Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
11.07.14
10:26 Uhr
SPD

Dr. Ralf Stegner zu TOP 49: Familienpolitik entscheidet über das Zusammenleben der Generationen

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 11. Juli 2014


TOP 49: Konzept für Familienzentren (Drs. 18/2026)



Dr. Ralf Stegner:
Familienpolitik entscheidet über das Zusammenleben der Generationen

Die Lebensqualität der Familien in Schleswig-Holstein bleibt ein besonderes Anliegen unserer Politik. Familienpolitik muss sich heute neuen Herausforderungen stellen – Familienbilder sind im Wandel. Das führten uns in den vergangenen Monaten unter anderem Studien der Konrad- Adenauer-Stiftung oder auch der Evangelischen Kirche in Deutschland vor Augen.
Dabei stellen sich familienpolitische Fragen ganz unterschiedlicher Stoßrichtung. Da geht es um die Gleichstellung, um die Situation der Alleinerziehenden, aber auch immer wieder die Vereinbarkeit von Familien und Beruf. Die Familienbilder in unserer Gesellschaft haben sich verändert, sind differenzierter und individueller geworden. Die Studie der KAS zieht daraus die Schlussfolgerung: Alle Familienmodelle sollten akzeptiert und ermöglicht werden. Das teile ich ausdrücklich.
Jeder mag seine eigene Auffassung dazu haben – wir leben aber nicht in einem Obrigkeitsstaat, der den Menschen ein bestimmtes Familienbild vorschreibt. Das gilt übrigens in alle Richtungen: Weder das Biedermeier-Idyll (das real sicher oft gar nicht so idyllisch war) noch die Verklärung von immer kürzeren Lebensabschnittspartnerschaften taugen als moralische Messlatte oder sollten politisch privilegiert bzw. diskriminiert werden.
Grundlage all unserer Überlegungen sollte sein: Familie ist überall dort, wo Menschen auf Dauer füreinander Verantwortung übernehmen. Dazu gehören Paare – ob mit oder ohne Kinder, mit 2



oder ohne Trauschein – 
ebenso wie Alleinerziehende, Patchwork- oder Regenbogenfamilien sowie Großeltern und Menschen, die für ihre pflegebedürftigen Eltern sorgen. Zur Familie gehören alle Generationen. „Das Kernstück der Persönlichkeitsbildung ist die Erziehung des Sinnes für Verantwortung“ – so sagt es der Schweizer Schriftsteller Emil Oesch – und ich meine, er hat recht damit.
Und wenn wir über Familienpolitik sprechen, geht es mir gerade auch um ein solidarisches Miteinander der Generationen. Allzu oft erleben wir Diskussionen, die Generationen gegeneinander ausspielen wollen – mit dem Argument vermeintlicher Generationenungerechtigkeit, wie beispielsweise in der jüngsten Rentendebatte.
Richtig ist, dass das Solidaritätsprinzip – Menschen für Menschen – in allen Generationen der richtige Orientierungsmaßstab ist und dazu gehören Investitionen in Bildungsgerechtigkeit und Gleichstellung ebenso wie die solidarische Absicherung individueller Lebensrisiken von Gesundheit über Arbeitslosigkeit bis hin zu Pflegebedürftigkeit und Alterssicherung.
Solche Rahmenbedingungen politisch zu gewährleisten, das ist das zentrale Anliegen unserer Küstenkoalition. In diesem Rahmen sollen die Menschen ihre individuell unterschiedlichen Lebensentwürfe verwirklichen können.
Grundlage dafür ist der Dreiklang aus Infrastruktur, Zeit und Geld.
Dazu gehören:
1. eine familienfreundliche Arbeitswelt – die Menschen sind eben nicht für die Wirtschaft da, sondern umgekehrt – Vereinbarkeit von Familie, Beruf und auch bürgerschaftlichem Engagement,
2. gute Ganztagsbildungs- und -betreuungsangebote und
3. eine gute materielle Absicherung aller Kinder – nie darf die Familiengründung zum Armutsrisiko werden – sowie
4. passgenaue Hilfe- und Unterstützungsangebote gerade bei der Pflege der älteren Generation. 3



