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23.02.22
11:29 Uhr
SPD

Serpil Midyatli zu TOP 1: Wir stehen hinter dem von Olaf Scholz und Karl Lauterbach vorgeschlagenen Stufenplan!

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 23. Februar 2022
Serpil Midyatli Wir stehen hinter dem von Olaf Scholz und Karl Lauterbach vorgeschlagenen Stufenplan! TOP 1: Regierungserklärung „Zurück zur Normalität" (Drs. 19/3661) „Zunächst einmal möchte ich meiner Erleichterung Ausdruck geben, dass die derzeitige Omikronwelle nicht die verheerenden Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem hat, die die Expert*innen noch Anfang Dezember befürchten mussten. Damals hatten die Wissenschaftler*innen entsetzt feststellen müssen, dass Omikron die Impfungen bei der Infektion viel häufiger überwindet als die Vorgängervarianten. Wir müssen allerdings aufpassen, nicht die falschen Schlüsse aus der derzeitigen Entspannung zu ziehen. Denn selbstverständlich haben die Maßnahmen und die Vernunft vieler Menschen, die sich daran gehalten haben, dazu beigetragen. Ja, Omikron ist harmloser als Delta aber nicht harmlos. Die Wissenschaft schätzt, dass bei Omikron der Virus selbst zwar zu einer Reduktion der schweren Verläufe auf ca. ein Drittel der Fälle führt, die höhere Ansteckungsrate aber dafür bis zu zehnmal mehr Fälle produziert. So gut rechnen kann auch ich, dass wir ohne die Impfungen am Ende also mehr als eine Verdreifachung der schweren Fälle gehabt hätten. Zum Glück - ich sage bewusst zum Glück, denn selbstverständlich war das nicht - hat sich herausgestellt, dass die Impfungen, besonders der Booster, auch immer noch hervorragend gegen schwere Verläufe schützen und diese auf unter ein Zehntel reduziert. Vor allem deshalb haben wir in der Omikronwelle erheblich weniger schwere Verläufe als in der Deltawelle.
Ein Blick auf die Sterberaten in die USA zeigt, was passiert, wenn Omikron auf eine Bevölkerung mit relativ schlechter Boosterquote trifft. Dort überstieg die Zahl der Toten mit über 2500 am Tag sogar die der Deltawelle. Wer jetzt also über die harmlosere Omikronwelle redet und dabei die herausragende Rolle der Impfungen unter den Tisch fallen lässt, leistet dem verhängnisvollen Trugschluss, wir könnten zukünftig auf Impfungen verzichten, Vorschub. Deshalb bin ich Gesundheitsminister Karl Lauterbach dankbar, dass er gleich nach der Amtsübernahme das vorher zögerliche betriebene Boosterprogramm vorangetrieben hat. An dieser Stelle möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien hier im Hause meinen ausdrücklichen Dank aussprechen, dass wir alle nie einen Zweifel daran haben aufkommen lassen, dass Impfungen der entscheidende und nachhaltigste Weg aus der
1 Pandemie sind. Ich bin überzeugt, dass dieses geschlossene Auftreten der demokratischen Parteien in Schleswig-Holstein ein entscheidender Faktor für die hohe Impfbereitschaft in der schleswig-holsteinischen Bevölkerung gewesen ist. Ich kann es nicht häufig genug sagen: Es waren die Menschen, die sich haben impfen lassen und die sich weiterhin impfen lassen, die es uns jetzt überhaupt ermöglichen, stufenweise die anderen Maßnahmen zurückzunehmen.
Meine Fraktion steht hinter dem von Olaf Scholz und Karl Lauterbach vorgeschlagenen Stufenplan. Besonders hervorzuheben ist, dass Olaf Scholz auch als Bundeskanzler seinen, als Bundesfinanzminister begonnenen, Kurs beinbehält, und Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen erneut verlängert. Selbstverständlich ist aber auch die ständige Überprüfung, ob die tatsächliche Pandemielage die angekündigten Lockerungen auch zulässt. Soweit ich weiß, führen Viren jedenfalls keine Terminkalender und unsere Pläne und Hoffnungen sind Viren komplett egal. Ich möchte, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Denken wir nur an Ihren Paradigmenwechsel nach den Sommerferien. An die Ankündigung des Kollegen Koch von der CDU, der schon vor den Herbstferien das Ende der Delta-Welle kommen sah. Das Hin- und Her bei den Maskenpflichten an den Schulen. Oder zuletzt an die vielen Infektionen aufgrund der offenen Diskotheken zu Weihnachten.
Die SPD-Landtagsfraktion hat schon Ende 2020 eine Ampel für die Coronamaßnahmen vorgeschlagen, weil zumindest uns vollkommen klar war, dass die Pandemie noch viel länger dauern würde, als von vielen erwartet. Auch wir sehen jetzt den richtigen Zeitpunkt die Ampel auf Gelb und im März auf Grün zu schalten. Aber eine Ampel kennt nicht nur eine Richtung. Wir müssen auch jederzeit bereit sein, rechtzeitig wieder auf Gelb oder Rot zu schalten, wenn die Situation es erfordert. Bezüglich des sogenannten Basisschutzes möchte ich eindringlich an alle appellieren, nicht zu früh die Masken in Innenräumen in Frage zu stellen. Die Expert*innen sind sich einig, FFP2-Masken sind der beste Infektionsschutz gegen Aerosole, wie sie sich in Innenräumen immer bilden! Viele finden sie zwar lästig, sie sind aber objektiv der geringste Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung.
Zurück zur MPK: Die vielen Protokollnotizen der meistens unionsgeführten Länder dienen wohl eher der eigenen Profilierung, als dass man sie als hilfreich bezeichnen könnte. Dazu gehört leider auch die Pressekonferenz von Daniel Günther am Vortag der MPK. Es ist ein absurdes Ritual, dass Daniel Günther - in Kenntnis der Beschlussvorlage der MPK - schon einen Tag vorher für Schleswig-Holstein fast genau das verkündet, von dem genau er weiß, dass das einen Tag später eh beschlossen wird. Das machen Sie doch nur, um das als eigene Ideen verkaufen zu können. Herr Ministerpräsident, unterlassen Sie doch bitte solche durchschaubaren Spielchen. Die Bevölkerung hat es schon schwer genug, alle Veränderungen der Maßnahmen


2 nachzuvollziehen. Was sollen denn die Menschen damit anfangen, wenn Sie dienstags ihren Plan verkünden und Mittwochs kommt dann der Plan der MPK? Klar, wir alle hier wissen, dass es sich - bis auf einen Unterschied bei den Ungeimpften - um das Gleiche handelt, weshalb sie nach der MPK in ihrer sehr kurzen Pressekonferenz auch nichts mehr zu verkünden hatten. Die Menschen da draußen haben aber andere Sorgen, als im Tagesabstand Maßnahmenkataloge zu vergleichen. Überlassen Sie das Irrlichtern doch lieber Markus Söder, der kann das auch viel besser. Apropos Markus Söder, anstatt sich einmal mit seinen eigenen desaströsen Coronabilanz zu beschäftigen oder vielleicht gerade deshalb, kündigt er, unverantwortlich wie er nun mal ist, auch einen offenen Rechtsbruch bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht an.
Selbstverständlich stößt die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht nur auf Zustimmung. Sie ist aber nun mal gesetzlich beschlossen, auch von Markus Söder, und anstatt zu zündeln, erwarte ich von jeder Landesregierung ein Umsetzungskonzept, das auch auf die Sorgen und Ängste der Menschen in den Pflegeheimen, Krankenhäusern, Arztpraxen, Tageskliniken, Reha und vielen mehr eingeht. Da habe ich in der Regierungserklärung deutliche Ansagen und Pläne vermisst Herr Günther! Die Menschen, die dort arbeiten haben Großartiges geleistet und deshalb haben sie ein Recht darauf, dass man Ihnen erklärt, warum die Impfpflicht notwendig ist. Ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen ist aber die von einem Boulevardblatt verbreitete Falschbehauptung, dass Karl Lauterbach erklärt habe, dass die Intensivstationen nie überlastet gewesen sein sollen. Wahr ist, dass nie alle Intensivstation gleichzeitig überlastet gewesen sind. Aber natürlich haben viele Intensivstationen und damit die dort arbeitenden Pfleger*innen und Ärzt*innen über die Belastungsgrenzen hinaus geschuftet. Oder hat die Bundeswehr nur so zum Spaß im November Intensivpatient*innen mit dem Airbus verlegt? Alles schon vergessen? Und genau dazu, darf es nie wieder kommen!
Mit Sorge betrachte ich die nachlassende Impfbereitschaft, die halt auch auf den anfangs erläuterten Trugschluss beruht, dass Omikron an sich harmlos sei. Werden wir es nie lernen? Wie häufig wurde die Pandemie schon vorzeitig für beendet erklärt? Haben wir aus den Versäumnissen im Sommer 2020 und 2021 wirklich nichts gelernt? Wie häufig wollen wir denn noch von einer neuen Variante überrascht werden? Große Teile der Weltbevölkerung haben keinen bis mangelhaften Impfschutz. Ein Paradies für die Entwicklung neuer Varianten. Glaubt jemand, die nächste Variante schickt uns vorher schon einmal eine Postkarte: „Mache gerade Urlaub in Südamerika. Komme frisch mutiert im Oktober wieder?“ Und genau deshalb brauchen wir nach wie vor eine Impfpflicht, auch wenn ich verstehe, dass man lieber über Lockerungen spricht als über Pflichten. Wir brauchen die Impfpflicht vermutlich nicht mehr gegen Omikron, aber wir brauchen sie in unserem gesetzlichen Instrumentenkasten, dass wir sie nutzen können, wenn wir sie brauchen. Ich plädiere deshalb für eine Lösung, die eine Impfpflicht gegen Covid grundsätzlich ermöglicht und die dann bei


