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22.03.17
17:02 Uhr
SPD

Beate Raudies zu TOP 45: Was wir aus dem Friesenhof wirklich lernen können

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 22. März 2017



TOP 45: Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (Drs-Nr.18/5272)



Beate Raudies:
Was wir aus dem Friesenhof wirklich lernen können

Bevor ich mich inhaltlich mit den Ergebnissen des 1. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und dem Abschlussbericht auseinandersetze, möchte ich den Vorsitzenden des Ausschusses, Frau Ostmeier und Herrn Weber, meinen Dank aussprechen. Beide Vorsitzenden haben durch ihre Arbeit wesentlich dazu beigetragen, dass der Ausschuss – trotz der Kürze der Zeit, der Vielzahl der zu hörenden Zeugen und des Umfangs des vorliegenden Beweismaterials – seine Arbeit abschließen konnte und Ihnen heute den Bericht vorlegen kann. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch beim Ausschuss- Geschäftsführer Herrn Göllner und bei Frau Riedinger vom Wissenschaftlichen Dienst für die juristische Unterstützung des Ausschusses. Beide haben im Hintergrund das Verfahren sehr konstruktiv bearbeitet und vorangetrieben. Und natürlich bedanke ich mich bei meinen Mitarbeitern in der Fraktion, ohne die wir Abgeordnete die mehr als 200 Aktenbände und die unzähligen Fragenkataloge nicht hätten bewältigen können.
Die SPD-Fraktion bedauert es sehr, dass es in Jugendhilfeeinrichtungen in Schleswig-Holstein zu einem Umgang mit Kindern und Jugendlichen hat kommen können, durch den diese gedemütigt, entwürdigt und verletzt worden sind. Das, was uns die Zeuginnen über ihr Leben in den Einrichtungen des Friesenhofs berichtet haben, hätte nicht passieren dürfen. Vielen im Friesenhof untergebrachten Kindern und Jugendlichen ist großes Leid zugefügt worden. Und wir 2



setzen alles daran, dass sich so etwas in Schleswig-Holstein nie wiederholt. Wir lehnen die in den Einrichtungen des Friesenhofs praktizierte Form von konfrontativer Pädagogik grundsätzlich ab. Unsere Vorstellung von Jugendhilfe umfasst nicht Aussitzen, Essensstrafen, Strafsport und das Wegsperren von Kindern und Jugendlichen. In Schleswig-Holstein darf es keinen Platz für derartige Einrichtungen geben.
Der nunmehr vorliegende, mehr als 1000 Seiten umfassende Bericht, enthält zum größten Teil geeinte Tatsachenfeststellungen. Ich empfehle daher allen, den Bericht des Ausschusses vollständig und genau zu studieren. Sie werden dann lesen können, dass es eine differenzierte und gut begründete Darlegung aller Tatsachenfeststellungen gibt, die das Ergebnis der Beweisaufnahme widerspiegelt. Jeder hat die Möglichkeit, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass nach der Lektüre die Mehrheit der Leserinnen und Leser unsere Einschätzung teilen wird.
Seit Bekanntwerden der Ereignisse in und um den Friesenhof hat Ministerin Kristin Alheit schon wichtige Änderungen veranlasst:
Die Heimaufsicht im Sozialministerium ist personell von sechs auf inzwischen zwölf Stellen aufgestockt worden. Um effiziente Heimaufsicht zu gewährleisten, braucht es genug und vor allem qualifiziertes Personal.
Die Verwaltungsabläufe und das interne Meldewesen sind auf den Prüfstand gestellt und optimiert worden.
Auf Bundesebene wurden rechtliche Klarstellungen im Achten Teil des Sozialgesetzbuches angestoßen, insbesondere zu den Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten der Heimaufsicht.
Und auch der Landtag hat auf die Ereignisse im Friesenhof reagiert:
Bei der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten ist eine Ombudsstelle für die Kinder und Jugendlichen in Einrichtungen installiert worden.
Diese wird – wie wir gerade aktuell erfahren haben – gut angenommen und ist ein wichtiger Baustein, um das Wohl der Kinder und Jugendlichen in Einrichtungen zu sichern.
Auf Einladung des Sozialausschusses hat der Runde Tisch zur Situation der Heimerziehung in Schleswig-Holstein stattgefunden, der zu wesentlichen Erkenntnissen geführt hat.
Aber diese Maßnahmen waren nicht die Konsequenz aus der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat im Ergebnis 3