Auch bei letzterem geht es übrigens um Freiheit und Menschenwürde. Die älteren Menschen, die unseren Wohlstand mit erarbeitet haben, dürfen nicht zum Objekt unvermeidlicher Zwänge degradiert werden; viel häufiger wäre es sicher möglich, eine selbstbestimmte Planung eines von Lebensfreude geprägten Lebens im Alter möglich zu machen statt dem oft als Entmündigung wahrgenommenen Ablauf, der sich manchmal an unvorhergesehene Krankenhausaufenthalte anschließt.
Dabei scheinen die Möglichkeiten konkreten Handelns der Landespolitik für Familien auf den ersten Blick sehr eingeschränkt. Aber eigentlich gibt es doch kaum Bereiche, die die Familienpolitik nicht berühren. Der Staat muss Voraussetzungen schaffen, um die Freiheit für ein Zusammenleben im besten liberalen Sinne zu ermöglichen. Ob der Mensch allein lebt oder zu zweit, unabhängig vom Geschlecht, mit Kindern oder ohne, ob ich meine Eltern selbst pflegen kann und möchte oder ob dies durch andere übernommen wird – die freie Gestaltung des Familienlebens muss möglich sein, ja, muss die Regel sein.
Familienpolitik gestaltet das Zusammenleben der Generationen in unserer Gesellschaft. Nachhaltige Familienpolitik verknüpft Belange von Arbeit, Bildung, Familie und Sozialem miteinander. Und nicht zuletzt die Familienzentren stehen ganz in diesem Zeichen. Wir tun hier gerade etwas für Familien mit besonders jungen Kindern. Familienzentren bieten für Kinder und Eltern Angebote einer leicht zugänglichen Unterstützung und Förderung.
Allen, die sich hier in Beratung und Unterstützung, Bildung und Einzelfallunterstützung engagieren, möchte ich meinen Respekt und meine Anerkennung ausdrücken. Sie leisten wertvolle Arbeit für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land.
Diese Regierungskoalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag auf die Weiterentwicklung von Kitas zu Familienzentren verständigt und genau deshalb im Januar 2013 einen entsprechenden Antrag gestellt, den die Landesregierung sorgfältig umgesetzt hat. Dafür danke ich unserer Sozialministerin Kristin Alheit sehr herzlich. Die Landesregierung hat eine Analyse vorgenommen und gemeinsam mit anderen Akteuren im Dialog – wie Sie das von uns kennen – ein Konzept erarbeitet.
Der Kerngedanke der vorgestellten Eckpunkte ist die Förderung von Anlaufstellen für Familien im Sozialraum: Frühe niedrigschwellige Angebote, die Familien dort stärken, wo sie leben, den 4



Bildungszugang erleichtern, Grundschulstandorte in der Fläche stärken und die Leistungsbringer besser vernetzen.
Die Notwendigkeit, den Fokus nicht nur auf das Kind zu richten, sondern vermehrt auch die Eltern mit ihren Fragen aufzunehmen und sie in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken, wurde übergreifend von allen Beteiligten als richtiger und notwendiger Schritt angesehen. Die von den Kreisen und kreisfreien Städten vorgesehenen Einrichtungen
 bieten wohnortnahe Unterstützung und Angebote,  dienen als Anlaufstelle für Familien mit ihren sehr unterschiedlichen Bedürfnissen,  die Einrichtung, die diese Funktionen erfüllt, ist dabei nicht neu, sondern vertraut und bewährt; sie ist eine Regeleinrichtung, etwa eine Kita oder Schule, eine Familienbildungsstätte oder ein Mehrgenerationenhaus,  über eine Vernetzung der Akteure sind sie in ganz unterschiedlichen Handlungsfeldern tätig: Stärkung der Eltern- und Erziehungskompetenzen, Begleitung der Bildungsbiografie, Förderung sozial besonders benachteiligter Kinder und der Integration sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Ganztagsangebote.
Den letztgenannten Aspekt möchte ich noch einmal hervorheben, weil uns gerade die Orientierungshilfe der EKD „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit“ dargelegt hat, dass gerade in den europäischen Ländern, in denen die Frauen- und Müttererwerbsquote besonders hoch ist, auch die Geburtenraten am höchsten sind. Es gibt also kein Naturgesetz, dass Wohlstand und mangelnde Kinderfreundlichkeit miteinander einhergehen müssen. Ich denke da an Norwegen, Schweden, Dänemark, aber auch Frankreich. Die negativen Beispiele sind Griechenland, Spanien, Italien und leider auch Deutschland.
All das tut die Landesregierung nicht mit leerer Hand, sondern mit Fördermitteln. Ziel ist es, pro Jahr bis zu 100 Familienzentren zu fördern. Jährlich sollen hierfür ab 2015 2,5 Mio. € zur Verfügung gestellt werden. Für das Jahr 2014 werden es 1,3 Mio. € sein. Ich meine: Das kann sich sehen lassen!
Die Familienzentren sind somit wichtiger Bestandteil unserer rot-grün-blauen Familienpolitik und unsere Investitionen sind Investitionen in die Menschen vor Ort, in die Zukunft unserer Kinder und Enkel, in das Zusammenleben der Generationen vor Ort. 5



Albert Schweitzer verdanken wir den klugen Satz, dass Glück das einzige ist, was sich verdoppelt, wenn man es teilt. In diesem Sinne ist eine gute Familienpolitik, die es Menschen erleichtert, füreinander da zu sein, doppeltes Glück: Für die Menschen, die davon profitieren und für uns, die wir dafür die politische Verantwortung tragen.