3 Bedarf schnell aktivierbar ist. Eine Feuerwehr kann man auch nicht erst dann einrichten, wenn es schon brennt. Klar, Freiwilligkeit ist immer besser als Pflicht, aber wenn es gar nicht anders geht, verpflichten wir übrigens auch bei der Feuerwehr die Menschen zum Dienst. Und wir sind uns wohl einig, dass der verantwortungsvolle Dienst in der Feuerwehr für die Allgemeinheit mit mehr Gefahren verbunden ist als eine Impfung. Die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger hat uns durch diese Pandemie getragen.
Sie hat aber auch große Einschränkungen und Belastungen mit sich gebracht vor allem für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Sie haben zwar nicht die größten direkten gesundheitlichen Gefährdungen durch Corona aber eine starke sekundäre Krankheitslast durch psychische und physische Erkrankungen zu tragen. Zudem haben sie sehr viel erduldet und das in entscheidenden Lebensphasen. Wenn ich daran zurückdenke, was ich alles in dem Alter meiner Söhne machen und erleben durfte und das mit ihrem Corona-Alltag und dem ihrer Altersgenossen vergleiche, dann blutet mir das Herz. Aber meine Söhne sind noch relativ privilegiert. Ich bin in der verdichteten Wohnbebauung aufgewachsen. In einem sogenannten schwierigen Quartier. Und ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen: Da wird einem auch ohne Corona nichts geschenkt und der Weg zu den Hilfsangeboten ist im doppelten Sinne weit. Corona hat das gerade für diese Menschen alles noch verschärft.
Egal wer die Landesregierung führt und zukünftig führen wird. Gerade für die benachteiligten Quartiere benötigen wir ein massives Unterstützungsprogramm, damit die sowieso schon schlechteren Zukunftsaussichten der dort lebenden Kinder und Jugendlichen sich nicht noch weiter verschlechtern. Ich befürchte, das ganze Ausmaß der Pandemie haben wir noch nicht ansatzweise erfasst und deshalb müssen wir das auch jetzt massiv anpacken. Auch da hätte ich mir in der Regierungserklärung verbindlichere Aussagen gewünscht. Auch ich sehe einen Lichtblick am Ende des Tunnels und im Frühjahr und Sommer können wir sicher auf- und durchatmen. Wir sollten aber auch nicht in Partystimmung verfallen und die Zeit sinnlos verstreichen lassen. Wir müssen alles dafür tun, dass wir im Herbst nicht noch einmal von einer „völlig überraschenden“ Entwicklung überrollt werden.“



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