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22.03.23
11:21 Uhr
SPD

Thomas Losse-Müller zur Aktuellen Stunde: Wir brauchen Klarheit, wie die Landesregierung zu dieser zentralen Frage steht

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 22. März 2023
Thomas Losse-Müller: Wir brauchen Klarheit, wie die Landesregierung zu dieser zentralen Frage steht Top 1: Aktuelle Stunde zu „Ein schuldenfinanziertes Sondervermögen Klimaschutz für Schles- wig-Holstein – Was ist die Position der Landesregierung?“ (Drs. 20/860)
„FDP, SSW und SPD haben diese Aktuelle Stunde aus gutem Grund gemeinsam beantragt. Obwohl wir in der Sache sehr unterschiedlicher Meinung sind. Egal wie wir als Oppositionsfraktionen auf die Notwendigkeit eines Sondervermögens Klima schauen, wir brauchen Klarheit, wie die Landesregierung zu dieser zentralen Frage steht. Und zwar ausdrücklich, bevor wir den Haushalt für das Jahr 2023 abschließend diskutieren.
Die Frage, wie wir in den nächsten Jahren mit den nötigen öffentlichen Klimainvestitionen umgehen, ist schon für dieses Jahr von wesentlicher Bedeutung. CDU und Grüne sagen beide, dass sie bis 2040 das erste klimaneutrale Industrieland sein wollen. Frau Heinold sagt nun, dass für die Erreichung dieses Zieles ein schuldenfinanziertes Sondervermögen Klimaschutz notwendig ist. Herr Günther sagt, das stimmt nicht. Wir wollen wissen, was jetzt gilt.
Sie müssen Klarheit schaffen, in was für einem Gesamtrahmen wir den Haushalt 2023 heute im Weiteren eigentlich diskutieren müssen. Wir brauchen Haushaltsklarheit und -wahrheit und keinen finanzpolitischen Zick-Zack-Kurs. Davon gab es im letzten halben Jahr wahrlich genug! Zur Erinnerung: Im August 2022 hat die Koalition die Rückgabe von 2 Milliarden Euro Corona- Mittel ohne einen Verweis auf anstehende Notkredite für die Ukraine oder Klimainvestitionen beschlossen. Im November 2022 beschließen wir hier im Landtag dennoch eine Milliarde Ukraine-Notkredit, mit dem unter anderen auch Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden. Wenige Wochen später sagt Herr Koch hier im Landtag, dass der Kreditaufnahme für Klimaschutz jetzt doch verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen. Anfang Januar gibt die Finanzministerin dann bekannt, dass der Haushalt 2022 überraschend 1,3 Mrd. Euro Überschuss hat. Im Dezember beschließt das Kabinett den Haushaltsentwurf mit Ausgaben von rund 16 Mrd. Euro. Im Februar legen Sie dann eine Nachschiebeliste mit 700 Millionen zusätzlichen Ausgaben vor. Das ist die Größe eines eigenen Einzelplans.


1 In der Zwischenzeit haben das Saarland und Bremen Transformationsfonds verabschiedet und die CDU mit der SPD für Berlin einen angekündigt. Und schließlich spricht sich die Finanzministerin eine Woche vor dieser Haushaltsberatung für ein kreditfinanziertes Sondervermögen Klimaschutz aus. Der Ministerpräsident widerspricht ihr öffentlich. Aber uns allen ist klar, dass hinter den Kulissen die Verhandlungen laufen. Es fällt schwer, bei soviel hin und her einen vernünftigen und sachlichen Dialog zu diesem Haushalt zu führen.
Als SPD befürworten wir ein Sondervermögen Klimaschutz. Vor allem, weil wir die Klimatransformation sozial gerecht gestalten wollen. Und ich will hier in einigen Eckpunkten konkret machen, warum wir auf die Zahlen kommen, die wir für notwendig halten. Vorweg: Für uns gilt das Klimaschutzgesetz: Demnach müssen die Treibhausgasemissionen in den nächsten 7 Jahren um 12 Millionen Tonnen reduziert werden. Das ist das Dreifache dessen, was wir seit 2010 geschafft haben. Damit wir überhaupt eine Chance haben, brauchen wir: Investitionen in Wärmenetze und den Austausch fossiler Wärmequellen: Der Verband der schleswig- holsteinischen Energie- und Wasserwirtschaft schätzt, dass dafür 6 Milliarden Euro Investitionen notwendig sind. Stadtwerke sind nicht irgendwelche Privatunternehmen, sondern gehören den Kommunen. Die müssen das Kapital aufbringen. Und überall da, wo wir kein Wärmenetz bauen müssen die Stromleitungen ertüchtigt werden, damit Luftwärmepumpen und Ladesäulen genug Strom bekommen. Wenn wir die Schätzungen des VKU auf Schleswig-Holstein übertragen, kommen nochmal rund 1,5 Milliarden Euro für die Stadtwerke dazu.
Die Finanzierungslücke ihres eigenen Landesnahverkehrsplans liegt bei rund 600 Millionen Euro. Für die Elektrifizierung der Busverkehre schätzen wir, dass die Kommunen rund 900 Millionen Euro in die Hand nehmen müssen. 20.000 Ladesäulen für E-Autos a 15.000 Euro das Stück verursachen Kosten von 300 Millionen Euro. Und dann noch Ihr eigentliches Ziel. Sie wollen eine Mobilitätsgarantie und dafür Rufbussen einsetzen: Das Projekt Smile24, auf das sie gerne verweisen, erfordert rund 12 Millionen Euro Investitionen und 18 Millionen Betriebskostenzuschuss – wohlgemerkt allein für eine Region mit großzügig gerechnet 40.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Um dieses Projekt auf die 2 Millionen Menschen in Schleswig-Holstein zu skalieren, die Rufbusse benötigen, bedeutet das eine Investition von 600 Millionen – und zwar von den öffentlichen Trägern des ÖPNV, den Kommunen. Für die industrielle Transformation können wir hochrechnen, wieviel Kofinanzierung allein die 2,5 GW Zielgröße für Elektrolyse braucht: mit 200 Millionen Euro pro Gigawatt sind das 500 Millionen Euro.



