
(Die Eingliederungshilfe, der größte Haushaltstitel mit über 640 Millionen Euro, muss auf einem handlungsfähigen Fundament stehen. Im Zentrum der Politik für Menschen mit Behinderung muss die Sicherstellung ihrer umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stehen. Die Kommunalisierung der Verantwortlichkeit war richtig, um Hilfen aus einer Hand zu erbringen und die Vernetzung verschiedener Leistungen zu erleichtern.
In der Gesetzesänderung im Rahmen der Haushaltsanträge der regierungstragenden Fraktionen soll die Teilhabe von Menschen mit Behinderung eine größere Rolle spielen. Dies unterstützen wir ausdrücklich. Es ist auch richtig, die Eingliederungshilfe zukünftig stärker als bisher auch am Sozialraum zu orientieren, denn neue und sich verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen wirken sich auch auf das Leben und die Lebenswelt von Menschen mit Behinderung aus. Aber dieses ohne einen öffentlichen Prozess unter Einbindung der Betroffenen, ohne parlamentarische Beratung, ohne Fachanhörung zu gestalten, ist ein Affront gegen alle Betroffenen und das Parlament. Es handelt sich um den größten Haushaltstitel und alle normalen Beratungs- und Beteiligungsprozesse werden umgangen.)
Was Sie bei der Eingliederungshilfe vorschlagen, ist unglaublich und unser Eindruck ist, dass Barrierefreiheit und Inklusion eben nicht vorangebracht werden, wenn Sie den Schwarzen Peter zwischen den Ministerien hin- und herschieben und die Ausgaben für das Gesamtkonzept der Bildung für Menschen mit Behinderungen um 45 % senken. Wir werden nach den Neuwahlen alle verfügbaren Mittel für wahre Inklusion einsetzen. 14



Wir haben gemeinsam hier im Landtag ein vorbildliches Kinderschutzgesetz geschaffen. Nun schlagen Sie vor, die Kosten für die frühen Hilfen um ca. 40 % zu kürzen. Wie sollen klamme Kommunen dies ausgleichen? (Zudem drohen Kürzungen von 30 % bei den Kinder- und Jugendtelefonen, an die sich jährlich 40.000 Kinder und Jugendliche mit ihren Nöten wenden. Dasselbe bei den Familienbildungsstätten. Es ist eine Kürzung auf Kosten der Kinder.) Das tragen wir nicht mit. Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unseres Landes.
(Die aktiven Jugendlichen in unserem Land mit ihrem unermüdlichen Engagement wollen und können wir nicht im Regen stehen lassen. Wir bekennen uns nach wie vor zur Konsolidierung des Haushalts, aber es muss doch überlegt werden, dass nicht wichtige Strukturen zerstört werden. Das kommt uns in der Zukunft teuer zu stehen. Die Jugendverbände setzen sich für die Teilhabe aller jungen Menschen ein. Sie betreiben Bildungsarbeit, fördern die Solidarität unter Jugendlichen in der Gesellschaft. Wenn Bildung bei allen Fraktionen ein Schwerpunkt ist, dann hört das nicht bei Schulen und Universitäten auf, sondern muss auch bei den Jugendverbänden gefördert werden. Die Jugendlichen verlieren mit der Kürzung auch das Vertrauen in die Politik. Das gilt insbesondere für die Mädchentreffs, die innerhalb weniger Monate auf Null gesetzt werden. 20jährige Auf- und Ausbauarbeit jetzt als Anschubfinanzierung zu bezeichnen, das ist schon Zynismus ohnegleichen, wie man Ihren Pressemitteilungen ansehen kann. Sie waren nicht einmal bereit, den Einrichtungen 2011 wenigstens eine Übergangszeit einzuräumen, damit sie anderweitig Gelder für ihr Überleben einwerben oder andere Finanzierungskonzepte entwickeln können.
Es wurde auch nicht mit den Kommunen gesprochen, obwohl zur Begründung der kompletten Streichung der Förderung auch angeführt wurde, dass es eine kommunale Aufgabe darstelle. Das ist Ihr Politikstil. Bloß nicht mit den Betroffenen im Vorfeld sprechen. Falls noch irgend- welche Gründe für zügige Neuwahlen gefehlt haben, sollte mit den vorliegenden Giftlisten den Bürgerinnen und Bürgern Schleswig-Holsteins jeder Zweifel genommen worden sein.
Was für die Mädchentreffs gilt, die hervorragende Arbeit leisten, gilt auch dafür, dass Sie die Rechte der Kinder in unserer Landesverfassung gestärkt haben. Wir nehmen den Verfassungsauftrag sehr ernst. Sie brechen diesen schon, bevor er verabschiedet wurde. Insgesamt ist auffällig, dass die Landesregierung auf das Ehrenamt und privates Engagement 15



bei der Erledigung der sozialen Aufgaben setzt, damit soll Geld eingespart werden. Doch gleichzeitig kürzen Sie bei den Strukturen, die dieses Engagement der Bürgerinnen und Bürger benötigt.)
Mit Ihren Kürzungen bei Jugendverbänden, Mädchentreffs und Familienbildungsstätten zeigen Sie, dass keine Ideen und Konzepte hinter der Haushaltskonsolidierung stecken. Es ist Willkür und oberflächlicher Aktionismus ohne Ziel, Sinn und Verstand. Die Leidtragenden Ihrer Politik werden die hilfsbedürftigen Menschen, Kinder und Familien sein. Für uns ist die Familie das Fundament der Gesellschaft, heißt es in Ihrem Koalitionsvertrag. Warum nur werden die Familien durch Ihren Haushalt am meisten belastet? Warum zerstören Sie dieses Fundament?
Wir wollen die bewährten Sozialverträge I und II verlängern und auf dem bisherigen finanziellen Niveau fortführen. Diese Verträge geben Planungssicherheit und Gestaltungsspielräume. Es können Synergieeffekte entstehen und Bürokratie abgebaut werden. Mit den Sozialverträgen I und II wurde damals zwar auch eine Kürzung umgesetzt, kompensiert wurde dies durch Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Dies will die SPD auch auf den Bereich der Familien- förderung, anderer Lebensgemeinschaften und der Senioren- und Jugendarbeit ausweiten.
Im Bereich der Wirtschaftspolitik wollen wir die Subventionierung von Unternehmen durch einzelbetriebliche Förderung abschaffen. Einzelbetriebliche Förderung führt zu unerwünschter Wettbewerbsverzerrung und wird auch von Wirtschaftsverbänden sehr kritisch betrachtet. Den Unternehmen in Schleswig-Holstein wäre weit besser gedient, wenn die Regierungsfraktionen endlich wieder ein europakonformes Tariftreuegesetz beschließen würden, das von Gewerkschaften und Wirtschaft gleichermaßen gewollt ist.
(In dieser Tagung steht der Gesetzentwurf des SSW zur Diskussion und in den Ausschüssen liegt ein Antrag der SPD-Fraktion vor. Im Gegensatz zur einzelbetrieblichen Förderung werden mit der Tariftreue Strukturen grundlegend verbessert, Tariftreue nützt gerade den kleinen und mittleren Unternehmen Schleswig-Holsteins, sie nützt den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, sie schützt die Bürgerinnen und Bürger gegen Dumpinglöhne und Qualitätsabfall.)
Welche positive Auswirkung der ökologische Landbau für Natur, Umwelt und Klimaschutz hat, wird in den Reden der Regierung ständig betont. Wie sieht nun die finanzielle Wirklichkeit im 16



Haushalt aus? Die Regierung handelt verantwortungslos für die Zukunft. Schwarz-Gelb stellt als erstes Bundesland die Beibehaltungsförderung für den ökologischen Landbau ein mit der Folge, dass die Betriebe ihr Land wieder konventionell bewirtschaften, ökologische Erfolge auf ihren Flächen für Umwelt und Natur in ganz Schleswig-Holstein bald verloren sind. (Sie kürzen den Zuschuss für Gemeinwohlleistungen im Landeswald, Förster sollen lieber Holz hacken statt für Kinder im Wald Natur und Umwelt erlebbar zu gestalten und Waldkindergärten zu Gast zu haben.)
Das Freiwillige ökologische Jahr wird kräftig zur Ader gelassen werden, die Plätze, die das Land im Ergebnis weniger kosten als sie volkswirtschaftlich erbringen, werden reduziert, jugendliches Engagement für Umwelt, Natur und Tourismus geht verloren. Stärker kann die haupt- und ehrenamtliche Arbeit in diesem Bereich gar nicht demotiviert werden. Projekte für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Themen, bei denen wir in Deutschland einmal beispielhaft und erfolgreich waren, werden um fast 50 % gekürzt, als ob Klimaschutz in und für Schleswig-Holstein, dem Land zwischen den Meeren, keine Bedeutung hätte.
