Flemming Meyer: Absurde Lösung für ein künstlich herbeigeredetes Problem
Presseinformation Kiel, den 12.10.2017Es gilt das gesprochene WortFlemming Meyer TOP 26 Familienfreundliches Schleswig-Holstein – Familien durch direkte Darlehen fördern Drs. 19/242 „Absurde Lösung für ein künstlich herbeigeredetes Problem“Ich muss ehrlich sagen, dass mich dieser Antrag wirklich ärgert. Denn die wichtige Frage nachfamilienfreundlichen Rahmenbedingungen wird durch falsche Grundannahmen und völligfalsche Schlüsse überlagert. Noch dazu ist auch dieser Antrag ein Beleg für ein nationalgeprägtes Familienbild, das an düsterste Zeiten erinnert. In Ihren Programmen sprechen Sieunverhohlen und unverbesserlich von einer „Schrumpfung unserer angestammtenBevölkerung“ und wollen dieser durch eine „nationale Bevölkerungspolitik“ entgegenwirken.Und um eine „ausgeglichene Geburtenbilanz“ zu erreichen, schlagen Sie nun allen Ernstes eineArt Kopfprämie für Neugeborene vor. Gerade weil es Vieles gibt, was wir mit Blick auf dieFamilienfreundlichkeit verbessern müssen, ist so ein Vorgehen für mich und meine Parteiwirklich nur schwer zu ertragen. 2Eins lässt sich doch nicht einfach leugnen: Die Zeiten rückläufiger Geburtenzahlen sind schonlänger vorbei. Hier hat es eine klar erkennbare Trendwende gegeben. Und zwar nicht erstgestern, sondern schon vor einigen Jahren. Diese Trendwende ist auf ein gutes Gesamtklimaaber auch auf zunehmend verbesserte Rahmenbedingungen für Familien zurückzuführen:Denn die Menschen in Deutschland haben selbstverständlich einen gesetzlichen Anspruch aufEltern- und Kindergeld. Kinder werden im Steuerrecht berücksichtigt. Und auch bei der Frageder Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wir zum Beispiel durch den konsequenten Ausbauder Betreuungsangebote auf einem guten Weg.Doch der vorliegende Antrag will leider nicht nur ein künstlich herbeigeredetes Problem lösen.Er fordert noch dazu eine völlig absurde und kontraproduktive Maßnahme. Und er ist anWidersprüchlichkeit kaum zu überbieten. Sie schreiben in ihrer Begründung, dass dasArmutsrisiko für Kinder in Familien ab drei Kindern signifikant höher ist, als in kleinerenFamilien. Und dann wollen Sie Familien mit einem 5.000 Euro-Darlehen dazu locken,mindestens 3 Kinder zu zeugen. Das ist offenbar eine ganz eigene AFD-Logik. Mir erschließtsich das jedenfalls nicht. Eine Einmalzahlung von 5.000 Euro mindert doch nicht dasArmutsrisiko.In meinen vielen Jahren in der Politik habe ich mich oft gefragt, ob ein Antrag oder einGesetzentwurf nicht vielleicht doch ein wenig an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht. In dieserkrassen Form habe ich das allerdings noch nicht erlebt. Wie gesagt: Eigentlich halte ich es fürüberflüssig, weil ich das Problem nicht sehe. Aber erlauben Sie mir bitte trotzdem noch einzwei inhaltliche Fragen: Würde der Erlass des Darlehens nicht als ganz normales Einkommengelten, das auf Hartz-4-Leistungen anzurechnen ist? Und wie wird das erwähnte „erste Kind“genau definiert? Müssen nun in Zukunft alle Paare, die ihr erstes Kind bekommen, 3verpflichtend dieses Darlehen annehmen? Oder haben zum Beispiel alle, die bereits ein Kindaus einer früheren Beziehung haben, ihren Anspruch automatisch verloren?Ich habe es angedeutet und ich will hier keinesfalls missverstanden werden: Wenn es umoptimale Familienförderung geht, dann sind wir längst nicht am Ziel. Neben dem Ausbau derBetreuungsangebote muss sich auch in der Arbeitswelt noch sehr viel bewegen. Und mit Blickauf wirklich drängende Probleme wie etwa Kinderarmut und eingeschränkte Teilhabechancen,ist für uns eins klar: Hier müssen ganz andere Dinge geklärt und gefragt werden, wie es zumBeispiel um eine eigenständige Grundsicherung für Kinder steht. Oder ob unser Lohnniveaugrundsätzlich familiengerecht ist. Ich denke, diese Diskussion bringt uns dann auch wirklichweiter.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html