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02.09.22
11:44 Uhr
B 90/Grüne

Jan Kürschner zum Verfassungsschutzbericht 2021

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 33 + 54 – Verfassungsschutzbericht Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der 24105 Kiel Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Jan Kürschner: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 175.22 / 02.09.2022


Der Verfassungsschutz muss parlamentarisch effektiv kontrolliert werden und auf einer verfassungsfesten Grundlage stehen
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich kann nicht ans Redepult treten und heute zum Thema sprechen, ohne vorher einen großen verstorbenen Parlamentarier mit einem ausdrücklichen Dank zu würdigen, der so viel für die parlamentarischen Rechte in Deutschland getan hat, Hans-Christian Ströbele. Ich zitiere aus der Laudatio anlässlich der Verleihung des Fritz-Bauer-Preises 2018 an ihn:
„Wenn es jemanden in diesem Land gibt, der über die Missstände, Rechtsbrüche und Skandale der Nachrichtendienste etwas wusste – dann ist es ohne Zweifel Hans-Chris- tian Ströbele. Doch nicht allein dieses Wissen, das sich quasi von Berufs wegen einstellt, wenn man so lange wie er in Untersuchungsausschüssen und im Parlamentarischen Kontrollgremium tätig ist, ist auszeichnungswürdig, sondern, dass er sich von diesem Wissen nicht hat korrumpieren lassen. […] Denn in jedem Mit-Wissen liegt auch ein Po- tenzial, dazu gehören zu wollen. Ihm ist es gelungen, sich über die vielen Jahre seiner intensiven Beschäftigung mit den Nachrichtendiensten hinweg eine kritische Haltung zu bewahren.“, Zitat Ende.
Meine Damen und Herren, nun zum Thema: Unsere liberale Demokratie wird von verschiedenen Seiten stetig attackiert. Vom gewalt- bereiten Rechtsextremismus geht dabei die größte Bedrohung aus. Man spricht je nach Zählweise von 109 bis zu 218 rechtsextremen Morden in der Bundesrepublik Deutsch- land seit 1990. Diese Zahlen sind dramatisch. Ich begrüße es aber ausdrücklich, dass seit einigen Jahren bei den Verfassungsschutzbehörden ein Perspektivwechsel Seite 1 von 2 dahingehend stattgefunden hat.
Zum Aktuellen: Die Pandemie hat zu mehr Irrationalität geführt. In den Verfassungs- schutzbericht zu 2021 wurde erstmals neben den Reichsbürger*innen das Phänomen der sogenannten Delegitimierung aufgenommen. Das halte ich für richtig. Natürlich muss man seine Meinung zu Corona-Maßnahmen sagen dürfen. Sobald aber von einer ver- kehrenden Gleichsetzung mit Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes, dann auch verbunden mit Aufforderungen zu Widerstand die Rede ist, ist die Grenze über- schritten.
In Krisenzeiten haben Verschwörungstheorien vermehrt Zulauf. Sie bieten ein einfaches Erklärungsmodell für eine komplizierte Lebenswelt und unangenehme Entwicklungen. Die Pandemie, der Krieg, die Folgen des Klimawandels schaffen Ängste und einen teil- weisen Kontrollverlust über das gewohnte Leben. Verschwörungstheorien verschaffen dafür einen trügerischen Ausgleich. Diese Phänomenbereiche werden uns also weiter begleiten.
Als Ausblick: Für die Grünen ist die Arbeit des Verfassungsschutzes als Nachrichten- dienst und möglichst nach allen Seiten aufmerksames Frühwarnsystem zum Schutz der Demokratie ein wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur.
Gleichzeitig ist unser Verfassungsschutz wie jeder Nachrichtendienst ein intransparenter Raum. Das hat gute Gründe, aber es kann bedeuten, dass dies Missstände wie beispiels- weise in den Verfassungsschutzbehörden in Hessen oder in Thüringen erzeugt. Wir wol- len einen Verfassungsschutz, der parlamentarisch effektiv kontrolliert wird und auf einer glasklaren, verfassungsfesten rechtlichen Grundlage agiert. Die parlamentarische Kon- trolle des Verfassungsschutzes soll deswegen personell und sachlich deutlich gestärkt werden.
Das Landesverfassungsschutzgesetz werden wir ohnehin reformieren müssen. Das Bun- desverfassungsgericht hat umfangreiche Vorgaben gemacht, welche Anforderungen es bei den Verfassungsschutzgesetzen sieht. Die notwendige Reform wird eine größere Auf- gabe in dieser Legislaturperiode sein.
Zum Verfassungsschutzbericht zurück: Ich freue mich zu lesen, dass über Klimaschutz- proteste darin nichts mehr steht.
Ein letzter Punkt: Aus meiner Sicht läuft in Europa seit vielen Jahren, zeitlich übereinstim- mend mit der Besetzung der Krim, eine Kampagne gegen die liberale Demokratie unter Stützung rechtslastiger Bestrebungen. Dieser Zusammenhang muss gesehen werden! Die Spionageabwehr und die Erhöhung der IT-Sicherheit werden wir zukünftig sehr viel stärker berücksichtigen müssen.
Ihnen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
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