(Dass die Verbände im Umweltschutz und der Eine-Welt-Politik bald nur noch Händedruck statt Landesmittel erhalten, ist nur eine weitere Facette dieser blinden Sparpolitik ohne Ziel und Verstand.)
(Insgesamt herrscht im Hause der Landwirtschaftsministerin eine Sparwut, die die engagierte Arbeit der Beschäftigten verhöhnt und die über Jahre aufgebauten Strukturen unter dem Deckmantel der Verwaltungsmodernisierung fern von den Menschen zentralisiert. Leider keine Übertragung von Landesaufgaben vor Ort auf die kommunale Ebene, nur blindes Kürzen.)
Nicht nur hier, auch in den Rathäusern des Landes finden derzeit Haushaltsberatungen statt. Wir haben in der Vergangenheit auch unter Beteiligung der SPD in der Großen Koalition den Kommunalpolitikerinnen und –politikern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kommunal- verwaltung viel zugemutet, um die Finanzen des Landes zu konsolidieren. Aber nun, da die Kommunen, die sich aufgrund der verbesserten Wirtschaftslage über Mehreinnahmen aus Schlüsselzuweisungen freuen könnten, die vor Ort sicher vorrangig zur Sanierung der Haushalte und dringend benötigter Investitionen zu verwenden wären, müssen sie sich darauf einrichten, dass im nächsten Jahr die Opfer ihrer Sparpolitik an die Rathaustüren klopfen werden. Was 17



sollen die Beratungsstellen für Frauen, Migranten, Familien, Senioren, Behinderte auch sonst machen, wenn die Alternative sonst in der Einstellung der Arbeit besteht.
Natürlich werden die Träger dieser Einrichtungen versuchen, zumindest einen Teil des Verlustes aus den sogenannten freiwilligen Leistungen der Städte, Kreise und Gemeinden ersetzt zu bekommen. Dieser Begriff „freiwillig“ passt übrigens nicht. Vieles, was freiwillig heißt, ist Pflichtaufgabe im Sozialstaat.
(Ein Beispiel aus der Praxis. Die von Ihnen so hoch gelobte Familienbildungsstätte muss einen Mietzuschuss bei der Stadtverwaltung beantragen, da trotz Verzichts auf eine tarifliche Entlohnung, freiwillige Mehrarbeit der Beschäftigten und erheblichem ehrenamtlichen Engagement im Umfeld eine Aufrechterhaltung des Angebots nicht mehr möglich ist. In dieser Familienbildungsstätte werden u. a. Tagesmütter ausgebildet, Elternkurse und das Welcome- Projekt organisiert.)
Nicht nur den Kommunen, auch den Beamtinnen und Beamten unseres Landes, insbesondere denen von Polizei, Feuerwehr und Justizvollzug haben wir in den vergangenen Jahren vieles abverlangen müssen. (Als damaliger Innenminister habe ich schmerzhafte Einschnitte bei der Heilfürsorge, beim Weihnachtsgeld und der Personalentwicklung, bei der Erhöhung der Wochen- und Lebensarbeitszeit vertreten müssen. Auch hierzu stehe ich noch heute, allerdings nicht, um mit den eingesparten Mitteln die Ausfälle für Steuergeschenke an reiche Erben, Hotelbesitzer und Besserverdienende zu finanzieren, sondern um die Finanzen des Landes zu sichern.)
Wir hatten aber versprochen, dass sie ihren Beitrag damit geleistet haben. Daher lehnt meine Fraktion die Erhöhung des Pensionsalters für Beamte im Vollzugsdienst ab. Diese Versprechen haben übrigens ausdrücklich die Kollegen Kalinka und Kubicki abgegeben. (Ich darf an dieser Stelle mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einmal aus einem Redebeitrag des geschätzten Kollegen Werner Kalinka vor diesem Hause vom 25. März 2009 zitieren: „Die schrittweise Anhebung der Pensionsgrenze für Beamte auf 67 Jahre wird nicht für Polizei, Feuerwehr und Justizvollzugsbeamte gelten. Für sie wird es wegen der außergewöhnlich hohen körperlichen und gesundheitlichen Belastung bei der Altersgrenze von 60 Jahren bleiben. Das ist auch nicht anders vertretbar und insofern werden wir den Vollzugsbeamten im Land Schleswig-Holstein keine höhere Belastung zumuten.“ 18



Herr Kollege Kalinka, Ihnen werden viele Eigenschaften nachgesagt: positive wie negative. Für einen leichtfertigen Umgang mit Versprechen sind Sie bisher nicht bekannt. Ich kann Sie nur ermutigen, jetzt nicht damit anzufangen. Nebenbei bemerkt, der Kollege Kubicki, der ja am Wochenende mit großen Interviews von sich reden gemacht hat, hat sich vergleichsweise geäußert, dass er in die Förde geschmissen werden kann, wenn er einer solchen Verlängerung der Lebensarbeitszeit zustimmen würde. Er müsste sich schon beeilen, allmählich wird es ungemütlich kalt in der Förde.)
Auch die Verschlechterungen bei unserem bundesweit vorbildlichen Mitbestimmungsgesetz lehnen wir Sozialdemokraten ab. Auf die unverhältnismäßig hohen Kürzungen bei der Europaarbeit und im Bereich der Minderheiten will ich noch kurz zu sprechen kommen. Wenn Sie Europaarbeit um insgesamt 66,7 % schwächen, zeigt das, dass die wenig erkennbare Europapolitik des Lands zusätzlich noch zusätzlich in elementarer Weise geschwächt wird. Schon jetzt ist sichtbar, dass die Entscheidung, das Europaministerium aufzulösen und die Europapolitik in der Staatskanzlei zu integrieren, falsch war. Immer wenn in Schleswig-Holstein etwas Chefsache ist, wird das für die jeweils Betroffenen ganz besonders bitter.
(Dabei leisten die Verbände im europäischen Bereich eine zentrale und wichtige Arbeit: Sie regen Diskussionen an, machen europapolitische Öffentlichkeitsarbeit und helfen der Landespolitik mit diesem wertvollen Engagement, ihre Europapolitik zu verbessern. Auch die bisher sehr erfolgreiche Ostseepolitik des Landes wird offenbar unter der schwarz-gelben Regierung nicht mehr aktiv fortgeführt. Das Land bleibt bei der Ostseestrategie unter seinen Möglichkeiten, das kann man nicht nur im Ostseebericht sehen, sondern auch daran, dass die Regierung im Haushalt die Mittel für ostseepolitische Aktivitäten auf Null setzt. Auch die Academia Baltica mit ihrer hochwertigen bildungspolitischen und kulturellen Arbeit haben Sie nicht nur gekürzt. Die Art und Weise, wie Sie die Zwangsvereinigung mit der Akademie Sankelmark durchgesetzt haben, ist skandalös, ideologisch verbohrt und deswegen haben wir auch beantragt, Titel zu sperren, soweit sie vertragliche Verpflichtungen für die Gustav- Heinemann-Bildungsstätte in Malente nicht mehr einhalten wollen.)
Schleswig-Holstein gibt im Ländervergleich nicht viel für Kultur aus. Das ist von den früheren Oppositionsparteien immer wieder kritisiert worden. Auch wir haben in unserer 19



Regierungsverantwortung keinen Schwerpunkt darin gesetzt, die Kulturförderung erheblich auszuweiten. Aber das heißt eben auch, dass die Kultur nicht als wohlgemästetes Sparschwein für die Haushaltssanierung herhalten kann. Kultur ist keine freiwillige Aufgabe nach dem Prinzip nice-to-have, sondern sie steht unter dem Schutz von Art. 9 unserer Landesverfassung.
Wir sind davon überzeugt, dass die Bevölkerung auch in Zeiten knapper Kassen in einem ländlich strukturierten Flächenland wie Schleswig-Holstein ein Recht auf kulturelle Angebote hat. Wir überrollen deshalb viele Kulturtitel oder reduzieren die von der Landesregierung einge- setzten Kürzungen auf 2,5 %. Innerhalb dieses Bereiches setzen wir wiederum einen Schwerpunkt bei den Minderheiten.
Die skandalöse Ungleichbehandlung der dänischen Minderheit habe ich bereits erwähnt.
