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07.05.20
11:23 Uhr
SSW

Lars Harms: Bei den Lockerungen auch über Grenzen hinweg denkenL

Presseinformation
Kiel, den 07.05.2020


Es gilt das gesprochene Wort



TOP 47 Bericht zu den Beschlüssen der Bundeskanzlerin
mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten
vom 06. Mai 2020 Drs 19/2148


Lars Harms: „Die Gastronomie sollte bei uns genauso schnell öffnen können wie in anderen Bundesländern in Norddeutschland.“


Lassen Sie mich mit dem wirklich am härtesten von der Corona-Krise betroffenen
Wirtschaftszweig beginnen. Die Gastronomie ist derzeit auf 99% Kurzarbeit und das
Vermietungsgewerbe auf 95% Kurzarbeit. Damit ist klar, dass der Tourismus, auch in unserem
Bundesland, am meisten zu leiden hat. Und wir dürfen nicht vergessen, dass der Tourismus bei
uns nicht nur einer der größten Wirtschaftszweige ist, sondern auch derjenige ist, der wirklich
flächendeckend in allen Ecken des Landes zu finden ist. Geht es dem Tourismus schlecht, so
geht es vielen in unserem Land schlecht und das flächendeckend. Deswegen haben wir in den
letzten knapp drei Wochen immer wieder angemahnt, dass ein Ausstiegsplan aus den
Coronabeschränkungen für diesen Bereich dringend vorgelegt werden muss. Leider konnte sich 2

kein Bundesland, auch unser Bundesland nicht, rechtzeitig für einen Fahrplan zum
schrittweisen Ausstieg aus den Beschränkungen durchringen. Wir haben jetzt zumindest das
Datum 18.05. als Datum des Beginns der schrittweisen Wiedereröffnung von touristischen
Einrichtungen vernommen, aber es ist immer noch fraglich, wie das Ganze von statten gehen
soll. Eigentlich hätte die Landesregierung einen konkreten Ausstiegsplan schon Ende April
vorlegen müssen. Aber geschehen ist eben nichts. Deshalb sind alle möglichen am Tourismus
Beteiligten mit konkreten Vorschlägen gekommen: die Campingplatzhalter, die
Ferienhausvermieter, die Hoteliers, die Anbieter von Ferien auf dem Bauernhof und natürlich
auch der Dehoga. Alle hatten Ideen, wie es gehen könnte, nur die Landesregierung hatte sie
nicht.
Gut, dass andere Bundesländer, wie Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, hier
Dampf unter den Kessel gebracht haben und jetzt zumindest angestoßen haben, dass jetzt
endlich der Tourismus wieder anfangen kann. Danke, Manuela Schwesig und Danke, Stephan
Weil! Beide Bundesländer werden schon in Kürze die gastronomischen Betriebe wieder unter
Auflagen aufmachen lassen. Die Frage, die sich stellt, ist dabei, warum nicht auch wir in diesem
norddeutschen Geleitzug mitmachen. Warum müssen unsere Gastronomen noch eine Woche
länger warten. Denen geht es genauso schlecht wie ihren Kollegen in Ostfriesland oder auf
Usedom und sie haben genauso gute Hygienekonzepte wie die Gastronomen in anderen
Bundesländern. Deshalb sollten sie auch genauso schnell öffnen können wie in anderen
Bundesländern in Norddeutschland.
Und ähnliches gilt auch für die Ferienwohnungs- und Ferienhausvermieter. Auch die sollten
nicht bis Montag den 18.05. warten müssen. Die klassischen Anreisetermine der meisten
Urlauber sind Freitag und Sonnabend. Wenn jetzt aber erst am Montag, den 18. Mai die
Quartiere wieder öffnen können, können viele schon gebuchte Reisen doch nicht stattfinden.
Das heißt, unsere Vermieter verlieren unnötig Geld, obwohl sie sich schon perfekt auf ihre
Gäste vorbereitet haben. Das gilt es zu verhindern. Und dann sollten wir auch gleich die
kommunalen und privaten Wohnmobil-Stellplätze wieder öffnen. Diese Touristen sind
genauso größtenteils Selbstversorger, wie Leute, die Urlaub in einer Ferienwohnung machen. 3