2 Sie erkennen, dass man leicht auf Investitionsbedarfe oberhalb von 10 Milliarden Euro kommt. Und das sind alles ausdrücklich öffentliche Investitionsbedarfe im Kernbereich der Daseinsvorsorge. Dafür braucht es eine Lösung, die so groß ist wie das Problem.
Als Sozialdemokratie sind uns diese Investitionen deshalb so wichtig, weil nur dadurch eine sozial gerechte Transformation sichergestellt werden kann. Gas- und Ölheizungen zu verbieten, ohne Wärmenetze zu bauen, ist sozial ungerecht. Den Verbrennungsmotor zu verbieten, ohne öffentliche Ladeinfrastruktur zu schaffen, damit auch Menschen in Mietwohnungen ihr Auto laden können, ist sozial ungerecht. Fahr- und Parkverbote in Innenstädten auszusprechen, ohne den ÖPNV optimal ausgebaut zu haben, ist sozial ungerecht.
Wir werden mit dem klimaneutralen Umbau scheitern, wenn wir als Land nicht bereit sind, gemeinsam mit den Kommunen die notwendigen Infrastrukturen zu bauen. Und wir müssen das jetzt tun. Der Bau aller dieser Infrastrukturen erfordert Zeit und Vorlauf. Wir müssen sofort beginnen, um 2030 irgendwas erreicht zu haben. Ich kann gut verstehen, dass sie an jeder dieser Stellen immer nach dem Bund rufen. Aber was ist denn, wenn der nicht antwortet? Oder erst in ein paar Jahren? Wollen sie bis dahin warten? Wärme, ÖPNV, Verteilnetze oder regionale Wirtschaftsförderung sind alles originäre Verantwortungsbereiche des Landes und der Kommunen.
Unser Vorschlag: Lassen Sie uns jetzt ein Sondervermögen Klima auflegen, das so groß wie das Problem ist. Nur so haben alle beteiligten Akteure Planungssicherheit. Wenn es dann von woanders, sei es vom Bund oder der EU mehr Geld gibt. Gut! Dann reduziert das den Finanzierungsbedarf. Aber wir müssen jetzt anfangen! Die Kosten des Nichtstuns sind sehr viel größer. Wieviel grösser versuchen wir gerade zusammen herauszufinden, aber sie werden weit über 10 Milliarden Euro liegen.
Ein letzter Gedanke zum Thema Verschuldung. Die Frage ist nicht, ob Schulden gemacht werden müssen, um die notwendigen Investitionen zu stemmen. Kein Finazinvestor, kein Haushalt, kein Konzern und kein mittelständisches Unternehmen hat soviel Geld auf der hohen Kante liegen. Die Frage ist, wem die Schulden aufgebürdet werden: Entweder zwingen Sie private Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen mit Ordnungsrecht und Preissteigerungen in die Verschuldung, weil die alle Investitionen selber tragen sollen, oder wir als Staat übernehmen die Schulden, weil wir sie besser schultern können. Und darin liegt der Kern der Gerechtigkeitsfrage. Lassen wir die Menschen mit den Kosten allein, oder tragen wir sie gemeinsam?


3 Frau Heinold, Herr Günther, Sie würden uns allen die Diskussionen zum Haushalt erleichtern, wenn Sie hier klären wie die gemeinsamen Pläne der Regierungskoalition sind.“



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