(Hier nochmals die einzelnen Fakten: Die Beteiligung des Landes an den Kosten für die Schülerbeförderung der Schulen der dänischen Minderheit wird gestrichen – 510.000 €. Die Förderung der dänischen Schulen wird auf 85 % der öffentlichen Schulkostensätze reduziert. Neben den massiven Kürzungen bei den dänischen Schulen werden die Mittel für die Arbeit aller sozialen und kulturellen Einrichtungen der Minderheit im Durchschnitt um 30 % gekürzt. Die geplanten Streichungen führen dazu, dass dänische Schulen geschlossen werden müssen. Kulturelle und soziale Angebote aller Minderheiten müssen erheblich zurückgefahren werden.)
Neben den landesinternen Auswirkungen auf die Minderheiten ist auch ein außenpolitischer Schaden in Bezug auf das deutsch-dänische Verhältnis entstanden. Schon heute gibt es eine ungleiche Verteilung in der Förderung zwischen Deutschland und Dänemark, die durch die geplanten Kürzungen weiter erhöht wird. Dänemark zahlt seit Jahren bedeutend mehr als Deutschland.
Die Regierung hat ihre Beschlüsse weder mit den Betroffenen besprochen noch die Minderheitenbeauftragte des Landes informiert, geschweige denn involviert. Mal wieder – sie ist eine glatte Fehlbesetzung! (Auch in der bisherigen Praxis einer parteiübergreifenden Befassung mit Minderheitenthemen scheint die Regierung nicht interessiert zu sein. Sie haben wertvolles Vertrauen zerstört, Vertrauen, das dringend wieder hergestellt werden muss, soll die Minderheitenpolitik wieder an alte Traditionen anknüpfen.) 20



Wir nehmen das Gleichstellungsprinzip sehr ernst und setzen uns dafür ein, dass es umgesetzt wird. Die Entscheidung der Bundesregierung, die dänischen Schulen 2011 mit 3,5 Mio € zu fördern, gleichzeitig aber die Zuschüsse an die deutsche Minderheit um 1 Mio € zu kürzen, ist an dieser Stelle das falsche Signal. Dennoch: Auch die Minderheitenorganisationen müssen zur Konsolidierung des Landeshaushaltes beitragen. Deshalb schlagen wir eine moderate Kürzung bei einzelnen kulturellen Einrichtungen vor. Durchgängige Kürzungen um 30 % werden wir nicht mittragen. Generell müssen wir den Minderheiten Planungssicherheit geben und verloren gegangenes Vertrauen in die schleswig-holsteinische Politik wieder herstellen. Deshalb schlagen wir einen Masterplan für die Minderheiten vor, wollen zusammen mit den Minderheiten neue Perspektiven für eine offensive Minderheitenpolitik entwickeln.
Minderheitenpolitik muss weiterhin Modellcharakter für andere europäische Regionen haben.
Auch noch ein Wort zur Gleichstellungspolitik. Lt. Einzelplan beabsichtigen Sie, die Mittel für die Frauenberatung in das FAG zu überführen und gleichzeitig um 553.000 € zu kürzen. Zudem findet eine Umschichtung der Mittel statt mit der Folge, dass zwei Frauenhäuser in Lübeck und Wedel geschlossen werden müssen und mehrere Frauenberatungseinrichtungen zusammengelegt werden sollen. Damit nicht genug. Die Förderung der Beratungsstellen Frau und Beruf wird gekürzt (von ursprünglich 670.000 auf 653.000 im Jahr 2011 und 633.000 2012). Ab 2014 sollen die Zahlungen ganz eingestellt werden. Glücklicherweise sind Sie da sehr weit von einer Regierungsverantwortung entfernt.
(Wünschen wir uns für Schleswig-Holstein, dass nie wieder ein derart grotesker Koalitionsvertrag wie der aktuelle die Politik bestimmen möge.)
Wie Hohn muss es in den Ohren der Betroffenen klingen, wenn man Sätze liest wie „Die Bekämpfung von Kinderarmut spielt eine herausragende Rolle. Zum Schutz vor häuslicher Gewalt werden wir das Angebot an Frauenhäusern aufrecht erhalten.“ Koalitionsvertrag S. 34.
