Lars Harms: Mehr Demokratie wagen, liebe SPD!
Presseinformation Kiel, den 19. Juli 2017Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 3+4 Änderung des Gemeinde-und Kreiswahlrechtes Drs. 19/79, 19/75 „Mehr Demokratie wagen, liebe SPD!“Eine Sondervorschrift für die Gemeinden Boostedt und Seeth für die kommendenGemeindewahlen einführen zu wollen, macht durchaus Sinn. Die Gründe dafür sind diezeitweise veränderten Einwohnerzahlen aufgrund der dortigenFlüchtlingseinrichtungen, was speziell diese beiden Gemeinden besonders betrifft.Was für uns jedoch weniger Sinn macht, ist die parlamentarische Demokratie aufkommunaler Ebene aufzuweichen. Wir als SSW lehnen das Ansinnen der Einführungeiner Sperrklausel zu Kommunal- und Kreistagswahlen ab. Die SPD verweist in ihrerBegründung auf eine nachteilige Arbeitsfähigkeit der kommunalen Vertretung, welche 2sich in Zukunft zunehmend verschlechtern wird. Eine solche Situation können wir alsSSW nicht erkennen. Es mag ja irritierend für die SPD sein, dass sie in der HansestadtLübeck nicht einfach durchregieren kann, jedoch braucht es deswegen mit Sicherheitkeine Änderung des Wahlrechts! Einzelmandatsträgerinnen und Kleinstfraktionen sindper se keineswegs eine Bedrohung für die Demokratie, wie es einige der Kollegen hiernur zu gerne unterstreichen. Der Kreistag Nordfriesland hat 8 Parteien undWählergemeinschaften im Kreistag und mit der Abspaltung Freie Soziale Demokratenzeitweise sogar neun. Trotzdem ist die Demokratie nicht untergegangen und selbstfeste Bündnisse unter den Parteien sind dort möglich.Außerdem gibt es in Schleswig-Holstein vielerorts ein ganz anderes Bild. Nämlich dasBild der Einheitsliste. Tatsächlich ist es so, dass in rund 30 Prozent der Gemeinden inSchleswig-Holstein nur noch eine einzige Wählergemeinschaft zur Kommunalwahlantritt. Im Grunde genommen wird dann nämlich nicht nur zur Kommunalwahlgewählt. Vielmehr wird das Grundlegende schon auf der Aufstellungsversammlung derEinheits-Wählergemeinschaft geregelt. So sieht die Realität in vielen Kommunen beiuns im Norden aus. Fakt ist auch, dass es in mancher Kleinstkommune schon heute biszu 12 Prozent der Stimmen bedarf, um ein Mandat zu erlangen. Zersplitterung siehtnach meiner Auffassung jedenfalls anders aus.Richtig ist, dass es Aufgabe der Politik ist, für stabile Mehrheiten Sorge zu tragen. Dabeisollte es auch zum politischen Alltag gehören, andere Parteien von den eigenenVorhaben überzeugen zu müssen, um politische Mehrheiten zu bilden. Das ist nämlichder Grundsatz der parlamentarischen Demokratie: Sie ist ein Wettbewerb der Ideen. 3Und in diesen Wettbewerb sollen möglichst alle gesellschaftlichen Strömungeneinfließen können.Dabei möchte ich an dieser Stelle noch einmal hervorheben, dass Demokratiekeineswegs bedeutet, eine Garantie auf eine Mehrheit zu beanspruchen. DiesenUnterschied sollten wir uns alle vor Augen führen. Darüber hinaus ist es doch so, dassder mögliche Stillstand von politischen Entscheidungen keineswegs von der Größeeiner vertretenden Partei abhängt. Diese Tatsache spiegelt sich auf allen politischenEbenen wider und ich glaube, dass auch Vertretern der SPD diese Thematik nur allzugut bekannt ist! Es reicht an dieser Stelle nicht, den kleinen Fraktionen einfach mal denSchwarzen Peter aufzudrücken.Ich weiß, dass manch einer von Ihnen hier im Raum sich sicherlich dazu verleitet fühlenzu denken, der SSW ist ja eine kleine Partei; deshalb stellt er sich gegen den Antrag derSPD. Dazu muss ich jedoch entgegensetzen, dass wir auf kommunaler Ebene in vielenRegionen im Landesteil Schleswig keineswegs eine kleine Partei darstellen. Dabeimöchte ich nochmals betonen, es geht hier nicht um groß oder klein. Sondern es gehtum das Wahlrecht und damit auch um die gesetzlichen Grundlagen der Demokratie.Wir meinen daher, dass alle Vertreter von Kommunalparteien undWählergemeinschaften in Schleswig-Holstein sich genau überlegen sollten, ob dieIntention der Antragssteller ein zukunftsweisender Ansatz ist, um die Wahlen und denkommunalpolitischen Alltag in Schleswig-Holstein attraktiver und demokratischer zugestalten. Es ist der Clou der parlamentarischen Demokratie, dass sie ein Wettbewerbder Ideen ist. Und in diesen Wettbewerb sollen möglichst alle gesellschaftlichen 4Strömungen einfließen. Wer durch Sperrklauseln dafür sorgt, politische Strömungenaus den Kommunalparlamenten heraus zu halten, schafft nicht mehr, sondern wenigerDemokratie. Und das ist mit uns nicht zu machen!Willy Brandt hat einmal gesagt: „Mehr Demokratie wagen!“ Von diesem großen Ziel istder SPD-Vorschlag meilenweit entfernt! Deswegen: Mehr Demokratie wagen, liebeSPD! Das lohnt sich immer noch.Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html