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24.03.23
14:50 Uhr
SPD

Thomas Losse-Müller zu den TOP'S 41+42: Wir brauchen ein Update für unseren Umgang mit KI

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 24. März 2023
Thomas Losse-Müller: Wir brauchen ein Update für unseren Umgang mit KI Top 41+42: KI-Strategie des Landes aktualisieren sowie Handlungsempfehlungen für die Schulen im Umgang mit ChatGPT (Drs. 20/827, AltA 20/879, 20/828)
„Warum haben wir einen Antrag gestellt der von autogenerativer Künstlicher Intelligenz geschrieben wurde? Weil es geht. Und das ist der eigentliche Punkt. In den letzten Wochen hat KI so ziemlich alles gemacht, was man sich vorstellen kann: wir haben Reden in der Hamburger Bürgerschaft erlebt, Hausarbeiten und Aufsätze an Unis und Schulen, KI hat am Datenschutzbericht unserer Landesdatenschutzbeauftragten mitgeschrieben. Und dabei hat die neueste Generation von KI bewiesen, wie krass leistungsfähig sie ist. GPT-4 hat das anspruchsvolle amerikanische Rechtsanwaltsexamen unter den besten 10% bestanden und die theoretische Prüfung als Weinsommelier abgelegt.
Wir erleben gerade live, wie eine historisch einzigartige Technologie die Marktreife erreicht. Und es ist eine sehr wirkmächtige Technologie, die unser Leben verändern wird. Zum Guten und zum Schlechten. Wir brauchen eine ausführliche öffentliche Debatte über die gesellschaftliche und politische Bedeutung von KI. Deshalb bin ich Ihnen allen sehr dankbar für Ihre Offenheit, das hier und in dieser Art zu tun. Ich will ausdrücklich anerkennen, dass die Landesregierung mit ihrer KI-Strategie in diesem Thema sehr engagiert ist und schon unter Jamaika führend unter den Bundesländern war. Es war richtig, dass Sie früh in das Thema investiert haben und den Schulterschluss mit unseren Partnern in den Nordländern suchen. In den digitalpolitischen Foren und Fachdebatten diskutieren wir schon seit Jahren intensiv über Chancen und Risiken von KI. Und trotzdem hat uns alle die Geschwindigkeit der Entwicklung überrascht. KI schien eine weitentfernte Möglichkeit, auf die wir uns in Ruhe mit Weißbüchern in Brüssel und Digitalstrategien vorbereiten konnten. Jetzt sind wir mitten drin. Und wir müssen jetzt viele neue drängende Fragen beantworten.
Die Frage, ob Chancen oder Risiken dieser Entwicklung überwiegen, ist im Kerne eine Frage der politischen Gestaltung. Dazu zwei Thesen:


1 Erstens: Die Tatsache, dass KI einen ordentlichen Landtagsantrag schreiben kann und juristische Examen besteht, läutet endgültig die nächste Phase der Automatisierung ein. Das, was die Kolleginnen und Kollegen in den Fabriken, an den Werkbänken und Fertigungslinien schon seit den 70er Jahren erleben, wird nun in die Bürogebäude einziehen. KI ermöglicht nicht nur die Automatisierung von Routinearbeiten, sondern auch Wissensarbeit. Immer dann, wenn die Arbeitsleistung darin besteht, vorhandenes Wissen zu suchen und für einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Fragestellung aufzubereiten, kommt jetzt KI ins Spiel. Wir stehen damit vor einem neuen Strukturwandel, der nicht zu einem Strukturbruch werden darf. Das sind wir den Beschäftigten schuldig. KI muss eine Chance für alle sein und nicht nur für wenige!
Zweitens: Müssen wir angesichts des Fachkräftemangels und der immer weiter wachsenden Aufgaben die Potentiale der KI für einen leistungsfähigen Staat nutzen. Wenn wir den Wohngeldantrag und den Angelscheinantrag automatisieren können, dann müssen wir das tun. Da haben wir das gleiche Ziel und ich kann nur anbieten, dass wir daran gemeinsam arbeiten. Es geht in der Debatte um KI aber auch um sehr viel grundsätzlichere Fragen. Eine Frage, die mich persönlich sehr beschäftigt, ist: Wie KI die Zukunft der politischen Debatte und damit unserer Demokratie verändert.
Bis heute waren Extremisten und Demokratiefeinde in der Bundesrepublik glücklicherweise immer in der Minderheit. Wir waren ihnen als Demokraten zahlenmäßig überlegen. Wir haben es, wenn wir zusammengehalten haben, immer geschafft, extremistische Stimmen an den Rand zu drängen. Weil unsere Stimmen zahlreicher waren. Vereinfacht gesagt: Man hat uns schlicht öfter gehört. Das hat sich geändert. Mit den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz ist der Produktion von Social Media, Texten und Videos keine zahlenmäßige Grenze mehr gesetzt. Demokratiefeinde können ganze Welten von Lügen und Unwahrheiten entstehen lassen. Sich millionenfach reproduzieren. Unser zahlenmäßiger Vorteil ist weg. Uns stehen deshalb schwierige medienpolitische Debatten bevor. Wir müssen sicherstellen, dass alle öffentlichen Räume so gestaltet werden, dass die Demokratie in ihnen überleben kann.
Es wäre falsch, die Chancen Künstlicher Intelligenz nicht zu nutzen. Es wäre genauso falsch die Risiken zu unterschätzen. Wir müssen als Parlament das Selbstbewusstsein und die Zuversicht haben, dass wir Chancen und Risiken unterscheiden können. Gute Technologiepolitik gestaltet die Rahmenbedingungen so, dass die Chancen genutzt und die Risiken minimiert werden. Das gilt für jede Technologie. Aber eins unterscheidet KI von anderen Technologien: Wir wissen, warum ein Taschenrechner aus 2 + 2 = 4 macht. Wir verstehen, wie die biotechnologische Genschere CRISPR Gene verschiebt. Wir wissen, warum Kernspaltung ihre gefährliche Kraft


2 entfaltet. Aber wir wissen nicht, warum ChatGPT und Writesonic genau diesen Text, den wir hier heute beraten, geschrieben haben. Künstliche Intelligenz entsteht durch Training an großen Datenmengen, die in neuronalen Netzen Verbindungen zwischen Daten knüpfen. Genauso wie das in unseren eigenen Gehirnen passiert. Aber niemand – auch nicht die Schöpfer dieser Modelle – wissen, welche Verbindungen das Modell geknüpft hat, wie die Daten verarbeitet worden sind. Wir wissen nicht, warum KI ein bestimmtes Ergebnis hervorbringt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir niemals die Kontrolle über den Output der KI verlieren.
Was heißt das für unseren Antrag heute? Es ist nicht der beste Antrag, der dieses Parlament je beschäftigt hat, es ist nicht der schlechteste. Und er ist angesichts der rasanten Entwicklung, die wir begleiten müssen, richtig. Wir brauchen ein Update für unseren Umgang mit KI. Deshalb werden wir heute zustimmen.“



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