allerdings die Notwendigkeit und Richtigkeit dieser Maßnahmen vollen Umfangs bestätigt. Ich komme jetzt zu den wesentlichen Ergebnissen des Untersuchungsverfahrens. Die Untersuchung ist durch die Oppositionsfraktionen auch mit dem erklärten Ziel betrieben worden, politische Verantwortlichkeiten zu klären und Fehlentwicklungen festzustellen. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal aus der Pressemitteilung des Oppositionsführers vom 10. August 2015 zitieren:
„Dabei werden wir auch über politische Verantwortung reden, die sich nicht (…) auf das Anlegen von Aktenordnern beschränkt.“
Dieses Ziel, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie verfehlt. Politische Verantwortlichkeiten sind auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse überhaupt nicht zu diskutieren. Ministerin Kristin Alheit und Staatssekretärin Anette Langner sind vollständig rehabilitiert. Denn der Ausschuss hat kein fehlerhaftes Verhalten, kein Versäumnis der Ministerin und der Staatssekretärin feststellen können. Der Ausschuss hat keine Hinweise dafür gefunden, - und das ist die zentrale Feststellung - dass Ministerin Kristin Alheit oder Staatssekretärin Annette Langner vor dem 29. Mai 2015 irgendwelche Kenntnisse von möglichen Missständen in den Teileinrichtungen des Friesenhofs hatten. Mit anderen Worten: Hier ist – und zwar einvernehmlich – festgestellt worden, dass an den wesentlichen Vorwürfen, die die Opposition im Sommer 2015 gegen Ministerin und Staatssekretärin erhoben hat, nichts, aber auch rein gar nichts dran gewesen. Beide sind folglich durch den Untersuchungsausschuss entlastet worden. Und Ihre Schlussfolgerungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, zu einer mangelnden Dienstaufsicht der Ministerin können Sie doch nicht wirklich ernst meinen. Falls doch, hieße dieses nichts anderes, als dass in Ihrer Regierungszeit unter dem früheren Ministerpräsidenten Carstensen in allen Ministerien, die nach denselben Vorgaben organisiert gewesen waren, die Dienstaufsicht mangelhaft gewesen wäre. Wollen Sie das hier allen Ernstes behaupten?
Was sind also die wichtigen Ergebnisse der Untersuchung?
1. Die Heimaufsicht hat engagiert und - mit Ausnahme der zu weitgehenden Auflagenverfügung vom 30. Januar 2015 - rechtmäßig gehandelt. Sie hat also genau das getan, was von einer Verwaltung erwartet werden darf. Das haben sowohl der Zeuge Prof. Dr. Schrapper – ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet – als auch die vom Ausschuss bestellten Sachverständigen Prof. Dr. Wiesner und Rechtsanwalt Mörsberger übereinstimmend bestätigt. 4



2. Es bedarf gesetzlicher Klarstellungen im Achten Teil des Sozialgesetzbuchs, insbesondere hinsichtlich des Instrumentariums der Heimaufsicht, um diese mit den nötigen rechtlichen Mitteln zur Kontrolle und zum Eingreifen besser auszustatten. 3. Es bedarf einer intensiveren Beratung der Einrichtungsträger bei Aufnahme der Tätigkeit, um möglichst frühzeitig Einfluss hinsichtlich der pädagogischen Ausrichtung nehmen zu können. 4. Es bedarf einer ausdrücklichen Verbesserung der Zusammenarbeit der belegenden Jugendämter, der örtlichen Jugendämter am Sitz der Einrichtung und des Landesjugendamtes. Diese Zusammenarbeit muss auch einen umfassenden Informationsaustausch beinhalten. Das Ziel muss sein, dass jeder jeden über besondere Vorkommnisse informiert, ohne besondere Aufforderung.
Die Küstenkoalition will die Situation der Kinder und Jugendlichen in Einrichtungen verbessern. Darum haben wir auf der Grundlage der Ergebnisse des Runden Tisches zur Situation der Heimerziehung einen Antrag in den Landtag eingebracht, um nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Leider haben nicht alle im Landtag vertretenen Fraktionen dieser Initiative zustimmen können. Die CDU hat aus formalen Gründen gegen den Antrag argumentiert, was wiederum zeigt, dass es Ihnen – meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU - nicht um die Kinder geht.
Ob es dieses Parlamentarischen Untersuchungsausschusses bedurft hätte, ist zumindest fraglich. Und gemessen an dem, was die Opposition erreichen wollte, gilt: „Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet!“. Wenn ich nun noch bedenke, welche Kosten dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss insgesamt verursacht hat - in den Medien war die Rede von rund 670.000 Euro -, dann meine ich, dass dieses Geld anderenorts zu Gunsten der Kinder und Jugendlichen viel besser angelegt gewesen wäre. Die wichtigen fachlichen Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge haben sich in den wertvollen Diskursen in den Veranstaltungen des Runden Tisches ergeben. Für dessen Arbeit möchte ich mich an dieser Stelle nochmals bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und auch beim Vorsitzenden des Sozialausschusses, bei Dir, lieber Peter Eichstädt, herzlich bedanken. Hierauf aufbauend, wollen wir weiter echte Veränderungen und Verbesserungen in der Jugendhilfe herbeiführen. Lassen Sie uns gemeinsam hieran arbeiten, zum Wohl der Kinder und Jugendlichen in Schleswig- Holstein: