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22.03.23
11:39 Uhr
B 90/Grüne

Lasse Petersdotter zur Aktuellen Stunde zum Sondervermögen Klimaschutz

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 1 – Aktuelle Stunde zum Sondervermögen Klimaschutz Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der Vorsitzende Zentrale: 0431 / 988 – 1500 der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Lasse Petersdotter: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 093.23 / 22.03.2023

Die Klimaziele einzuhalten ist Pflicht
Im Kern steht die Frage, ob es in Schleswig-Holstein kreditfinanzierten Klimaschutz ge- ben sollte, auf drei Säulen: 1. Ist es rechtlich möglich? 2. Ist es notwendig 3. Ist es gerecht? Ich werde in meiner Rede versuchen, so gut wie möglich auf diese drei Fragen einzuge- hen.
Lange war auch ich der Auffassung, kreditfinanzierter Klimaschutz wäre im Rahmen der Regeln der Schuldenbremse nicht möglich. Dies ist einer der Hauptgründe, warum wir Grüne und auch ich persönlich die Schuldenbremse ändern wollten und wollen.
Wenn Kredite erst möglich wären, wenn das Wasser in den Städten steht, wäre die Schul- denbremse zynisch. Heute bin ich davon überzeugt, dass die Schuldenbremse kreditfi- nanzierten Klimaschutz ermöglicht.
Die Regeln der Schuldenbremse geben – sowohl in der Landesverfassung wie auch im Grundgesetz – im Wesentlichen drei Vorgaben: 1. Es muss sich um eine Notsituation halten, wie etwa Naturkatastrophen und andere außergewöhnliche Herausforderungen. 2. Der Eintritt dieser Notsituation muss sich der Kontrolle des Staates entziehen. 3. Die Finanzlage des Landes muss erheblich beeinträchtigt sein.
Die Frage der außergewöhnlichen Notsituation können wir wohl besonders schnell abha- ken. Ich sag mal so: Ich bin 1990 geboren und trotzdem habe ich schlichtweg zu viele Jahrhundertsommer, Dürren und andere Extremwetterlagen erlebt. Und trotzdem wird das Klima nie wieder besser, als es gestern war!
Seite 1 von 3 Auch die erhebliche Beeinträchtigung der Finanzlage lässt sich leicht abhaken. Dazu nur ein paar Zahlen. Letzte Woche veröffentlichte das Institut für ökologische Wirtschaftsfor- schung eine Studie zu den angenommenen Schadenskosten durch die Klimakrise in Deutschland. Allein von 2000 bis 2021 geht man hier von 145 Milliarden Euro Schaden aus. Bis 2050 wird ein Schaden von 280 bis 910 Milliarden Euro angenommen. Wir be- finden uns übrigens eher auf dem Pfad zu den 910 Milliarden Euro. Legen wir darauf mal den Königsteiner Schlüssel an, bedeutet das 31,8 Milliarden Euro für Schleswig-Holstein. Oder durchschnittlich 1,17 Milliarden Euro im Jahr.
Aber auch der Investitionsbedarf für den Klimaschutz und die Transformation ist immens. Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau-Research besteht ein Investitionsbedarf bis 2045 von 5 Billionen Euro in Deutschland. Allein 72 Milliarden Euro Mehrinvestitionen im Jahr. Auch hier den Königsteiner Schlüssel angewendet, bedeutet das 2,5 Milliarden Euro im Jahr allein für Schleswig-Holstein. McKinsey geht derweil von 6 Billionen Euro Investitionsbe- darf aus. Sie können sich gerne eine der Zahlen aussuchen. Aber es ist natürlich klar, dass diese Investitionen nicht alle vom Staat zu leisten sind.
Die dritte rechtliche Frage befasst sich damit, ob sich die Klimakrise der Kontrolle des Staates entzieht. Ja, das tut sie. Denn auch trotz dessen, dass die Klimakrise menschen- gemacht ist, ist Schleswig-Holstein weder alleiniger Verursacher, noch alleiniger Löser dieser Krise. Das entbindet uns zwar nicht aus der Verantwortung, unseren Teil zu leis- ten, es drückt aber die gleichzeitige Ohnmacht aus.
Ich möchte noch zwei weitere Aspekte ansprechen, die in der Debatte der letzten Jahre zu kurz kamen und mich überzeugen: Erstens die Tatsache, dass die Klimakrise über mehrere Jahre wirkt, widerspricht nicht einer kreditfinanzierten Bewältigung im Sinne der Schuldenbremse. Auch die Wiederver- einigung Deutschlands wirkte und wirkt über viele Jahre und ist dennoch explizit als au- ßergewöhnliche Notsituation gewertet. Zweitens hat das bahnbrechende Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 festgestellt, dass das Schutzversprechen des Staates auch für künftige Generationen gilt.
Dieses intergenerationelle Schutzversprechen bedeutet auch, dass die Notsituation der Zukunft bereits die in politische Verantwortung gegossene Krise der Gegenwart ist!
Mein letztes juristisches Argument für heute: Das Bundesverfassungsgericht hat noch etwas festgestellt. Die Klimaziele sind kein Maßstab für politische Ambitionen. Die Klima- ziele einzuhalten ist Pflicht. Und wir alle werden uns selbstverständlich für die Erfüllung dieser Pflicht verantworten müssen.
Wer sagt, „das wird schon“, muss auch sagen wie. Ja, nicht der Staat allein, aber Impuls- geber, Rahmensetzer und Absicherer wird der Staat sein müssen. Das zeigt sich auch in der Dreifaltigkeit der Handlungsmöglichkeiten. Reagieren wir mit Förderung, Ordnungs- recht oder Preisen? Beim Ordnungsrecht möchte ich schon auf den Bund verweisen, weil hier die Regelungsbefugnisse liegen, die aktuell zu wenig genutzt werden. Beim Preis möchte ich meine Skepsis ausdrücken, denn sie führen immer zu besonderen Härten bei Teilen unserer Gesellschaft. Und bei der Förderung braucht es Geld. Am Ende wird es eine gute Mischung aus allem brauchen. Verträglich und verantwortbar.
Ohne kreditfinanzierten Klimaschutz laufen viele Maßnahmen gegen andere Projekte. Die Reaktivierung von Bahnstrecken. Die Elektrifizierung von Bahnstrecken. Die Sanierung der Schieneninfrastruktur.
2 Die Aufforstung unserer Wälder. Die Wiedervernässung unserer Moore. Die Unterstützung der Landwirtschaft in dieser Transformation. Die Umsetzung der Wärmewende. Und, und, und. Und auch die Ansiedelung für die Transformation unserer Wirtschaft wich- tiger Unternehmen. Wir werden uns dann sehr vieles nicht leisten können, ablehnen müs- sen, sehr vieles eben nicht schaffen.
Das ist keine Abwägung zwischen Luxus und Zurückhaltung. Es geht darum, wie wir un- serer Verantwortung am besten gerecht werden. Dafür werden wir auch diese Diskussion sachlich und lösungsorientiert fortsetzen müssen. Denn die Ziele sind klar, vor uns liegt der Weg.
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