Wir befürworten die Übertragung der Förderung der Frauenberatungseinrichtungen aus dem Landeshaushalt in das FAG, weil dadurch die Hilfen für Frauen in Not an einer Stelle konzentriert sind und so ggf. Kürzungen nicht zu Lasten der im Landeshaushalt verbliebenen ambulanten Frauenberatungen durchgeführt werden. 21



Allerdings wenden wir uns entschieden gegen die dabei vorgenommene Einsparung bei der Förderung dieser Einrichtungen von mehr als einer halben Million €. Haushaltskürzungen dürfen nicht zu Lasten hilfsbedürftiger Frauen erfolgen, Beratung für Frauen und Hilfe für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, sind wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die erhalten und ausgebaut werden müssen. Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels wird es für die Zukunft der Arbeitswelt immer wichtiger, dass Frauen noch stärker in den Arbeitsmarkt integriert werden. Immer noch wird das Potential vielfach gut ausgebildeter Frauen nicht ausreichend genutzt.
(Die Beratungsstelle Frau und Beruf leistet hier wertvolle und hoch qualifizierte Arbeit für die Integration von Frauen in das Arbeitsleben. Wir können es uns nicht leisten, auf diese professionellen und gut vernetzten Strukturen zu verzichten.)



Wie verbessern wir unsere Einnahmen?
81 Mio € wollen wir 2011 mehr einnehmen, indem wir die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5% auf 5% bereits auf das nächste Jahr vorziehen. (Das vermeidet Verlagerungen durch Vorziehen vorn Käufen, wie sie zu erwarten wären, wenn die Steuer mit langer Vorankündigung erhoben wird. Von den 81 Mio € kommen knapp 14,5 Mio € über den kommunalen Finanzausgleich den Kommunen zugute. Eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5 auf 5 % belastet Käuferinnen und Käufer kleiner Einfamilienhäuser in akzeptablem Umfang: Bei einem Kaufpreis von 200.000 Euro, für den man in den meisten Regionen Schleswig-Holsteins bereits ein sehr gutes Haus erwerben kann, beträgt die Mehrbelastung 3.000 Euro. Wer hingegen Millionen für ein Gewerbegrundstück investieren will, wird künftig auch deutlich bei der Grund- erwerbsteuer belastet.)
Wir halten das für richtig: Starke Schultern sollen mehr Lasten tragen als schwache und letztlich, das hat die Wirtschafts- und Finanzkrise gezeigt, ruft gerade die Wirtschaft nach dem Staat, wenn es darum geht, Banken zu retten. Die Küstenschutzabgabe in der Form, wie Sie sie vorschlagen, lehnen wir ab, sie kommt ja wohl auch so nicht. Insgesamt gilt aber auch, dass wir über den Bundesrat mitwirken müssen, und zwar nicht, indem wir reiche Erben und Hoteliers 22



entlasten, sondern indem wir dafür sorgen, dass wir z. B. Einnahmeverbesserungen erzielen, indem die mit den größten Einkommen und Vermögen stärker solidarisch herangezogen werden, um unser Gemeinwesen zu finanzieren.
Sowohl die Abgeordneten als auch die Fraktionen sollen mit deutlich weniger Geld auskommen. Der Finanzausschuss hat auf Initiative der SPD beschlossen, eine deutliche Reduzierung der Fraktionsmittel zu empfehlen. 2011 sollen es 270.000 € weniger werden, 2012 sogar gut 540.000 €. Damit vollziehen wir die Kürzung nach, die wir auch Verbänden und Institutionen außerhalb unserer Schwerpunktbereiche zumuten, 5 % Absenkung pro Jahr. Und natürlich wird, sobald der nächste Landtag gewählt ist, die Zahl der Abgeordneten deutlich niedriger sein als jetzt. (Wir gehen alles in allem davon aus, dass wir im Jahr 2012 für Abgeordnete und Fraktionen 3 Mio € weniger ausgeben als bisher. Wir haben eine Absenkung der Besoldung im Umfang von knapp 400.000 € als globale Minderausgabe im Einzelplan 11 ausgebracht. Durch diese Maßnahmen kann die Regierung, auch wenn sie eine individuelle Absenkung für gesetzeswidrig hält, ihren Einsparbeitrag erbringen, beispielsweise durch Stellenabbau bei Spitzenpersonal, Verzicht auf doppelte Staatssekretärsstellen oder ähnliches.) Es passt wirklich ins Bild, dass ausgerechnet die Minister/in nichts zum Sparpaket beizutragen haben, weder die Zuwendungen noch die Repräsentationskosten werden in irgendeiner Weise gekürzt. Das erklären Sie doch bitte einmal einem hungrigen Kind oder den Eltern, denen Ihre Haushaltsvorschläge eine Mehrbelastung von 100 oder 200 € bescheren. Erklären Sie es hier im Plenum. Die Menschen in Schleswig-Holstein erwarten eine Antwort.
Was die Weigerung des Kabinetts angeht, auch einen Sparbeitrag bei den eigenen Gehältern zu leisten, kann man frei nach unserem Ehrenbürger Siegfried Lenz sagen: „Auf dem Grabstein dieser Landesregierung könnte stehen: Jeder wollte das Beste für sich.“ Schämen Sie sich eigentlich nicht, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich auf juristische Spitzfindigkeiten herausreden, aber gleichzeitig Demonstranten vor dem Haus sagen, wie schwer Ihnen das falle, das Blindengeld zu kürzen und gleichzeitig in einer Presseerklärung der Landesregierung vollmundig erklären, die Politik spare bei sich selbst. Und wo ist eigentlich der Mut bei Ihnen, von den Fraktionen von CDU und FDP? Mut ist nicht, den Schwächsten etwas wegzunehmen, Mut 23



wäre es, sich mit mächtigen Interessen anzulegen, aber Ihr Mut reicht ja nicht einmal die paar Meter von Ihren Plätzen bis zur Regierungsbank.
Wir können das Thema Verwaltungsstrukturreform und bessere Zusammenarbeit in Norddeutschland leider nicht mehr haushaltswirksam umsetzen, weil die Legislaturperiode in Kürze endet. Aber diese Punkte stehen oben auf unserer Agenda nach dem Regierungswechsel. Deshalb haben wir zu diesen Themen ebenso Sachanträge gestellt wie zu der Frage neuer Sozialverträge und dem Anliegen, dass Schleswig-Holstein im Bundesrat einen Antrag stellt, das Grundgesetz in Sachen Kooperationsverbot im Bildungsbereich zu ändern.
Bei einer Reihe von Haushaltspositionen wollen wir den Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen Gelegenheit geben, ihre ganz persönliche Haltung kund zu tun. Deshalb werden wir beim Thema Landesblindengeld, Schülerbeförderungskosten und Maßnahmen der Frauenförderung genau so namentliche Abstimmung beantragen wie bei dem Thema der Beteiligung bzw. eher Nicht-Beteiligung der Landesregierung an den Einsparmaßnahmen.



V. Fazit: Politikwechsel für Schleswig-Holstein Wir stehen jetzt am Ende der Legislaturperiode und am Ende von Schwarz-Gelb. Nach den verschenkten zwei Jahren für unser Land sind wir die glaubwürdigere und gesellschaftsorientierte Alternative. Wir haben Antworten auf viele Fragen der Menschen, wir haben eine Vorstellung, wie Schleswig-Holstein in 10 Jahren aussieht und was dafür zu tun ist.
Die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins erwarten von uns, dass wir die Grundlagen schaffen, in diesem Land gut leben zu können. Sie sind nicht gegen Einsparungen und Konsolidierungsmaßnahmen, nein, sie erwarten diese von uns. Sie erwarten aber auch, dass es bei der Gestaltung der Zukunft oder bei Einschnitten, um die auch wir nicht herumkommen, gerecht zugeht. Wir müssen unsere Chancen und unser Potential nutzen. Dazu gehört auch gute Arbeit, von der Menschen leben können, dazu gehören Mindestlöhne statt versteckter Wirtschaftsförderung durch Lohndumping plus ergänzende Sozialleistungen. Im Jahr 2010 war im ersten Halbjahr die Lohnquote erneut rückläufig, während Kapitalgewinne und Einkommen gestiegen sind. 24



Bildung, Bildung, Bildung: Das ist eine Investition in die Zukunft, die sich rechnet – für die Gesellschaft, für die Arbeitsplätze, für die Einnahmesituation des Landes, Bildung ist unser Rohstoff, nur darf dieser eben nicht abgebaut werden.
Familien und Eltern unterstützen – nicht nur mit weißer Salbe, Wiedervorziehen der Investition für die U-3-Betreuung, sondern durch beitragsfreie Kita-Jahre, mehr Ganztagsschulen, Schulspeisung, Verzicht auf Schülerbeförderungskosten.
Auf Initiative der SPD-Landtagsfraktion hat der Landtag am 19.05.2010 gemeinsam mit der Schuldenbremse eine Resolution beschlossen, die deutlich macht: Wir fordern eine verlässliche Finanzpolitik, damit wir die Ziele der Schulenbremse realistisch umsetzen können, eine Gesetz- gebung des Bundes, die nicht zu Lasten der Länder geht, klare Umsetzung von Prioritäten im Landeshaushalt und die Verbesserung von Einnahmen. Nur mit allen drei Punkten werden wir den Haushalt des Landes ins Gleichgewicht bringen können.
Wir erwarten, dass dieser Beschluss des Landtages gilt und dass die Landesregierung nicht - wie zuletzt vor 2 Wochen im Wirtschaftsausschuss – über ihre Hoffnung auf die finanzielle Fairness des Bundes fabuliert, nachdem sie wieder einmal eine Maßnahme zu Lasten des Landes zugestimmt hat, ohne dass die Kompensation klar beziffert war, bei der Brennelementesteuer, vorher schon bei CCS und beim Landesbasisfallwert für Krankenhäuser.
(Wir haben uns gegen das Hoteliersprivileg bei der Mehrwertsteuer ausgesprochen, weil Steuersenkungen einseitig bestimmte Interessengruppen bedienen, während sie für die Allgemeinheit nachteilig sind. Steuer runter, Wachtstum rauf, Staatseinnahmen rauf, wie Ronald Reagan formuliert hat, das ist Mumpitz. Die praktische Erfahrung zeigt, Steuern runter, Schulden rauf, das ist das einzig sichtbare Ergebnis.
Wir fordern eine grundlegende Überarbeitung der Mehrwertsteuersätze. Es ist nicht einzusehen, warum beispielsweise die schon genannten Hotelübernachtungen, Tierfutter, Gartenzubehör oder Kunstwerke mit 7% besteuert werden sollen, während andere Produkte, die auch für Ärmere zwingend notwendig sind, dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegen.)
Bei Sophokles heißt es: „Achtung verdient, wer vollbringe, was er vermag.“ Soweit will ich Ihnen durchaus Achtung zollen. Ich glaube tatsächlich, Sie vollbringen, was Sie vermögen. Unsere 25



Ansprüche sind da anders. Deshalb lehnen wir diesen Haushalt ab. Er ist unsozial, unsolide, unwahrhaftig und von gestern.
Wir haben den Ehrgeiz, dass Schleswig-Holstein wieder Schrittmacher und Vorbild für wichtige Fragen unserer Zeit wird. Vor uns liegen wichtige Jahre.
(Wir wollen kein Kind mehr zurücklassen. Wir haben das Ziel, allen Mädchen und Jungen Chancengleichheit und gezielte Unterstützung von Anfang an zu bieten.)
Mit der besten Bildung werden wir Erfolg und Aufstieg durch Bildung ermöglichen, die nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt.
Das stärkt den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein und sichert uns eine gute Zukunft. Wir haben das Ziel, in den nächsten 10 Jahren die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren. Wir haben das Ziel, Schleswig-Holstein zum ökologischen Vorreiter zu machen, zu einem Land, in dem gesundes und gutes Leben möglich ist und unser wertvolles Naturerbe geschützt wird.
Durch den Fortschrittsmotor Klimaschutz werden wir unser Land zum Musterland für ökologische Erneuerung machen. Wir lassen nicht locker, das Prinzip gute Arbeit in Schleswig-Holstein durchzusetzen. Dafür werden wir auf Bundes- und Landesebene kämpfen. (Gute Arbeit ist für uns auch Gleichstellung von Mann und Frau, Abbau von Diskriminierung am Arbeitsplatz und eine Gestaltung von Arbeitsplätzen, die Männern und Frauen gerecht wird. Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gehört dazu.)
Wir wollen, dass gutes Regieren, Orientierung und die Zukunft unseres Landes wieder im Mittelpunkt der Arbeit einer Landesregierung steht. Mit Leidenschaft für Schleswig-Holstein und so, wie es Johannes Rau einmal formuliert hat: Vor der Wahl sagen wir, was wir tun und nach der Wahl werden wir tun, was wir gesagt haben.