Und wenn wir schon gerade dabei sind, dann müssen wir auch daran denken, dass auch die
Inseln wieder für den Tourismus und für normalen Besuchsverkehr geöffnet werden. Wir
haben derzeit die Situation, dass ein ortsfremder Zweiwohnungsbesitzer die Inseln mit der
Partnerin oder dem Partner oder auch anderen Personen aus dem gleichen Hausstand
besuchen kann. Wenn Einheimische Familienbesuch bekommen sollen, gilt das nicht. Dann
dürfen beispielsweise bei einem Sohn oder einer Tochter, die die jeweiligen Eltern besuchen
wollen, die Ehepartner nicht mit auf die Insel. Da hilft dann auf einmal der gemeinsame
Hausstand nicht. Das ist keinem vernünftigen Menschen zu erklären. Es wäre also schön, wenn
das diesbezügliche Betretungsverbot nicht erst Mitte Mai, sondern schon spätestens ab
Montag aufgehoben werden würde.
Und da wir ja schon bei praktischen Problemen sind, dann möchte ich darauf hinweisen, dass
nicht jede Altenheimeinrichtung mit einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung
gleichsetzbar ist. Viele behinderte Menschen gehören nicht zwingend den besonders
gefährdeten Gruppen und manche behinderte Menschen leiden besonders unter den
Kontakteinschränkungen, die jetzt gelten. Ich denke hier vornehmlich an psychisch kranke oder
eingeschränkte Menschen. Sie können oft nicht verstehen, was jetzt gerade geschieht und
leiden sehr unter der Situation. Wenn es jetzt ohnehin neue Regelungen zu Corona geben wird,
dann wäre es es wert darüber nachzudenken, ob und wie die Kontaktbegrenzungen für
Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe zumindest partiell gelockert werden könnten.
Wenn wir Menschen zusammenführen wollen, dann muss das auch über Grenzen hinweg
geschehen. Wir begrüßen es sehr, dass Ministerpräsident Günther unseren Ball aufgenommen
hat und ein Gespräch mit Minister Seehofer geführt hat, um ihn von der Grenzöffnung zu
Dänemark zu überzeugen. Das hat ja augenscheinlich auch insoweit gewirkt, dass Herr
Seehofer auch der Auffassung ist, dass etwas geschehen sollte. Jetzt heißt es aber dranbleiben
und schnellstmöglich mit der dänischen Seite einen gemeinsamen Fahrplan für die
vollständige Wiedereröffnung der Grenze zu erarbeiten. Denn hier scheint es ja durchaus noch
Vorbehalte auf dänischer Seite zu geben. Die Leute müssen heute schon wissen, was sie in zwei
oder drei Wochen erwartet, damit sie sich darauf einstellen können. Die Jugendorganisationen
der im Grenzland vorhandenen demokratischen Parteien haben hier zusammen einen 4

entsprechenden Appell an uns als Politik gerichtet. Vertreter der SSW Jugend, der Jungen
Liberalen, der Grünen Jugend, der Jungsozialisten und der Jungen Union treten hier
gemeinsam mit entsprechenden Organisationen aus Dänemark auf und setzen ein Zeichen für
ein gemeinsames Europa. Darin sollten wir sie unterstützen und die Grenzöffnung forcieren.
Es gibt aber natürlich noch mehr Bereiche, die derzeit politisch diskutiert werden. Da ist zum
einen die Frage des Wiederanfahrens des Spielbetriebs in der ersten und zweiten Fussball-
Bundesliga. Es ist zu begrüßen, dass die DFL hier ein professionelles Konzept vorgelegt hat und
es ist auch richtig, dass man bei Vorlage eines solchen Konzepts, genauso wie in anderen
Wirtschaftsbereichen, eine Öffnung zulässt. Aber die Wirksamkeit dieses Konzepts muss auch
laufend kontrolliert werden, genauso wie die Wirksamkeit von Hygienemaßnahmen in
anderen Bereichen kontrolliert wird. So steht der Fortsetzung der Saison, die sicherlich viele als
willkommene Ablenkung vom Alltag begrüßen würden, nichts im Wege.
Was aber in gar keinem Fall geht ist, dass jetzt schon wieder sinnentleerte steuerfinanzierte
Autokaufprämien gezahlt werden sollen. Wenn jemand ein Auto kaufen will, dann soll er es
tun, aber eben auch vollständig dafür bezahlen. Die deutschen Autobauer wollen in diesem
Jahr rund 9 Milliarden Euro Dividenden ausschütten. Da kann man nicht allen Ernstes über eine
Notsituation sprechen. Viel notwendiger ist es doch, die Digitalisierung insbesondere im
Bildungswesen voranzutreiben. Hier ist trotz der jetzt kurzfristig kommenden Maßnahmen
noch so viel zu tun, dass jeder Groschen der dort hineingesteckt wird, wirklich Geld ist, das sich
lohnt. Wir müssen in die Zukunft investieren und da geht es nun einmal vornehmlich um
Bildung, Bildung und noch einmal Bildung. Und bevor ich dann weiteres Geld verteile, denke
ich erst an die Situation von sozial schwachen Menschen, von Arbeitslosen und von Menschen
in Kurzarbeit. In Abwandlung eines Wahlslogans einer Partei kann man sagen: Digitalisierung
first und Autokaufprämie noch nicht einmal second! Und hier erwarte ich dann auch eine ganz
klare Positionierung unserer Landesregierung gegen diese Initiative.
Am Ende bleibt mir nur, allen Dank zu sagen, für die trotz aller politischen Unterschiede gute
Zusammenarbeit. Die Politik handelt besonnen und in der Krise geeint. Das ist ein gutes
Zeichen. Und auch die Bürgerinnen und Bürger sollten weiter besonnen handeln. Und das heißt 5

insbesondere, trotz Maskenpflicht in einigen Bereichen, dass wir weiterhin so gut auf Abstand
bleiben, wie irgend möglich!


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/